blue and red mask with face

Bei „Aus dem Pflaster-Laster“ berichte ich von Einsätzen, dem Alltag auf der Rettungswache und von aktuellen Themen – von purer Routine bis zum Drama. Am Ende ziehe ich mein Fazit der Einsätze und zeige auf, was gut lief und was besser laufen könnte. Namen von Patienten, Orten und Kollegen lasse ich selbstverständlich aus.

Wie unnötig darf es heute sein?

Es ist durchaus ein offenes Geheimnis, dass es Einsätze gibt, bei denen man die Indikation mit der Lupe suchen muss – und jeder, der im Rettungsdienst tätig ist, dürfte im Laufe der Jahre ein entsprechendes Potpourri an derartigen Einsätzen gesammelt haben.

Dementsprechend ist die Frage

Was soll ich hier eigentlich?

gar nicht mal so selten. Eigentlich ist das nichts besonders außergewöhnliches. Eigentlich fällt hier vieles unter die viel beschriebene Gesundheitskompetenz oder eben deren Mangel.

Und trotz allem gibt es dann die paar Einsätze, die einen schlicht sprachlos zurücklassen…

Ein schlechter Nachtdienst wird nicht besser

Es ist der zweite RTW-Nachtdienst in Folge – und die zweite Nacht, die wenig bis gar keinen Schlaf verspricht. Drei Einsätze mit entsprechend langen Transportwegen haben wir schon hinter uns, um drei Uhr nachts waren wir das erste Mal wieder auf der Wache.

Ruhe war meiner Kollegin und mir allerdings nicht vergönnt – anderthalb Stunden später geht erneut der Melder.

Einsatzdaten

Einsatzmeldung: Synkope.

Alarmierte Fahrzeuge: RTW solo, mit Sonder-/Wegerechten.

Die Reise geht zu einer örtlichen Tankstelle – und die Polizei als Anrufer ließ schon nichts gutes Erahnen. Noch weniger gutes Erahnen ließ die Zusatzinfo „im Tankstellenklo“. Die Anfahrt war entsprechend kurz und die Motivation praktisch nicht vorhanden.

Scene – Safety – Situation

Scene: Sommer, Nacht, 04:30, warm, trocken. Tankstelle in Industriegebiet.

Safety: Keine augenscheinlichen Gefahren.

Situation: Das Tankstellenpersonal nimmt uns in Empfang und berichtet von einem Mann, der vor etwa einer halben Stunde vorbei kam und um Wasser gebeten hatte. Ihm wurde der Toilettenschlüssel gegeben und er kam seitdem nicht zurück.

Wir treffen die Ersteinschätzung

Ersteinschätzung

Potentiell kritisch.

Daraufhin gab es für uns noch die Zusatzinformation, dass ein Zeitungszusteller ebenfalls die Toilette benutzen wollte und dem Personal die Info gab, dass dort jemand liegt.

Die beiden weiblichen Angestellten haben sich nicht selbstständig getraut, nachzusehen – weder der Zusteller war bereit zu helfen, noch die durch das Personal alarmierte Polizei hatte entsprechende Muße, sich der Sache anzunehmen.

Und so kamen wir ins Spiel.

Entsprechend der Schilderung machen wir uns mit Sack und Pack auf zu der außen liegenden Toilette der Tankstelle – im Kopf, dass die Bandbreite nun von „gar nichts“ bis „Kreislaufstillstand“ reicht.

Ich öffne mit einem beherzten Griff die Tür – der vermeintliche Patient erwacht, steht auf…und zieht wortlos von dannen. Wir blicken uns etwas ungläubig an, sammeln den auf dem Boden liegenden Toilettenschlüssel auf, übergeben ihn ans Personal, und fragen uns:

Was war das eigentlich?

Die Folgen von „nicht mein Problem“

Ehrlicherweise was das einer der kürzesten Einsätze meiner bisherigen Laufbahn – und einer der wenigen, in dem trotz „Patientenkontakt“ wirklich nichts an Medizin lief. Gar nichts.

Der Einsatz zeugt von Hilfsbereitschaft, fehlender Hilfsbereitschaft und einer weiten Auslegung von Zuständigkeiten.

Es ist durchaus löblich, dass das Personal der – zu diesem Zeitpunkt noch geschlossenen – Tankstelle die Benutzung der Toilette angeboten hat, damit der „Patient“ sich Wasser holen konnte. Und es ist durchaus verständlich, wenn zwei Frauen alleine in einem Industriegebiet nicht unbedingt einen völlig fremden Mann aufwecken wollen.

Weniger verständlich ist es, dass der Zusteller hier seine Hilfe aktiv verweigert hat – obwohl ein „Steh auf“ wohl durchaus zumutbar gewesen wäre.

Und noch weniger verständlich ist es, dass die Polizei einen medizinischen Notfall weitermeldet, ohne sich davon überzeugt zu haben – allein die Konstellation der Meldung ließ einen Notfall doch als eher unwahrscheinliche Möglichkeit.

Fazit

Was fand ich gut?

  • mit etwas Fantasie: der Einsatz war ausgesprochen schnell und mühelos abgearbeitet

Was fand ich nicht gut?

  • fehlende Hilfsbereitschaft – es wäre durchaus möglich und zumutbar gewesen, diesen Einsatz ohne jede Inanspruchnahme von BOS selbstständig zu lösen
  • Zuständigkeitsgefühl – der Rettungsdienst ist prinzipiell nicht für das Erwecken schlafender Personen zuständig

Was ist mir wichtig? – Take-home-Message

Eine wirklich gute Take-home-Message vermag ich hier eigentlich nicht zu formulieren – bestenfalls einen Reminder.

Der Rettungsdienst ist nicht zuständig für die Lösung sämtlicher Lebens- und Alltagsprobleme.

Das ist etwas, was sich Allgemeinbevölkerung wie auch andere BOS vielleicht mal wieder etwas mehr zu Herzen nehmen müssen. Irgendwo wird man zum Lückenfüller für die fehlende Selbsthilfe oder die fehlende Motivation Dritter – was schade ist.

Interessenkonflikte

Der Autor gibt an, dass keine Interessenkonflikte bestehen.

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Über SaniOnTheRoad

Kurioser Kurz-Einsatz

SaniOnTheRoad

Notfallsanitäter, Teamleiter und Administrator des Blogs. Vom FSJler über Ausbildung bis zum Haupt- und Ehrenamt im Regelrettungsdienst und Katastrophenschutz so ziemlich den klassischen Werdegang durchlaufen. Mittlerweile beruflich qualifizierter Medizinstudent im klinischen Abschnitt des Studiums. Meine Schwerpunkte liegen auf Ausbildungs- und Karrierethemen, der Unterstützung von Neueinsteigern, leitliniengerechten Arbeiten sowie Physiologie, Pathophysiologie, Pharmakologie und EKG für den Rettungsdienst. Mehr über mich hier.

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