Bei „Aus dem Pflaster-Laster“ berichte ich von Einsätzen, dem Alltag auf der Rettungswache und von aktuellen Themen – von purer Routine bis zum Drama. Am Ende ziehe ich mein Fazit der Einsätze und zeige auf, was gut lief und was besser laufen könnte. Namen von Patienten, Orten und Kollegen lasse ich selbstverständlich aus.
Das Leben im Wachenleben
„Rettungsdienst ist anders“
Wer das Vergnügen hatte, schon mal in einer anderen Branche als dem Rettungsdienst gearbeitet zu haben – die lebensälteren Quereinsteiger können berichten – wird feststellen, dass das Arbeitsleben im Rettungsdienst sich doch stark von dem unterscheidet, was woanders üblich ist.
Es ist nicht einfach Arbeit. Es ist nicht die „Arbeit auf der Wache“. Es ist Wachenleben. Und der Begriff passt aus meiner Sicht auch wirklich exzellent: es beinhaltet nämlich so ziemlich alle Aspekte des Lebens an sich, also weit mehr als nur „Arbeit“.
Gemeinsames kochen, feiern, diskutieren (auch weit über die Grenzen des Berufs hinaus), Filme schauen, Spiele spielen, Sorgen und Probleme besprechen und auch die Freizeit gemeinsam gestalten gehört hier in den allermeisten Fällen dazu.
Ich finde, es geht hier weit über das hinaus, was man gemeinhin unter Kollegialität versteht. Selbst Kameradschaft trifft es nicht zur Gänze. Eigentlich ist die Wachengemeinschaft eine zweite Familie – man verbringt teilweise mehr Zeit mit ihr als mit seiner eigentlichen Familie.
Den Rest erledigt die Arbeitswelt Rettungsdienst dann von alleine: das notwendige Vertrauen, das Verlassen auf den anderen, interessante, lustige, spannende oder belastende Einsätze, die gemeinsam erlebt werden, die Wechselschichtarbeit, das gemeinsame Verbringen von Feiertagen…
All das hat Vor- und Nachteile. Die berühmte Trennung von „Arbeit und Privaten“…ist doch eher unüblich.
Über Freundschaften, Beziehungen und Konflikte
Die Bedingungen, die der Rettungsdienst uns bietet und das Wachenleben sorgt dafür, dass hier sehr oft aus eigentlich völlig verschiedenen Kollegen Freunde werden – und sich auch oft genug sehr enge Freundschaften ergeben.
Während sämtliche Nicht-Rettungsdienstler sich irgendwann ärgern, dass ein Treffen nicht klappt, findet man bei den Rettungsdienst-Freunden Verständnis: man kennt die Unlust, nach drei Nachtschichten infolge etwas zu unternehmen, das „freie Wochenende“ am Mittwoch und Donnerstag und die absolute Unplanbarkeit des Feierabends.
Und manchmal – auch aus eigener Erfahrung – soll (oder wird) dann doch aus mehr aus der Freundschaft: Beziehungen unter Kollegen kommen vor. Eigentlich mehr oder minder aus den selben Gründen, wie hier Freundschaften entstehen. Man verbringt unheimlich viel Zeit miteinander, spricht durchaus viel über private Dinge, man lernt die Leute kennen und manchmal springt der Funken über.
Manchmal auch nicht. Oder nur auf einer Seite. Beides kann nicht nur den Wachenfrieden, sondern auch die eigene Zufriedenheit und Stimmung erheblich stören – leider auch aus eigener Erfahrung. Je nachdem, wie damit umgegangen wird, kann es erwachsen als „Fehlversuch“ gewertet werden ohne die (meist vorher bestehende) Freundschaft zu beenden – oder aber dafür sorgen, dass monatelang der Haussegen schief hängt und ganze Freundesgruppen zerbrechen.
Wie die Trennung von privaten und beruflichen Dingen im Allgemeinen sind „Beziehungen am Arbeitsplatz“ im Rettungsdienst ebenfalls…anders.
Konflikte jeglicher Art haben in der Wachengemeinschaft ungleich größere Auswirkungen als an Arbeitsplätzen: es ist nicht der eine Kollege, mit dem man im Clinch liegt – es der eine Kollege, mit dem man im Clinch liegt und regelmäßig zwölf Stunden zusammenarbeiten und eben „leben“ muss.
So etwas beeinträchtigt dann nicht nur das Wohlfühlen auf der Arbeit, sondern das Wohlbefinden im Allgemeinen. Einfach, weil das Wachenleben mehr als nur die Arbeit ist. Wie einen normalen Familienstreit trägt man solche Konflikte einfach unfreiwillig mit sich herum und legt sie eher selten einfach nach Feierabend ab.
Alles hat sein Für und Wider
Das Wachenleben ist etwas, was die Arbeit im Rettungsdienst zweifellos besonders macht. Es ist meines Erachtens durchaus ein Alleinstellungsmerkmal, welches man in dieser Ausprägung selten in einer ganzen Branche findet.
Das Wachenleben ist für viele ein Grund, trotz teils suboptimaler oder manchmal auch einfach schlechter Bedingungen jahrelang dem Rettungsdienst treu bleiben – und für einige hingegen erst recht ein Grund, sich beruflich umzuorientieren.
Die Arbeit im Rettungsdienst ist derart mit dem Wachenleben verknüpft, dass eine Trennung in der Praxis kaum möglich ist. Ohne in die Wachengemeinschaft integriert zu sein, wird man höchstwahrscheinlich wenig Freude am Rettungsdienst finden. Und wenn man es sich mit der Gemeinschaft verscherzt, wird sich in vielen Fällen auch die Einstellung zur Arbeit dementsprechend ändern.
Alle, die überlegen, in den Rettungsdienst einzusteigen, sollten sich dessen bewusst sein, dass die Wache wohl auch über den Feierabend hinaus eine Bedeutung, meist eine größere, im Leben spielen wird – und alle, die bereits im Rettungsdienst tätig sind, sollten sich die Bedeutung immer mal wieder vor Augen führen und sich bewusst machen, dass private Probleme zwischen Kollegen auch durchaus berufliche Schwierigkeiten nach sich ziehen können.
Die Verknüpfung von „Arbeit an sich“ und „Wachenleben“ hat Vorteile. Und sie hat Nachteile. Beides sorgt definitiv für das typische Rettungsdienstflair, welches einen Teil unserer Arbeitswelt ausmacht.
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