Die Pflichtfortbildung

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Bei „Aus dem Pflaster-Laster“ berichte ich von Einsätzen, dem Alltag auf der Rettungswache und von aktuellen Themen – von purer Routine bis zum Drama. Am Ende ziehe ich mein Fazit der Einsätze und zeige auf, was gut lief und was besser laufen könnte. Namen von Patienten, Orten und Kollegen lasse ich selbstverständlich aus.

Einer der regelmäßigen „Pflichttermine“, die man als Rettungsdienstler wahrnehmen darf (muss), ist die jährliche Pflichtfortbildung.

Dieses meist eher wenig beliebte Thema wird sowohl in den Landesrettungsdienstgesetzen als auch im Landesrettungsdienstplan geregelt – in Rheinland-Pfalz sind es 30 Stunden im Fortbildungsjahr. Davon entfallen drei Tage à 8 Stunden (24 Stunden) auf die Präsenzfortbildung als „eigentliche Fortbildung“, die restlichen 6 Fortbildungsstunden werden eigenverantwortlich durch Kurse, Symposien oder E-Learning absolviert.

Ein absolut wichtiges Thema – gerade, was den Ausbau und Erhalt der eigenen Fertigkeiten angeht. Lebenslanges Lernen gilt im Rettungsdienst durchaus als „Soll-Maßstab“. Und trotz allem ist die Fortbildung alles in allem recht unbeliebt – trotz dem Status als bezahlte Arbeitszeit.

Ein paar Impressionen

Auch wenn es dieses Jahr keineswegs meine erste Forbildung war – und auch nicht die letzte sein wird – ist es vielleicht doch an der Zeit, mal einen Blick auf Fortbildungen und was dort so passiert zu werfen. Am Ende ist es doch auch eine Form des Wachenlebens.

Generell sollen Fortbildungen dazu dienen, Wissen und Fähigkeiten langfristig zu erhalten und ggf. auch neues Wissen und neue Fähigkeiten vermitteln. Das ist für ganze 30 Stunden Fortbildung im Jahr ein durchaus extrem ambitioniertes Ziel, welches dann in der Praxis…doch eher weniger gut funktioniert.

Fortbildungen sind allerdings auch stets viel Diskussion, Meinungs- und Erfahrungsaustausch – gerade, weil hier typischerweise alle Wachen, alle Qualifikationen und Erfahrungsstufen wild zusammengeworfen werden. Das schwankt offen gesagt von einem herzlichen „Meet & Greet“ von selten gesehenen Kollegen bis zu „Oh mein Gott bin ich froh, dass ich nicht auf Wache XY fahre“.

Ansonsten hängt tatsächlich sehr viel von den (in unserem Falle einheitlichen) Jahresthemen und dem Dozenten ab, wie die Fortbildung ankommt. Denn die Dozenten sind dann doch oft…speziell. Viele haben tatsächlich ein enormes Fachwissen und sind didaktisch hervorragend vorbereitet, ein paar andere sind einfach „nur“ Profilneurotiker mit grenzenloser Selbstüberschätzung, die sich gerne reden hören.

Die diesjährige Fortbildung hatte bei uns, im Gegensatz zu den der beiden Vorjahre, in denen es vorrangig um die neuen Ausbildungs- und Behandlungsalgorithmen ging, kein „Leitthema“ als solches.

Der erste Tag war, wie zu COVID-Zeiten, online. Themenschwerpunkt waren D-Probleme, deutliche Schwerpunktsetzung auf dem Schlaganfall-Algorithmus.

Ehrlicherweise: es gab aus meiner Sicht hier wenig bis gar keine neuen Erkenntnisse, lediglich die „Los Angeles Motor Scale“ hatten wir bislang in der Form nicht in Algorithmen. Diskussionen um FAST und BE-FAST und Scoring-Systeme (auch alles nicht neu), das Mangement des Wake-up-Stroke und der allseits beliebte Klassiker des „Blutzucker messen bei neurologisch auffälligen Patienten“.

Also mehr oder weniger ein stundenlanges Algorithmen-Vorlesen im Online-Format. Ich weiß nicht, ob man hier versucht, aus einer Not (Dozentenmangel) eine Tugend zu machen – didaktisch wertvoll fand ich das Konzept jedenfalls nicht. Und die Herausforderung, zumindest halbwegs fokussiert zu bleiben, wurde von Stunde zu Stunde größer.

Tag 2 war dann in Präsenz mit dem großen Thema Atemwegsmanagement – ein eher kurzer Theorieblock samt Lehrvideos, dann Praxis.

Allein schon der kurze Theorieblock hatte für teils leidenschaftliche Diskussionen geführt, und zwar um die Zahlen bezüglich des Outcomes von Reanimationspatienten nach Art der durchgeführten Atemwegssicherung. Die Zahlen wurden von einer Kollegin deutlich kritisiert, obwohl der Dozent eine gute und vor allem angemessene Einordnung derselben vorgenommen hatte.

Ansonsten: Praxis – also Atemwegssicherung mit den bisherigen (Larynxtubus) und zukünftigen (Larynxmaske bzw. iGel) Varianten des extraglottischen Atemwegs.

Dann würde es deutlich invasiver mit den Varianten des chirurgischen Atemwegs – Ventrain, „Do-it-yourself-Nadelcricothyroidotomie“ und wirklich chirurgische Koniotomie mittels Skalpell und Tubus. Auch wenn ich Bedenken hinsichtlich selbst gebastelter Medizinprodukte durchaus nachvollziehen kann, war die Art der Diskussion (von selbiger Kollegin wie zu Beginn) doch sehr befremdlich…

In einer Ultima-ratio-Situation – von der wir hier sprechen – eher dazu zu tendieren, einen Patienten ersticken zu lassen, als eine unkonventionelle Lösung (aus rechtlichen Bedenken oder aus „was könnte das Krankenhaus denken?“) zu ergreifen, lässt meines Erachtens tief blicken.

