Bei „Aus dem Pflaster-Laster“ berichte ich von Einsätzen, dem Alltag auf der Rettungswache und von aktuellen Themen – von purer Routine bis zum Drama. Am Ende ziehe ich mein Fazit der Einsätze und zeige auf, was gut lief und was besser laufen könnte. Namen von Patienten, Orten und Kollegen lasse ich selbstverständlich aus.
Gedanken rund ums Blaulichtfahren
Blaulicht und Martinshorn sind auch in der Allgemeinheit unzertrennbar mit den BOS verbunden – und damit auch mit dem Rettungsdienst.
Mit diesen Sondersignalen kann selbst jedes Kindergartenkind etwas anfangen. Jeder hat sie schon mal gesehen. Und die allermeisten werden auch die richtigen Rückschlüsse für sich als Verkehrsteilnehmer daraus ziehen.
Kurzum: das „Blaulichtfahren“ ist die öffentliche Wahrnehmung des Rettungsdienstes schlechthin, wenn man von der medizinischen Arbeit mal absieht.
Für mich Grund genug, einfach mal auf das Thema aus subjektiver Sicht einzugehen – aus rechtlicher Sicht habe ich mich ja durchaus mit Blaulicht, Sonder- und Wegerechten befasst.
Nomen est omen
Den Titel habe ich mit
„Man weiß nie, was als nächstes passiert.“
ganz bewusst gewählt. Das war ein Zitat eines älteren RS, das mir zu Beginn meines FSJs gesagt wurde – und er sollte damit zu einem großen Teil recht behalten.
Was bedeuten Einsätze mit Sonder- und Wegerechten für mich?
Nach ein paar Jahren im Dienst muss ich sagen: sie sind für mich zu einem erheblichen Teil Routine geworden, mit all ihren Facetten. Nervös macht mich das Fahren mit „Blau“ längst nicht mehr.
Es fordert aber dennoch eine weitaus höhere Aufmerksamkeitsspanne, als bei einer normalen Anfahrt. Nicht, weil man blindlings drauf los rast oder bar jeglicher Verkehrsregeln an den Einsatzort sprintet – sondern weil man spät oder gar nicht wahrgenommen wird oder weil total paradox bis vollkommen überreagiert wird. Es bedeutet also mitunter auch Stress.
Unterm Strich muss ich aber auch ganz ehrlich sagen, und das auch noch nach mehreren Jahren – es macht trotzdem irgendwo Spaß. Mal ganz unabhängig von der Einsatzmeldung und dem Notfallgeschehen betrachtet.
Da gehe ich sogar soweit zu sagen: jemand, der behauptet, dass Fahrten mit Blau keinerlei Freude bereiten, der lügt.
Es ist eben etwas „Besonderes“, es ist etwas, das nicht jeder darf. Es ist ein wenig das Gefühl der Privilegiertheit, gerade in Verbindung mit der Symbolik des Rettens von Menschenleben.
Was waren die schlimmsten Reaktionen anderer Autofahrer?
Sicher, nicht jeder Autofahrer reagiert total souverän auf den mit Lichterglanz und Glockenschall auftauchenden RTW. Ist manchmal auch fairerweise nicht drin, eine super Lösung zum Schaffen der freien Bahn binnen drei, vier Sekunden zu finden.
Oft genug gibt es aber auch die Fälle, wo die (fehlende) Reaktion des Fahrers eben eindeutig demselben zuzuschreiben ist.
Zu den absoluten Klassikern gehören da
- zu spät reagiert – das Ausweichen ist zwar seit einem Kilometer möglich, es wird aber erst nach dem zweiten Hornumschalten und dem dritten Mal Lichthupe umgesetzt
- nicht abgebremst – sondern munter mit der zulässigen Höchstgeschwindigkeit weitergefahren und sich dann wundern, dass der RTW einen irgendwann schneidet, weil doch mal Gegenverkehr aufgetaucht ist
- Anhalten kurz vor oder mitten in Kurven oder anderen unübersichtlichen Stellen – wo dann ein Überholen entweder gar nicht oder nur unter einem nicht zu unterschätzenden Risiko möglich ist
- Anhalten auf exakter Höhe des Gegenverkehrs – würde man sich vorher absprechen. würde es nicht einmal ansatzweise so gut funktionieren. Ein Durchkommen ist dank dieser Variante meist nicht mehr möglich – und das bevorzugt auf 3 Kilometer langen, geraden Stücken einer Land- oder Bundesstraße.
Das Schlimme ist: all das ist vermeidbar. Wirklich, keine dieser Situationen müsste passieren, wenn manchmal etwas geistesgegenwärtiger gehandelt würde. Das sind tatsächlich die wenigen Situationen im Straßenverkehr, bei denen ich mich aufrege…
Die Rettungsgasse habe ich hier bewusst nicht genannt – denn die können und beherzigen tatsächlich der Großteil der Autofahrer. Oder anders: prinzipiell funktioniert sie gut.
Das Problem hier ist nicht die große Mehrheit derer, die sie können – sondern die Handvoll der Ignoranten und Unbelehrbaren, die mit ihren Aktionen die „Arbeit“ hunderter Anderer im Handumdrehen kaputt machen.
Meine erste Blaulichtfahrt
Meine erste Fahrt mit Blaulicht…die war ziemlich zu Beginn meines FSJs. Es war ein KTW-Dienst (da ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht auf den RTW durfte) als „Zwischenschicht“ mit einer Kollegin, die – was die Notfallrettung anging – genauso „erfahren“ war wie ich.
Sie kam von einer Stadtwache, ein Jahr dort FSJ, nur KTW. Insgesamt keine super Voraussetzung für Notfalleinsätze.
