Der Rettungssanitäter als langfristige Berufsoption

Rettungsdienst aktuell – Themen die den Rettungsdienst, seine Mitarbeiter und Interessierte beschäftigen. Von leitliniengerechter Arbeit bis zur gesellschaftskritischen Diskussion.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Der Rettungsdienst ist – bundesweit gesehen – ziemlich unterschiedlich. Auch wenn die Qualifikationen und Ausbildungen im Rettungsdienst grundsätzlich genauso einheitlich sind wie die Fahrzeuge, so gibt es in der rettungsdienstlichen Praxis und auch schlicht in der Arbeitswelt des Rettungsdienstes doch erhebliche Unterschiede.

16 verschiedene Landesrettungsdienstgesetze, unterschiedliche Leistungserbringer in vollkommen unterschiedlichen Regionen tun da ihr übriges.

Das schlägt sich auch in der Personalsituation und deren Entwicklung nieder, um die es in diesem Beitrag gehen wird. Diese Dinge sind, insbesondere auf der lokalen Ebene betrachtet, extrem unterschiedlich. So unterschiedlich, dass ich mir hier in keinster Weise anmaßen kann, die alleinige Wahrheit gepachtet zu haben.

Dementsprechend werden die einen diesen Beitrag lesen und nickend zustimmen – und andere sich kopfschüttelnd mit der Frage „Was schreibt der denn für einen Schmarrn?“ abwenden.

Bei allen Betrachtungen rund um den Rettungsdienst, die personellen Strukturen und deren Entwicklung kommt der Rettungssanitäter traditionell…kurz. Es ist bei allen Reformbestrebungen deutlich, dass der Notfallsanitäter als Maß der Dinge und damit auch als Hauptthema gesehen wird – was die Realität des Rettungsdienstes allerdings nur bedingt widerspiegelt.

Die Personalsituation und die „Karriereaussichten“ für Rettungssanitäter haben sich im Laufe der Jahre (und allein in der Zeit, in welcher ich rettungsdienstlich tätig bin) mehrfach geändert – gerade mit Hinblick auf die Frage, ob die Arbeit als RS langfristig zukunftsfähig ist. Und diese Entwicklung schauen wir uns mal mit Ausblick auf die Zukunft an…

Wie es einmal war

Als ich mit meinem FSJ im Rettungsdienst anfing, waren es noch „die alten Zeiten“ – auch wenn es bei weitem nicht so lange her ist. Das Notfallsanitätergesetz war noch verhältnismäßig frisch, fertige, dreijährig ausgebildete Notfallsanitäter gab es noch nicht und die Personalpolitik war auch entsprechend rückständig.

Man profitierte schlichtweg von dem zu diesem Zeitpunkt noch bestehenden Personalüberschuss an Rettungsassistenten und konnte diese sogar mit Rettungssanitäter-Verträgen an den jeweiligen Rettungsdienst binden. „Personal langfristig halten und entwickeln“ war hier sicher nicht an der Tagesordnung.

Das hatte natürlich auch unmittelbaren Einfluss auf die Rettungssanitäter – man konnte zumindest bedingt besser qualifiziertes Personal zum gleichen Preis bekommen – und das hat man auch genutzt. Unbefristete Arbeitsverträge („Festverträge“) für Rettungssanitäter gab es wirklich erst dann, wenn ein befristeter Vertrag zweimal verlängert wurde.

Das war zwar für die RS ein Faktor der Unplanbarkeit (und Unvorhersehbarkeit), hat aber durchaus dazu geführt, dass man sich ins Zeug gelegt hat und sich seinen Platz verdienen musste. Analog verhielt sich das zum Einsatz auf dem RTW – diesen musste man sich regelrecht „verdienen“.

Die Lage hatte sich dann aber schon gegen Ende meines FSJ deutlich gewendet: die Fluktuation blieb, das nachkommende Personal blieb aber aus. Und weder die Rettungsassistenten, noch die Notfallsanitäter ließen sich noch mit einem RS-Vertrag abspeisen.

In der Folge wurde es für Rettungssanitäter auch besser: man musste zumindest nicht mehr um einen Zeitvertrag betteln oder die ausbleibende Verlängerung fürchten. Und je größer das Defizit an Fachkräften mangels Ausbildungskapazitäten wurde, desto besser wurde die Lage für die Rettungssanitäter.

Festverträge für neue Kollegen waren auf einmal keine Seltenheit mehr, und auch die „Neuen“ wurden schneller auf dem RTW eingesetzt, als manch einem lieb war. Wenn jemand von der Personalsituation profitiert hatte, dann die Rettungssanitäter.

