Aktuell: Wie viel Meinungsäußerung im Dienst ist erlaubt?

Rettungsdienst aktuell – Themen die den Rettungsdienst, seine Mitarbeiter und Interessierte beschäftigen. Von leitliniengerechter Arbeit bis zur gesellschaftskritischen Diskussion.

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Aktueller könnte der Fall kaum sein: heute ging ein YouTube-Video an den Start und direkt durch die sozialen Netzwerke.

Der Grund: ein Kollege der BF Düsseldorf hat per Lautsprecherdurchsage seine Meinung zu einer Gruppe selbsternannter „Corona-Rebellen“ mit den Worten

„Ihr seid doch Spinner“

kundgetan. Entsprechendes Video will ich euch natürlich nicht vorenthalten:

Quelle: YouTube

Wo es einerseits viele Lacher und Zuspruch für die Aktion (und die Empörung der Demonstranten) gab, stellt sich andererseits die Frage, wie viel Meinungsäußerung im Dienst möglich ist – und ob dem Ansehen des Rettungsdienstes vielleicht auch ein Bärendienst erwiesen wurde.

Wie viel Meinung ist erlaubt?

Grundsätzlich besteht für jedermann das Recht auf freie Meinungsäußerung – soweit es nicht durch Gesetze oder Straftatbestände eingeschränkt ist, wohl überwiegend spielen hier Beleidigung (§ 185 StGB), üble Nachrede (§ 186 StGB) und Verleumdung (§ 187 StGB) eine Rolle. Dabei spielt es erst einmal keine Rolle, ob man im Dienst ist oder nicht.

„(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.“

Art. 5 GG

Da kommt die Frage auf: was ist „Spinner“ in diesem Kontext?

In meiner Funktion als Nicht-Jurist ist eine differenzierte rechtliche Beurteilung natürlich ein mehr oder minder fruchtloser Versuch. Man darf sich allerdings die Fragen stellen…

  • ist es Spinnerei, gesicherte und mehrfach bestätigte wissenschaftliche Erkenntnisse als „falsch“ zu betiteln?
  • ist es Spinnerei, Maßnahmen zum Schutz der Gesellschaft unter Berufung auf „die eigene Freiheit“ zu ignorieren?
  • ist es Spinnerei, fortlaufend Falschinformationen zu verbreiten, obwohl diese bereits widerlegt wurden?

Man wird wohl nicht unbedingt immer auf den einen Konsens kommen – im Großen und Ganzen wird man aber diese Fragen (aus gesamtgesellschaftlicher Sicht) nicht (vollends) verneinen können. Eine „unwahre“ oder „nicht erweislich wahre Aussage“ stellt es meines Erachtens nicht da – was üble Nachrede und Verleumdung schon einmal rauskicken würde. Straftatbestand nicht erfüllt.

„Spinner“ als Beleidigung spielt allerdings schon eine Rolle – strafrechtliche Verurteilungen gab es deswegen durchaus. Ob man die Aussage im Kontext noch als erlaubte Meinungsäußerung werten kann oder etwaige Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe hier greifen würden, ist fraglich.

Ob es unter die Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193 StGB) fällt? Vielleicht, vielleicht auch nicht. Auszuschließen ist es im gesellschaftlichen Gesamtkontext, auch in der Rechtssprechung des BVerfG (Aktenzeichen: 1 BvR 2844/13) jedenfalls nicht.

Wenn ich unbedarft blind raten müsste: strafrechtlich wird hier vermutlich nicht viel passieren.

Wie viel Meinung sollte sein?

Man sollte sich immer bewusst sein, dass man während des Dienstes nicht nur die eigene Meinung kundtut, sondern auch seinen Berufsstand und seinen Arbeitgeber repräsentiert. Eine unbedachte Meinungsäußerung – so berechtigt sie auch sein mag – fällt zwangsläufig auch auf die Organisation im Speziellen und den Rettungsdienst im Allgemeinen zurück.

Und der „Vertrauensbonus“ des Rettungsdienstes in der Bevölkerung hängt auch mit einer gewissen Neutralität zusammen – mal ergibt diese sich schon aus den Grundsätzen der Organisation (z.B. im Falle des DRK), mal aus dem öffentlichen Recht, mal aus Dienstvorschriften.