Tagesabschluss bildete dann das Atemwegsmanagement von Neugeborenen und Kleinkindern mit unterschiedlichen Varianten (Beutel-Maske, extraglottischer Atemweg, Rachen-CPAP).

Der dritte Tag war wiederum von Praxis geprägt – diesmal mit Schwerpunkt Geburt & Neugeborenenversorgung. Als Einstieg gab es es einen erwartungsgemäß trockenen Vortrag zur Dokumentation im Rettungsdienst, dann ging es an die einzelnen Stationen – Durchsprechen der jeweiligen Algorithmen, Demonstration, Praktische Übung.

Die Geburtssimulation – wenn auch sehr rudimentär – war durchaus interessant und auch für die Neugeborenenversorgung im Allgemeinen gab es durchaus sinnvolle Tipps & Hinweise.

Tagesabschluss war hier die Neugeborenenreanimation – als Übung super, wirklich neue Erkenntnisse gab es hier jedoch nicht.

Grundproblematik der Fortbildungen

Aus meiner Sicht haben Fortbildungen mehrer Grundprobleme, die wohl auch zu ihrem teils eher mäßigen Ruf unter den Kollegen beitragen.

Ein Problem ist durchaus die „eine für alle“-Fortbildungsstrategie. Egal ob Rettungshelfer, Rettungssanitäter oder Notfallsanitäter, egal ob haupt- oder ehrenamtlich, egal ob erfahren oder „frisch“ im Beruf.

Auch wenn es in gewisser Weise sinnvoll scheint, mehr oder minder in der Konstellation zu trainieren, die sich auch draußen im Einsatz findet, macht es die inhaltliche Schwerpunktsetzung schwierig…und die Fortbildung stets zu einer Kompromisslösung, die oft genug daran scheitert, alle abzuholen.

Für den hauptamtlichen Notfallsanitäter sind andere Themen und auch in einer anderen Tiefe relevant, als für den Rettungssanitäter, der zweimal im Monat am Wochenende KTW fährt – und umgekehrt.

Ebenso eine Betrachtung Wert ist die Gestaltung der Fortbildung an sich. Ja, mit „Algorithmen vorlesen“ füllt man zwar die Zeit, einen relevanten Benefit hat man mit dieser Strategie allerdings nicht. Das Festhalten an Online-Formaten (wenn auch nur teilweise) macht es aus meiner Sicht nicht besser. Generell scheint es aus meiner Sicht sinnvoll, in einer organisierten, mehr oder weniger zentral stattfindenden Fortbildung genau die Sachen zu trainieren (und richtig zu trainieren), wo auf den einzelnen Wachen schlichtweg keine Möglichkeit zu besteht.

Ein Reanimationstraining sollte – zumindest in unserem Falle – jede einzelne Lehrrettungswache hinbekommen.

Vor allem sehe ich als Problem der Fortbildung: es ist zu wenig.

30 Stunden Fortbildung mögen zu Rettungsassistenten-Zeiten noch „in Ordnung“ gewesen sein, spätestens mit der Einführung der Heilkunde für Notfallsanitäter und einem entsprechenden Kompetenzspektrum scheint das einfach nicht mehr auszureichen und nicht die berufliche Realität widerzuspiegeln.

Gerade was invasive Maßnahmen angeht sind wir meines Erachtens auch an dem Punkt, wo man sich der großen Frage der Umsetzung eines (halbwegs) regelmäßigen Trainings im klinischen Kontext stellen sollte.

Interessenkonflikte

Der Autor gibt an, dass keine Interessenkonflikte bestehen.

Quellen

ÄLRD Rheinland-Pfalz (2023): Ausbildungs- und Behandlungsalgorithmen Notfallsanitäter, Stand 30.09.2023, abgerufen unter https://www.aelrd-rlp.de/index.php/download/ausbildungsalgorithmen-notsan-rheinland-pfalz/# am 30.09.2024

Landesrecht RLP (2020): Landesgesetz über den Rettungsdienst sowie den Notfall- und Krankentransport (Rettungsdienstgesetz – RettDG -) in der Fassung vom 22. April 1991, zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 11.02.2020 (GVBl. S. 33), abgerufen unter https://landesrecht.rlp.de/bsrp/document/jlr-RettDGRPrahmen/part/X am 30.09.2024

Ministerium des Innern und für Sport Rheinland-Pfalz (2014): Landesrettungsdienstplan Rheinland-Pfalz (LRettDP), abgerufen unter https://isim.rlp.de/fileadmin/isim/Unsere_Themen/Sicherheit/Rettungsdienst/Dokumente/2473-Landesrettungsdienstplan.pdf am 30.09.2024

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Über SaniOnTheRoad

Die Pflichtfortbildung

SaniOnTheRoad

Notfallsanitäter, Teamleiter und Administrator des Blogs. Vom FSJler über Ausbildung bis zum Haupt- und Ehrenamt im Regelrettungsdienst und Katastrophenschutz so ziemlich den klassischen Werdegang durchlaufen. Mittlerweile beruflich qualifizierter Medizinstudent im klinischen Abschnitt des Studiums. Meine Schwerpunkte liegen auf Ausbildungs- und Karrierethemen, der Unterstützung von Neueinsteigern, leitliniengerechten Arbeiten sowie Physiologie, Pathophysiologie, Pharmakologie und EKG für den Rettungsdienst. Mehr über mich hier.

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