Und das blieb auch eine ganze Zeit lang so – eigentlich auch über meine komplette NotSan-Ausbildung hinweg. Dass die Ausbildungskapazitäten, sowohl in der Berufsfachschule, als auch auf den Lehrrettungswachen langsam wuchsen, war eigentlich absehbar. Dennoch wuchsen sie stetig und wir konnten Jahr für Jahr mehr Azubis in die Ausbildung schicken und das alles trug auch so langsam Früchte…

Wie es momentan ist

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Photo by Nandu Vasudevan on Pexels.com

Dadurch, dass man zumindest „bei uns“ bedarfsdeckend und wohl sogar darüber hinaus ausgebildet hat und immer noch ausbildet, verändert sich natürlich die Personalsituation vor Ort deutlich. Es ist kein Geheimnis, dass der Arbeitgeber lieber die Azubis übernimmt, die er drei Jahre lang ausgebildet hat, statt den frischen RS.

Die Personalsituation bei uns ist mittlerweile „entschärft“ und lässt zumindest in Ansätzen an meine Anfangstage zurückdenken.

Für Rettungssanitäter ist es schlichtweg wieder schwieriger geworden, langfristig Fuß zu fassen. Befristete Verträge sind wieder Usus geworden, zeitweise gab es hier bei uns sogar ein Einstellungsstopp und die Anforderungen sind gestiegen: ohne Notfallrettung zu fahren/fahren zu können gibt’s keine Übernahme.

Ein gemütliches Dahinvegetieren im qualifizierten Krankentransport ist somit nicht mehr drin – wer bleiben will, muss etwas tun.

Das FSJ im Rettungsdienst lanciert mittlerweile auch wieder zum klassischen Einstieg in den Rettungsdienst – einfach, weil man hier außerhalb der (relativ vollen) Planstellen einen Fuß in die Tür bekommt.

Auffällig ist, dass sich auch die Zielsetzung und die Denkweise der jungen Rettungssanitäter deutlich verändert hat: wo vor ein paar Jahren „mal gucken“ und „ich will noch erstmal Erfahrung sammeln“ an der Tagesordnung war, ist das Ziel mittlerweile „so schnell wie möglich in die NotSan-Ausbildung“. Zum einen, weil die Konkurrenz im Laufe der Zeit nicht geringer wird – zum anderen aus der Befürchtung, dass es nach Ablauf des üblichen Zweijahresvertrags als RS wohlmöglich keine Verlängerung gibt.

Dementsprechend hoch ist bei vielen die Motivation und auch die Bereitschaft, etwas dafür zu tun. Prinzipiell eine, für den Rettungsdienst an sich betrachtet, positive Entwicklung. Für die Rettungssanitäter selbst ist es wiederum eher eine Phase der Unsicherheit.

Wie es wohl werden wird?

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Photo by Tomas Ryant on Pexels.com

Ich muss an der Stelle ehrlich sein: hier ist einfach noch vieles Spekulation. Dennoch zeichnen sich heute bereits entsprechende Trends ab.

Dass man mit zwei Notfallsanitätern auf dem RTW unterwegs ist, ist mittlerweile keine Seltenheit mehr, sondern kommt in guter Regelmäßigkeit vor.

Das fällt mir ganz besonders auf: als Teilzeit-NFS ohne Rahmendienstplan bin ich traditioneller „Lückenfüller“ – ich bekomme (je nachdem, wie es mir passt) eben genau die Dienste, wo noch offen sind und wo in der Regel noch ein Notfallsanitäter in der Vorplanung fehlt. Und trotzdem fahre ich in guter Regelmäßigkeit mit einem zweiten NFS, selbst auf den personaltechnisch sparsameren Außenwachen.

Hier zeichnet sich ein Trend ab, der bei den Rettungssanitätern selten für Zustimmung sorgt: nur Notfallsanitäter in der Notfallrettung. Das wird durchaus von einigen Seiten auch wehement gefordert – mittlerweile rückt allerdings auch die praktische Umsetzung (zumindest in unserem Falle) in greifbare Nähe.

Und wenn wir schauen, wie viele Azubis derzeit in Ausbildung sind und dieses Jahr in die Ausbildung gehen werden, könnte man behaupten: die Umsetzung ist sehr viel näher, als man denkt. Wenn der Wille da ist, braucht es aus personaltechnischer Sicht definitiv keine Jahrzehnte mehr, bis das umgesetzt ist. Trotz allgemeiner Fluktuation und „Brain-Drain„.

Man wird wohl auch zukünftig nicht auf den Rettungssanitäter verzichten können und eine Abschaffung steht letztendlich außer Frage – ob der Rettungssanitäter langfristig allerdings Zukunft in der Notfallrettung hat, kann man dennoch verneinen.