Unterm Strich wird es allerdings kein Arbeitgeber – egal, ob Behörde oder privates Unternehmen – für „gut“ befinden, wenn dem Ansehen geschadet wird. Das ist leider auch der Fall, wenn man viel Applaus, Zuspruch und die Lacher auf seiner Seite hat.

Fazit für die Praxis

Es bleibt die fromme Empfehlung, trotz aller berechtigter Verärgerung und nachvollziehbarer Ablehnung bestimmter gesellschaftlicher Strömungen, zumindest im Dienst keine Angriffsfläche zu bilden.

Manchmal wird der Rattenschwanz zu schnell wesentlich größer, als man gedacht hat – und zu schnell muss man Konsequenzen tragen, die man nicht vorhergesehen und beabsichtigt hat.

Dass man Verschwörungsideologien, „Fake News“ und Regelbrechern durchaus entschieden entgegen treten sollte, steht für mich außer Frage. Aber bitte auf einer halbwegs sachlichen Ebene, nicht im Dienst, nicht in Uniform. Auch, wenn einen die Beratungsresistenz mancher Menschen unmittelbar auf den Keks geht 😉

Interessenkonflikte

Der Autor gibt an, dass keine Interessenkonflikte bestehen.

Quellen

Bundesamt für Justiz (2016): Stattgebender Kammerbeschluss: Meinungsfreiheit kann auch emotionalisierende Darstellung schützen – „Recht auf Gegenschlag“ gegen emotionalisierende Äußerung nicht auf sachliche Erwiderung beschränkt – hier: zivilrechtliches Unterlassungsurteil verletzt Betroffene in Grundrecht aus Art 5 Abs 1 S 1 GG – Gegenstandswertfestsetzung, abgerufen unter http://www.rechtsprechung-im-internet.de/jportal/portal/t/19ke/page/bsjrsprod.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=10908&fromdoctodoc=yes&doc.id=KVRE413831601&doc.part=L&doc.price=0.0&doc.hl=1#focuspoint am 11.03.2021 

Bundesamt für Justiz (2021): Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland – Art 5, abgerufen unter https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_5.html am 11.03.2021 

Bundesamt für Justiz (2021): § 185 Beleidigung, abgerufen unter https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__185.html am 11.03.2021 

Bundesamt für Justiz (2021): § 186 Üble Nachrede, abgerufen unter https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__186.html am 11.03.2021 

Bundesamt für Justiz (2021): § 187 Verleumdung, abgerufen unter https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__187.html am 11.03.2021 

Bundesamt für Justiz (2021): § 193 Wahrnehmung berechtigter Interessen, abgerufen unter https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__193.html am 11.03.2021 

Deutsches Rotes Kreuz (2016): Die Grundsätze des Roten Kreuzes und Roten Halbmondes, abgerufen von https://www.drk.de/das-drk/auftrag-ziele-aufgaben-und-selbstverstaendnis-des-drk/die-grundsaetze-des-roten-kreuzes-und-roten-halbmondes/ am 11.03.2021

YouTube (2021): Rettungsdienst „Ihr seid doch Spinner“ Covidioten sind Empört 😀, abgerufen von https://www.youtube.com/watch?v=pVHh_6HvRrg am 11.03.2021

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Über SaniOnTheRoad

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SaniOnTheRoad

Notfallsanitäter, Teamleiter und Administrator des Blogs. Vom FSJler über Ausbildung bis zum Haupt- und Ehrenamt im Regelrettungsdienst und Katastrophenschutz so ziemlich den klassischen Werdegang durchlaufen. Mittlerweile beruflich qualifizierter Medizinstudent im vorklinischen Abschnitt. Meine Schwerpunkte liegen auf Ausbildungs- und Karrierethemen, der Unterstützung von Neueinsteigern, leitliniengerechten Arbeiten sowie Physiologie, Pathophysiologie, Pharmakologie und EKG für den Rettungsdienst. Mehr über mich hier.

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