Zu Dienstbeginn waren alle anderen Fahrzeuge ausgeflogen, wir waren weit und breit die einzigen – und wohl deshalb blieb es erstaunlich ruhig, die erste Stunde des Dienstes hatten wir, total unüblich, gar nichts zu tun.
Bis eben die Alarmierung kam: VU – Motorrad, notfallmäßig. Solo, weil nichts anderes verfügbar. Wir einigten uns darauf, dass ich die Anfahrt übernehme. Andersherum hätte es wohl auch keinen Unterschied gemacht.
Ehrlich: ich war zu dem Zeitpunkt so nervös, dass meine Beine gezittert haben. Null „Notfallpraxis“, null „Blaulichterfahrung“. Ich bemühte mich, einerseits etwas schneller zu fahren – andererseits, mit der total ungewohnten Situation zurechtzukommen.
Zwar war recht wenig los und die Strecke größtenteils gut ausgebaut und einsehbar, die Anfahrt dauerte nur zehn Minuten; die Reaktionen mancher Autofahrer haben mich aber dennoch sehr verunsichert.
Vor Ort war die Lage nur halb so schlimm, wir konnten den Patienten sowohl mit unserem Fachwissen, unseren Fähigkeiten und unserem Equipment ordentlich versorgen und nach Übergabe des Motorrads an die Polizei ohne Druck in die nächste Unfallchirurgie fahren.
Auch wenn es nicht der Mega-Notfall schlechthin war, ist mir der Einsatz in sehr guter Erinnerung geblieben.
Meine Tipps an – Rettungsdienst-Rookies
Ihr werdet nervös sein – gar keine Frage, da kann man fast jede Illusion nehmen. Es gilt für euch umso mehr
„Erwartet das Unerwartete“
und
„Fahrt auf ‚Ankommen‘, nicht auf ‚Sieg'“
Rechnet damit, dass Autofahrer euch nicht oder nicht rechtzeitig wahrnehmen. Rechnet damit, dass Autofahrer nicht gut auf ein Fahrzeug mit Sondersignal reagieren.
Bedenkt, dass auch Sonder- und Wegerechte nicht die Grenzen der Fahrphysik außer Kraft setzen. Und vor allem: erwartet die Blaulichtfahrt – gedanklich solltet ihr jederzeit wissen, was zu tun ist. Trifft sie euch vollkommen unvorbereitet, wird es meist nicht einfacher.
Es gilt ganz besonders „Blaulicht an“ heißt nicht „Hirn aus“. Nehmt die Sonderrechte im Straßenverkehr mit Bedacht wahr.
Ich empfehle grundsätzlich, sich gerade in der Anfangszeit durchaus mal intensiver mit diesem Thema zu befassen, auch wenn es zu großen Teilen graue, rechtliche Theorie ist.
Sinnvoll und empfehlenswert ist auf jeden Fall ein Fahrsicherheitstraining mit Dienstfahrzeugen – das darf auch gerne bei der Wachen- und Rettungsdienstleitung vorgebracht werden.
Meine Tipps an – die Autofahrer
An alle Nicht-Blaulichtfahrer ergeht ein Appell an den gesunden Menschenverstand.
Seid aufmerksam im Straßenverkehr, haltet Augen und Ohren offen und das Radio auf einer humanen Lautstärke, die die Wahrnehmung von Sondersignalen noch zulässt.
Rechnet damit, dass euch ein Fahrzeug mit Sondersignal begegnen kann. Auch an ungünstigen Stellen. Überlegt euch auf euren üblichen Routen mal, wo ihr sinnvoll Platz schaffen könnt. Unterschätzt nicht den Platzbedarf, was allein ein RTW braucht – ein HLF der Feuerwehr braucht noch mehr.
Blaulicht zusammen mit dem Einsatzhorn heißt „unverzüglich Platz schaffen„. Un-ver-züg-lich. Und das bitte (!) in einer Art und Weise, die nicht den oben genannten Negativbeispielen entspricht.
Der Appell an den gesunden Menschenverstand – zusammen mit etwas Fahrschulwissen – gilt auch für die Rettungsgasse. Auch das Bilden und Freihalten der Rettungsgasse sollte für jeden, der es irgendwie zu einem Führerschein geschafft hat, möglich sein.
Da steter Tropfen bekanntermaßen den Stein höhlt, gibt es dazu eine Kurzwiederholung.
Merke – Rettungsgasse
- Rettungsgasse ab Schrittgeschwindigkeit bilden – Abstand zum Vordermann einhalten
- Rettungsgasse ist auf Außerortsstraßen und Autobahnen mit mindestens zwei Fahrstreifen pro Richtung Pflicht
- Die Rettungsgasse wird immer zwischen dem äußersten linken und dem daneben liegenden Fahrstreifen gebildet – unabhängig davon, wie viele Spuren es gibt oder ob der Seitenstreifen befahren wird
- Die Rettungsgasse ist von allen Fahrzeugen permanent freizuhalten – auch Motorradfahrer dürfen diese nicht nutzen!
- Fahrzeuge werden nicht verlassen!
Background-Info
BOS
Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben. Sammelbegriff für alle „Blaulichtorganisationen“.
HLF
Hilfeleistungslöschgruppenfahrzeug der Feuerwehr – Fahrzeug zur Brandbekämpfung und technischen Hilfeleistung mit Gruppenbesatzung (9 Personen).
Quellen
SaniOnTheRoad (2019): „Kleines 1×1 des Rettungsdienstes“ – Teil 7: Blaulicht, Sonderrechte und Wegerechte, abgerufen unter https://saniontheroad.com/kleines-1×1-des-rettungsdienstes-teil-7/ am 03.02.2022
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