Vergiss nicht, wo Du herkommst

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Bei „Aus dem Pflaster-Laster“ berichte ich von Einsätzen, dem Alltag auf der Rettungswache und von aktuellen Themen – von purer Routine bis zum Drama. Am Ende ziehe ich mein Fazit der Einsätze und zeige auf, was gut lief und was besser laufen könnte. Namen von Patienten, Orten und Kollegen lasse ich selbstverständlich aus.

Das Potential der fachlichen und persönlichen Entwicklung im Rettungsdienst ist zweifellos sehr groß und es wird von vielen Kolleginnen und Kollegen auch genutzt.

Das ist meist sehr positiv und ein großer Teil zieht wirklich auf vielen Ebenen einen Nutzen daraus. Gerade aus der „Beobachterperspektive“, wenn man die ersten rettungsdienstlichen Gehversuche mit begleitet und die „Neuen“ an die Hand genommen hat und sieht, dass auch die eigenen Mühen und die Zeit, die man investiert hat, Früchte trägt.

Das ist ohne jeden Zweifel das Optimum und ein Grund, sich auch für den Erfolg anderer zu freuen…und vielleicht sogar stolz zu sein. Und es motiviert einen auch selbst, das eigene Wissen und die eigenen Erfahrungen weiterzugeben.

Die Arbeit im Rettungsdienst hat auf jeden Fall das Potential, Menschen zu formen. Auch wenn es in den meisten Fällen zu fachlich sehr fitten, umgänglichen Kollegen führt, mit denen man gerne arbeitet, klappt das nicht immer…

Demut ist eine Tugend

Manche Kolleginnen und Kollegen eignen sich allerdings – gerade im zwischenmenschlichen Umgang – Eigenschaften an, die man nicht gerade als positiv empfindet. Das ist bedauerlicherweise eher bei den leistungsstarken High-Performern unter den Kollegen der Fall – die fachliche Entwicklung schreitet schnellen Schrittes voran und bringt wirklich top Ergebnisse hervor, zwischenmenschlich gibt es dafür mehr Rück- als Fortschritte. Das ist also etwas anderes als die typischere rettungsdienstliche Profilneurose.

Man muss es so direkt sagen: hier entwickelt sich eine Überheblichkeit bis Arroganz, die manchmal ihresgleichen sucht.

Das ist aus mehreren unterschiedlichen Aspekten…problematisch.

Zum einen legen die Betroffenen die Messlatte der Leistungen sehr hoch – auch für sich selbst. Nun ist der Teufel aber ein Eichhörnchen und man bekommt, egal wie gut man ist, Einsätze, die einen selbst an die Grenzen der Möglichkeiten bringen. Die High-Performer scheitern hier einfach am selbst gesteckten Anspruch; und gegenüber den Kollegen bedeutet das (bei einem sonst entsprechend selbstsicheren Auftreten) gerne einen Gesichtsverlust.

Wer hohe Maßstäbe setzt, wird auch an eben diesen selbst gemessen – und wer als überheblich wahrgenommen wird, wird auch kritischer bewertet als manch anderer.

Und hier kommt es zu dem Phänomen: die Betroffenen werden unzufrieden. Unzufrieden, weil sie den eigenen Ansprüchen nicht gerecht werden und unzufrieden, weil es ihnen deutlich gemacht wird. Darunter leidet die Motivation dann doch sichtbar: auch wenn die Leute sich kaum krank melden, auch wenn sie viele Zusatzdienste machen, steht ihnen die Lustlosigkeit auf die Stirn geschrieben.

Das ist schade, weil diese Leute im Rettungsdienst fachlich wirklich etwas reißen könnten – und es ist schade, weil die Leistung irgendwann auch darunter leidet.

Zum anderen sind die betroffenen Kolleginnen und Kollegen einfach…unbeliebt. Man arbeitet mit ihnen (und das nicht zwangsläufig ungern) und man hält den üblichen Wachen-Smalltalk – aber dann hört es auch schon auf…

Die Leute sind, obwohl sie eigentlich immer da sind, kein Teil der „Wachengemeinschaft“. Überheblichkeit und Arroganz sind kollegiale Todsünden im Rettungsdienst und kommen dementsprechend schlecht an. Das führt zu einer gewissen Isolation von Seiten der Restbelegschaft, und zu einer Isolation durch die Betroffenen selbst.

Im Dienst verkriechen sie sich dann in die Ruheräume oder stürzen sich auf Lernmaterialien und machen ihr eigenes Ding.

Und spätetens dort, wo die Pflicht endet – nämlich bei dem „Wachenleben außerhalb der Wache“ – wie gemeinsame Feiern, Essen gehen oder Grillen, werden sie schlichtweg nicht eingeladen. Spätestens hier wird deutlich, dass kein Stück mehr Kontakt gewünscht ist, als unbedingt notwendig. Gerade das steht im krassen Gegensatz zu dem, was das Wachenleben und die Gemeinschaft ausmacht.

Umso faszinierender finde ich: den Betroffenen ist meist gar nicht bewusst, wie der Rest der Belegschaft sie sieht.

Und noch faszinierender finde ich: sie sind ehrlich schockiert bis entsetzt, wenn sie erfahren, was andere von ihnen halten. Wirklich. Das trifft diese Kolleginnen und Kollegen richtig.

