SARS-CoV-2-Impfung: Ein Erfahrungsbericht

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Die aktuelle Lage verlangt den Menschen sehr viel ab – Unsicherheit gehört zur Tagesordnung, egal, ob es um Einschränkungen, Lockerungen, Inzidenzen oder eben auch die Impfung geht.

Zum letzteren möchte ich einfach mal ganz unwissenschaftlich meine persönliche Erfahrung zum besten geben – nach meinen beiden Impfungen – neben den aktuellen Stand der Forschung.

Das Gespenst der Wirksamkeit

In der aktuellen Diskussion um die Impfstoffe ist die Wirksamkeit das Schlagwort – was hat es damit genau auf sich?

Als Maß der Wirksamkeit betrachtet man die Frage, wie viele der Patienten eine symptomatische COVID-Erkrankung (dazu zählen bereits Erkältungssymptome mit Sars-CoV-2-Nachweis) bekommen und vergleicht geimpfte und nicht geimpfte – es handelt sich hierbei also um eine relative Risikoreduktion, nicht um den individuellen Schutz des Geimpften.

„[…] Eine Wirksamkeit von 60 % bedeutet also nicht einen 60%igen Schutz des Geimpften, etwa gleichzusetzen einer Abmilderung der Erkrankung verglichen mit der Erkrankung des Nicht-Geimpften, sondern dass 60 % der Fälle verhindert werden, die ohne Impfung auftreten würden.“

Paul-Ehrlich-Institut, Si­cher­heit und Wirk­sam­keit des CO­VID-19-Impf­stoffs Astra­Zene­ca

Relative Risikoreduktion

Die relative Risikoreduktion ist der Vergleich zwischen den relativen Risiko von Kontroll-/Placebogruppe und der Impfstoffgruppe. Bei der Kontrollgruppe ist das Risiko per definitionem bei 100 %. Das relative Risiko der Impfstoffgruppe berechnet sich aus der Anzahl der Infizierten der Impfstoffgruppe geteilt durch die Anzahl der Infizierten der Kontrollgruppe.

Sprich: RR [Impfstoff] = n[geimpft]/n[Kontrollgruppe]

Die relative Risikoreduktion ergibt sich durch die Subtraktion der beiden relativen Risiken.

Risikoreduktion = RR[Kontrollgruppe] – RR[Impfstoff]

Wichtig: bei der relativen Risikoreduktion wird nur die Anzahl der tatsächlich symptomatisch Erkrankten betrachtet – die nicht-symptomatisch Infizierten (die den weitaus größten Teil ausmachen) werden nicht betrachtet.

Beispiel

Beim Impfstoff BNT162b2 trat bei 8 Personen nach der Impfung symptomatisches COVID-19 auf, in der Placebogruppe bei 162.

Das relative Risiko der Placebogruppe liegt bei 100 % (1,0) – bei der Impfgruppe bei knapp 5 % (ca. 4,93 %, 8/162 = 0,049).

Beim Vergleich zwischen Kontrollgruppe (1,0 = 100 %) und der Impfgruppe (ca. 0,05, 5 %) ergibt sich als relative Risikoreduktion ein Wert von 95 % (1,0 – 0,05 = 0,95 = 95 %), Heißt: die Geimpften haben ein 95 % niedrigeres Risiko, an symptomatischen COVID-19 zu erkranken.


Was fehlt bei dieser Betrachtung?

Es fehlt eigentlich genau das, was uns wirklich interessiert: nämlich die Anzahl derer, die (1) schwere Verläufe entwickeln, (2) die Hospitalisierungsrate und (3) die Sterblichkeit an COVID-19 nach erfolgter Impfung.

Und genau da liegt der Hase im Pfeffer: die reine Betrachtung der relativen Risikoreduktion (oder salopp der „Wirksamkeit“) beantwortet diese Frage nicht – sie beantwortet nur, wer überhaupt symptomatisch wird. Eine symptomatische Erkrankung mit Husten oder Fieber ist nicht das Problem – die symptomatische Erkrankung mit Lungenembolien und ARDS hingegen schon.

Die gute Nachricht dabei: die derzeit vorliegenden Daten aller in Deutschland zugelassenen Impfstoffe (Stand 24.02.2021) legen nahe, dass bei den drei kritischen Punkten schwere Verläufe, Hospitalisierungsrate und Sterblichkeit ebenfalls eine relative Risikoreduktion von 90 – 100 % vorliegt. Das ist total gut.

Man darf also nicht nur den „Komplettschutz“ vor jeder Symptomatik betrachten, sondern gerade auch den Schutz der „kritischen drei Punkte“.

Beispiel

Bei einer „allgemeinen Wirksamkeit“ von 95 % ist das Risiko, an symptomatischen COVID-19 zu erkranken um 95 % geringer als bei einem Placebo. Betrachtet man die Wirksamkeit bei den „kritischen Drei“, nimmt man die verbliebenen Infizierten – bei den Geimpften ist das Risiko eines schweren Verlaufs mit entsprechenden Konsequenzen nochmals um 90 – 100 % geringer.


