Wachenalltag in Zeiten von Corona


Bei „Aus dem Pflaster-Laster“ berichte ich von Einsätzen, dem Alltag auf der Rettungswache und von aktuellen Themen – von purer Routine bis zum Drama. Am Ende ziehe ich mein Fazit der Einsätze und zeige auf, was gut lief und was besser laufen könnte.
Namen von Patienten, Orten und Kollegen lasse ich selbstverständlich aus.

Die Sorge und die ergriffenen Maßnahmen haben nicht nur die Allgemeinbevölkerung, sondern auch und insbesondere das Gesundheitswesen im Griff – auch den Rettungsdienst.

Auch wenn es vielleicht schwer fallen mag, es zu sagen: es hat sich innerhalb kürzester Zeit einiges verändert.

Der Wachenalltag

Die Kollegen sind weitaus vorsichtiger und sensibler im Umgang mit dem Thema geworden. Mit „ein bisschen Husten“ arbeiten gehen ist eine Idee, auf die mittlerweile niemand mehr kommt.

Man hält Abstand – zu viert auf der Zweiercouch sitzen möchte keiner mehr.

Eine Umarmung zur Begrüßung wurde mittlerweile durch ein Winken, selbstverständlich aus anderthalb Metern Entfernung, ersetzt.

Selbst die von vielen ungeliebte Routinedesinfektion wird auch vom letzten mit ungewöhnlicher Gründlichkeit erledigt.

Auch die Führung informiert mit ungewöhnlicher Detailtreue unaufgefordert und regelmäßig über Neuerungen – eine Art der Transparenz, die von vielen sehr oft vermisst wurde. So wurde beispielsweise eine Warnung herausgegeben, als auf dem Gelände einer Rettungswache unbekannte Personen mit Motorradhelmen gesehen wurden.

Was aber auch auffällt, finde ich wesentlich beeindruckender: man hält trotzdem zusammen.

Die Wache ist nach wie vor für die meisten meiner Kollegen und mich selbst ein Stück Normalität, eine Art Zufluchtsort, wo zumindest die Panik und die Einschränkungen mal zu einem gewissen Teil draußen bleiben müssen.

Es wird dennoch gelacht, diskutiert und Zeit miteinander verbracht – wenn auch etwas anders, als noch vor vier Wochen.

Erstmals seit meinem Einstieg vor einigen Jahren gibt es einen „Infektions-KTW“ auf unserer und auf ein paar weiteren Wachen. Eine Neuerung, die nicht nur wesentlich geringere Ausfallzeiten verspricht, sondern auch einen vermehrten Schutz für alle nicht-infizierten Patienten.

Der Einsatzalltag

Insgesamt hat die Zahl der Einsätze im Krankentransport deutlich abgenommen – die Leitstelle wurde dazu angehalten, auf vermeidbare Transporte (unabhängig davon, ob infektiös oder nicht) zu verzichten.

Das Expositionsrisiko soll so gering wie möglich gehalten werden, gerade auch in Anbetracht einer vermutlich hohen Dunkelziffer – gleichzeitig sollen die Kliniken entlastet werden, um ausreichende Kapazitäten zur Verfügung stellen zu können.

Bei Fieber und unklaren Atembeschwerden erfolgen durch die Leitstelle Tracerfragen, um einen Verdacht auf eine Infektion mit SARS-CoV-2 zu erhärten oder auszuschließen. Zu unserer aller Überraschung: es funktioniert erstaunlich gut und wird auch konsequent durchgezogen.

Der – in meiner Ansicht – zu „lasche“ Umgang bei der Abfrage möglicher Infektionen hat während der Influenza-Saison 2017/18 dazu geführt, dass Rettungsdienstpersonal regelmäßig ohne Schutz vor einem infektiösen Patienten stand, obwohl dies vermeidbar gewesen wäre. Man hat hier dazugelernt.

Auch die Kollegen sind vorsichtiger geworden – steht man mittlerweile vor einem Patienten und hat einen entsprechenden Verdacht, zieht man sich grundsätzlich noch einmal zurück und legt die vorgesehene Schutzausrüstung an. Eigenschutz hat mittlerweile einen gänzlich anderen Stellenwert erhalten.

Mittlerweile wurden bei uns im Kreis die ersten bestätigten Fälle transportiert – zumindest derzeit ist es noch eine Randerscheinung, auch wenn unsererseits die Befürchtung besteht, dass dies nicht so bleiben wird.

Mein persönlicher Alltag

Die Kleinstadt, in der ich lebe, ist praktisch nicht wiederzuerkennen – kaum Autos und absolut menschenleere Straßen. Die Supermärkte verfügen mittlerweile über „Abstandsmarkierungen“ auf dem Boden und einen Niesschutz an der Kasse.

Das öffentliche Leben liegt fast absolut brach und der Ort wirkt fast gespensterhaft ruhig – selbst am hellichten Tage.

Für mich hat in dieser Zeit meine Arbeit schon etwas „beruhigendes“, es ist eine Konstante, die sich zumindest in ihren Grundzügen nicht ändert. Die Wache ist immer da. Ebenso meine Kollegen. Ein Pol der Normalität in einer Krise, wie wir sie noch nicht erlebt haben.

Wir bleiben für Euch im Dienst – bleibt Ihr für uns Zuhause!

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Über SaniOnTheRoad

Wachenalltag in Zeiten von Corona

SaniOnTheRoad

Notfallsanitäter, Teamleiter und Administrator des Blogs. Vom FSJler über Ausbildung bis zum Haupt- und Ehrenamt im Regelrettungsdienst und Katastrophenschutz so ziemlich den klassischen Werdegang durchlaufen. Mittlerweile beruflich qualifizierter Medizinstudent im klinischen Abschnitt des Studiums. Meine Schwerpunkte liegen auf Ausbildungs- und Karrierethemen, der Unterstützung von Neueinsteigern, leitliniengerechten Arbeiten sowie Physiologie, Pathophysiologie, Pharmakologie und EKG für den Rettungsdienst. Mehr über mich hier.


2 Kommentare zu diesem Beitrag:

Ich darf ja jetzt auch wieder auf den Pflasterlaster und bin ebenfalls sehr Dankbar für diese Neue Konstante in meinem Leben. Bei uns sieht es genauso aus, wie bei euch ledigich sind alle Wachen mit mehr als 4 Personen dezentralisiert worden und halten sich jetzt an den unterschiedlichsen Orten auf. Ist mal ein ganz neues Gefühl so viel Exklusivzeit mit seinem Kollegen zu verbringen und das macht diese ganze Situation für mich auch irgendwie ein wenig positiver. Nichtsdesto trotz fühlt es sich bei allen so an als säßen wir auf heißen Kohlen und warten nur darauf, dass die große „Explosion“ kommt. Ich bin sehr gespannt, wie sich die nächsten Wochen entwickeln werden.

Schön, dass man nicht der einzige ist ^^

Bei uns wird versucht, so viel Normalität wie möglich zu leben – Vorgaben gibt es eher wenige, Empfehlungen aber viele.

Noch ist die Stimmung auf der Wache gut und Empfehlungen werden ohne großes Murren umgesetzt.

Die ersten echten Einschränkungen gibt es aber doch – mal im Frei auf die Wache kommen und Kaffee trinken ist nicht mehr, „Versorgungsfahrten“ wurden bis auf weiteres untersagt.

Die Spannung hinsichtlich der Entwicklung teile ich mit dir 😉

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