Gerade dann, wenn man diese Leute dann privat etwas besser kennt, fällt einem oft auf, dass sie sich außerhalb des Rettungsdienstes völlig anders verhalten. Nett, zurückhaltend, sogar unsicher. Manchmal ist es, als würde man mit einem anderen Menschen sprechen.

Hier kann man recht schnell den Eindruck bekommen, dass die Selbstsicherheit bis Überheblichkeit im Dienst „nicht echt“ ist.

Was sollte man mitnehmen?

Grundsätzlich halte ich drei Dinge für relevant – das erste ist

„Demut ist eine Tugend“

Es bietet sich einfach an, alles daran zu setzen, nicht arrogant zu sein – oder zu wirken. Etwas Demut tut nicht nur dem Miteinander und den Wachenklima gut, sondern vermeidet auch einfach den Gesichtsverlust.

Keiner kann alles. Das ist auch nicht der Anspruch, den man sich setzen sollte – dieser ist nicht realistisch erfüllbar. Man sollte lernen, auch zu eigenen Schwächen, Unsicherheiten und Fehlern zu stehen und mit ihnen professionell umzugehen. Das beinhaltet definitiv kein großspuriges Auftreten. Eine angemessene Bescheidenheit wirkt sehr sympathisch, und dafür muss man auch sein Licht nicht unter den Scheffel stellen.

Zweitens: etwas Selbstreflexion tut gut. Und zwar ehrliche, kritische Selbstreflexion. Spätetens hier dürfte dann den meisten Betroffenen selbst auffallen, wie ihr Verhalten ist und wie es von Dritten wahrgenommen wird – und damit wird auch eine Möglichkeit zur Korrektur gegeben.

Drittens:

„Vergiss nie, woher Du kommst“

Jeder, egal wie gut er ist, hat im Rettungsdienst mehr oder weniger bei Null angefangen, hat die typischen Anfängerfehler mitgenommen und musste lernen, was Arbeit im Rettungsdienst heißt.

Und das ist bei den allermeisten gar nicht so lange her…

Auch bei mir nicht. Von meinem ersten Tag im Rettungsdienst als Hospitant über mein FSJ und die Zeit als hauptamtlicher RS bis zur Notfallsanitäterausbildung und dem Beginn meines Medizinstudiums ist noch kein ganzes Jahrzehnt vergangen.

Es tut manchmal gut, sich darauf zurück zu besinnen, wie man selbst angefangen hat, wie man selbst Unterstützung benötigt und bekommen hat, wie die Wache bei Prüfungen mitgefiebert hat und was man sich selbst gewünscht hätte.

Auch – oder gerade wenn – man zu den leistungsstarken Kollegen gehört und mehr erreicht hat, sollte man etwas Bodenhaftung bewahren und Kollegen und Neueinsteiger entsprechend unterstützen und ihnen eben diesen Weg ebnen.

Ich finde es einfach sehr schade, wenn fachlich sehr gute Kollegen sich das Leben schwer machen, immer außen vor sind und abgelehnt werden, weil sie sich schlicht überheblich verhalten – und das, obwohl sie es oftmals gar nicht „von Haus aus“ sind. Hier geht neben dem fachlichen Potential leider auch viel Potential für gute Freundschaften verloren.

Interessenkonflikte

Der Autor gibt an, dass keine Interessenkonflikte bestehen.

Quellen

SaniOnTheRoad (2022): Die rettungsdienstliche Profilneurose, abgerufen unter https://saniontheroad.com/die-rettungsdienstliche-profilneurose/ im 29.03.2024

SaniOnTheRoad (2022): Mein Weg ins Medizinstudium, abgerufen unter https://saniontheroad.com/mein-weg-ins-medizinstudium/ im 29.03.2024

SaniOnTheRoad (2022): Notfallsanitäterausbildung – ein Erfahrungsbericht, abgerufen unter https://saniontheroad.com/notfallsanitaeterausbildung-ein-erfahrungsbericht/ im 29.03.2024

SaniOnTheRoad (2020): „Kleines 1×1 des Rettungsdienstes“ – Teil 22: Freiwilligendienste im Rettungsdienst, abgerufen unter https://saniontheroad.com/kleines-1×1-des-rettungsdienstes-teil-22/ im 29.03.2024

SaniOnTheRoad (2019): Mein „Tag 1“, abgerufen unter https://saniontheroad.com/mein-tag-1/ am 29.03.2024

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Über SaniOnTheRoad

Vergiss nicht, wo Du herkommst

SaniOnTheRoad

Notfallsanitäter, Teamleiter und Administrator des Blogs. Vom FSJler über Ausbildung bis zum Haupt- und Ehrenamt im Regelrettungsdienst und Katastrophenschutz so ziemlich den klassischen Werdegang durchlaufen. Mittlerweile beruflich qualifizierter Medizinstudent im klinischen Abschnitt des Studiums. Meine Schwerpunkte liegen auf Ausbildungs- und Karrierethemen, der Unterstützung von Neueinsteigern, leitliniengerechten Arbeiten sowie Physiologie, Pathophysiologie, Pharmakologie und EKG für den Rettungsdienst. Mehr über mich hier.

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