Impfstoffe, die Wirksamkeit und die Sicherheit

Derzeit sind drei Impfstoffe gegen Sars-CoV-2 in Deutschland zugelassen – die beiden mRNA-Impfstoffe von BioNTech/Pfizer und Moderna sowie der Vektorimpfstoff von AstraZeneca.

mRNA-Impfstoffe

Was ist mRNA?

Die Messenger-RNA (auch Boten-RNA) ist ein normal vorkommender, intrazellulärer Botenstoff. Die mRNA wird physiologischerweise im Zellkern aus der DNA synthetisiert – den Vorgang nennt man Transkription als ersten Schritt der Proteinbiosynthese.

Die mRNA tritt ins das Zytosol über, wandert zu den Ribosomen, und dort wird anhand des Bauplans – den die mRNA darstellt – ein Protein aus verschiedenen Aminosäuren zusammengebaut. Diesen Vorgang nimmt man Translation. Nach erfolgter Arbeit wird die mRNA zügig wieder abgebaut, im Falle des Impfstoffs binnen weniger Tage komplett.

Wie funktioniert das bei einem Impfstoff?

Es wird synthetisch hergestellte mRNA intramuskulär injiziert – diese enthält den „Bauplan“ für das Spike-Protein des Sars-CoV-2-Virus, welches es benötigt, um in menschliche Zellen einzudringen. In den Ribosomen, die die entsprechende mRNA erhalten, wird dementsprechend ein harmloses Sars-CoV-2-Spike-Protein gebaut und an der Zelloberfläche repräsentiert.

Folge: Immunzellen erkennen das Spike-Protein, analysieren es – und bilden Antikörper und Gedächtniszellen. Eine Immunität wird aufgebaut.

DNA-Schäden durch mRNA-Impfstoffe?

Nein – mRNA kann nicht „einfach so“ in DNA eingebaut werden, schon rein chemisch unterscheiden sich beide Substanzen.

Ja – es gibt sogenannte Reverse Transkriptasen, die RNA in DNA umschreiben können. Diese arbeiten aber nur spezifisch (nicht jede x-beliebige RNA kann umgeschrieben werden) und spielen daher hierfür keine Rolle. Reverse Transkriptasen bringen einige Viren – zum Beispiel HIV oder Hepatitis-B-Viren – von Haus aus mit.

DNA-Schäden sind dementsprechend nicht zu befürchten.

Vektorimpfstoffe

Bei Vektorimpfstoffen wird ein nicht-vermehrungsfähiger und für Menschen harmloser Virus genutzt, welcher in die Zellen eindringen kann und dort ebenfalls die Bildung des Spike-Proteins von Sars-CoV-2 durch die Zelle bewirkt.

Analog zu den mRNA-Impfstoffen erkennen Immunzellen das Spike-Protein, analysieren es und bilden Antikörper und Gedächtniszellen.

Nebenwirkungen

Hinsichtlich möglicher Impfreaktionen kursieren bisweilen richtige Horrorgeschichten – die ich weder aus eigener Erfahrung und Beobachtung, noch aus statistischer Sicht bestätigen kann. By the way: so ziemlich alle Horrorgeschichten der sozialen Medien wurden zwischenzeitlich widerlegt oder dementiert.

Häufige Nebenwirkungen sind ganz normale Impfreaktionen, wie Schmerzen/Schwellung/Rötung der Einstichstelle, Müdigkeit, Abgeschlagenheit oder auch Fieber – diese Reaktionen sind vollkommen normal, können bei jeder anderen Impfung auftreten und bilden sich binnen von 1 – 2 Tagen meist ohne Behandlung vollständig zurück. Also: kein Grund zur Panik!

Eine solche Reaktion zeigt letztendlich nur, dass das Immunsystem genau das macht, was es soll: Fremdstoffe bekämpfen.

Schwerwiegende Nebenwirkungen – allen voran allergische Reaktionen – können auftreten, sind insgesamt aber selten (im Falle des Impfstoffs von BioNTech/Pfizer auf Grundlage der Daten nicht abschätzbar, das heißt weniger als 1 von 10.000 Behandelten).

Bei stärkeren Impfreaktionen ist eine Vorstellung beim Hausarzt oder dem ärztlichen Bereitschaftsdienst anzuraten.

Ärztlicher Bereitschaftsdienst

Für alle Erkrankungen und medizinischen Probleme, die nicht akut lebensgefährlich sind (aber dennoch zeitnah ärztlich behandelt werden sollen), gibt es den ärztlichen Bereitschaftsdienst. Dieser übernimmt die Aufgaben des Hausarztes außerhalb der üblichen Sprechstundenzeiten und macht bei Bedarf auch Hausbesuche.

Der ärztliche Bereitschaftsdienst ist bundesweit kostenlos unter der 116117 (ohne Vorwahl) erreichbar – auch am Wochenende, an Feiertagen und nachts. Siehe auch 116117.de.