Die Notfallrettung wird immer komplexer und es wird schlichtweg immer mehr verlangt – darunter auch durchaus kritische Maßnahmen. Mit zunehmender Komplexität und steigenden Anforderungen wird irgendwann schlichtweg eine zweite Fachkraft auf dem RTW ganz einfach notwendig werden.

Wo wir schon jetzt an der Grenze der Leistungsfähigkeit eines dreimonatigen Lehrgangs als „Zuarbeiter“ kratzen, werden wir diese wohl in absehbarer Zeit überschreiten. Wir werden an den Punkt kommen, wo selbst ein fitter, motivierter RS nicht mehr vollumfänglich zuarbeiten kann. Dafür brauchen wir noch nicht einmal den studierten NFS, dafür brauchen wir noch nicht einmal einen Schritt hin zum Paramedic-System…hier reicht einfach das Fortschreiten der derzeitigen Entwicklung.

Fazit

Nun, wie lautet das Fazit auf die Frage „Der Rettungssanitäter als langfristige Berufsoption„?

Die Zukunft des Berufsbildes Rettungssanitäter besteht durchaus – und diese sehe ich auch langfristig vorhanden. Jedoch wird sich die Tätigkeit wieder deutlich von der Notfallrettung weg zum qualifizierten Krankentransport hin bewegen.

Für die jüngeren RS, die bereits im Rettungsdienst tätig sind, und für potentielle Neueinsteiger in der Zukunft würde ich behaupten: eher nein.

Man kann mittlerweile nicht mehr davon ausgehen, dass man als Rettungssanitäter auch in zwanzig oder dreißig Jahren noch so arbeiten kann und wird, wie es heute der Fall ist. Hinsichtlich der Planungssicherheit ist das gerade langfristig gesehen einfach keine wirklich gute Option mehr.

Als Variante zum Einstieg in Rettungsdienst wird der Rettungssanitäter meines Erachtens auch langfristig Bestand haben – über Jahrzehnte hinweg als Rettungssanitäter tätig sein? Eher nicht.

Schon heute gibt es entsprechend viele Stimmen, die den Rettungssanitäter in der Notfallrettung nicht mehr als zeitgemäß empfinden. Diese Ansicht kann man teilen oder auch nicht. Hinsichtlich der Zukunftsfähigkeit stellt sich die Frage aber eher nicht – dort kann man sie getrost verneinen.

Die Personalsituation ist zwar bundesweit hochgradig unterschiedlich und die Entwicklung wird unterschiedlich schnell vorangehen. Aber irgendwann trifft sie auch das letzte Eck. Es stellt sich somit nicht die Frage, ob es so eintreten wird – sondern eher wann.

Interessenkonflikte

Der Autor gibt an, dass keine Interessenkonflikte bestehen.

Quellen

SaniOnTheRoad (2023): Personalmangel im Rettungsdienst, abgerufen unter https://saniontheroad.com/personalmangel-im-rettungsdienst/ am 04.04.2024

SaniOnTheRoad (2020): „Brain-Drain“ Rettungsdienst?, abgerufen unter https://saniontheroad.com/brain-drain-rettungsdienst/ am 04.04.2024

SaniOnTheRoad (2020): „Kleines 1×1 des Rettungsdienstes“ – Teil 22: Freiwilligendienste im Rettungsdienst, abgerufen unter https://saniontheroad.com/kleines-1×1-des-rettungsdienstes-teil-22/ am 04.04.2024

SaniOnTheRoad (2019): „Kleines 1×1 des Rettungsdienstes“ – Teil 4: How to get started?, abgerufen unter https://saniontheroad.com/kleines-1×1-des-rettungsdienstes-teil-4/ am 04.04.2024

SaniOnTheRoad (2019): „Kleines 1×1 des Rettungsdienstes – Teil 2: Ausbildungen im Rettungsdienst, abgerufen unter https://saniontheroad.com/kleines-1×1-des-rettungsdienstes-teil-2/ am 04.04.2024

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Über SaniOnTheRoad

Der Rettungssanitäter als langfristige Berufsoption

SaniOnTheRoad

Notfallsanitäter, Teamleiter und Administrator des Blogs. Vom FSJler über Ausbildung bis zum Haupt- und Ehrenamt im Regelrettungsdienst und Katastrophenschutz so ziemlich den klassischen Werdegang durchlaufen. Mittlerweile beruflich qualifizierter Medizinstudent im vorklinischen Abschnitt. Meine Schwerpunkte liegen auf Ausbildungs- und Karrierethemen, der Unterstützung von Neueinsteigern, leitliniengerechten Arbeiten sowie Physiologie, Pathophysiologie, Pharmakologie und EKG für den Rettungsdienst. Mehr über mich hier.

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