Meine Erfahrung

Zur eigenen Erfahrung gebe ich mal meine Beobachtungen aus dem Impfzentrum, der Erfahrungen von Kollegen und Bekannten und letztendlich den Erfahrungsbericht meiner eigenen Impfungen.

„Bei uns“ werden derzeit die Impfstoffe von BioNTech/Pfizer und AstraZeneca genutzt. Zwischenfälle aus dem Impfzentrum gab es – von zwei Panikattacken abgesehen – überhaupt nicht.

Aus dem Kollegenkreis war von „gar nichts“ bis zu „habe zwei Tage flachgelegen“ so ziemlich alles dabei – das Gros meiner Kollegen hatte außer den Lokalreaktionen an der Injektionsstelle und leichten Allgemeinreaktionen (d.h. Abgeschlagenheit und Müdigkeit) nichts. Fieber kam als deutlicheres Symptom nur vereinzelt vor.

Schwerste Reaktionen oder „Impftote“ habe ich keine gesehen…

Ich selbst hatte zwischenzeitlich zwei Impfungen mit dem Impfstoff von BioNTech/Pfizer. Die Terminvereinbarung (Rheinland-Pfalz) habe ich online erledigt – binnen drei Tagen waren die Termine da.

Im Impfzentrum selbst das übliche Prozedere: Maske auf, Händedesinfektion, Kontrolle der Terminvereinbarung, Anmeldung mit Personalausweis und Impfberechtigung, Aufklärung durch den Impfarzt, Warten, Impfung, 15 Minuten Nachbeobachtung und Abmeldung mit neuen Termin und Nebenwirkungsblatt. Das war’s.

Bei der ersten Impfung hatte ich am ersten Abend leichte Schmerzen an der Einstichstelle und etwas höhere Müdigkeit – an Tag 1 nach der Impfung tat die Einstichstelle etwas mehr weh, am Folgetag war der ganze Spuk schon vorbei.

Bei der zweiten Impfung drei Wochen später: am ersten Abend nichts, an Tag 1 nach der Impfung leichte Schmerzen an der Einstichstelle, ab Tag 2 keinerlei Beschwerden mehr.

Unterm Strich war es also genau so, wie ich es auch erwartet hatte: denkbar unspektakulär.

Dieses Bild hat ein leeres alt-Attribut; sein Dateiname ist covid.jpg.

Quellen

Bundesregierung (2021): Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Corona-Impfung, Stand 19.02.2021, abgerufen von https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/coronavirus/coronavirus-impfung-faq-1788988 am 24.02.2021

Baden et al. (2021): Efficacy and Safety of the mRNA-1273 SARS-CoV-2 Vaccine. N Engl J Med 2021; 384:403-416, abgerufen von https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa2035389 am 25.02.2021. DOI: 10.1056/NEJMoa2035389

Medizinische Medien Informations GmbH (2021): Fachinformation: Comirnaty Konzentrat zur Herstellung einer Injektionsdispersion, COVID-19-mRNA-Impfstoff (Nukleosid-modifiziert), Stand 15.02.2021, abgerufen von https://www.gelbe-liste.de/produkte/Comirnaty-Konzentrat-zur-Herstellung-einer-Injektionsdispersion-COVID-19-mRNA-Impfstoff-Nukleosid-modifiziert_1284861/fachinformation am 24.01.2021

Polack et al. (2020): Safety and Efficacy of the BNT162b2 mRNA Covid-19 Vaccine. N Engl J Med 2020; 383:2603-2615, abgerufen von https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa2034577 am 24.02.2021. DOI: 10.1056/NEJMoa2034577

Paul-Ehrlich-Institut (2021): Si­cher­heit und Wirk­sam­keit des CO­VID-19-Impf­stoffs Astra­Zene­ca, abgerufen von https://www.pei.de/DE/newsroom/hp-meldungen/2021/210218-sicherheit-wirksamkeit-covid-19-impfstoff-astrazeneca-infomationen-pei.html am 24.02.2021

Paul-Ehrlich-Institut (2021): Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen nach Impfung zum Schutz vor COVID-19 seit Beginn der Impfkampagne am 27.12.2020 bis zum 12.02.2021, abgerufen von https://www.pei.de/SharedDocs/Downloads/DE/newsroom/dossiers/sicherheitsberichte/sicherheitsbericht-27-12-bis-12-02-21.pdf?__blob=publicationFile&v=9 am 24.02.2021

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Über SaniOnTheRoad

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SaniOnTheRoad

Notfallsanitäter, Teamleiter und Administrator des Blogs. Vom FSJler über Ausbildung bis zum Haupt- und Ehrenamt im Regelrettungsdienst und Katastrophenschutz so ziemlich den klassischen Werdegang durchlaufen. Mittlerweile beruflich qualifizierter Medizinstudent im vorklinischen Abschnitt. Meine Schwerpunkte liegen auf Ausbildungs- und Karrierethemen, der Unterstützung von Neueinsteigern, leitliniengerechten Arbeiten sowie Physiologie, Pathophysiologie, Pharmakologie und EKG für den Rettungsdienst. Mehr über mich hier.

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