Neue NEF-Medikamente in Rheinland-Pfalz

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Rettungsdienst aktuell – Themen die den Rettungsdienst, seine Mitarbeiter und Interessierte beschäftigen. Von leitliniengerechter Arbeit bis zur gesellschaftskritischen Diskussion.

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Hin und wieder verändern sich im Rettungsdienst ebenfalls Dinge – und teilweise auch die Medikamentenvorhaltung. Mit den neuen Ausbildungs- und Behandlungsalgorithmen für Notfallsanitäter in Rheinland-Pfalz („Booklet“) steht erstmals auch eine größere Veränderung der Medikamentenvorhaltung auf RTW und NEF an.

Einige Medikamente sind komplett neu, andere ersetzen bestehende Medikamente – und wiederum andere entfallen (zumindest auf dem RTW).

In unserem Falle ist das NEF zuerst mit der neuen Bestückung dran, deshalb auch dieser Beitrag einmal vorab. Auch wenn es hier keine allzu großen Änderungen gibt, sind doch ein paar Medikamente dabei, welche komplett „neu“ sind…und es manchmal nicht ganz so intuitiv ist, warum diese Medikamente nun vorgehalten werden.

Levetiracetam

Medikamentengruppe

Antikonvulsiva

Indikationen

  • Monotherapie fokaler epileptischer Anfälle mit/ohne sekundäre Generalisierung
  • Zusatztherapie bei
    • fokaler epileptischer Anfälle mit/ohne sekundäre Generalisierung
    • generalisierten tonisch-klonischen Krampfanfällen
    • myoklonischen Anfällen bei myoklonischer juveniler Epilepsie

Wirkmechanismus

Hemmung der Glutamatfreisetzung (als erregender Neurotransmitter) durch Verhinderung der Neurotransmitter-Vesikelfusion

Kontraindikationen (Auswahl)

  • Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff bzw. andere Pyrrolidon-Derivate oder einen der genannten sonstigen Bestandteile
  • Dosisanpassung bei eingeschränkter Nierenfunktion notwendig

Nebenwirkungen (Auswahl)

  • Kopfschmerzen
  • Schwindel
  • Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoe
  • Somnolenz, Müdigkeit
  • Konvulsionen
  • psychiatrische Symptome (Aggressivität, Angst, Reizbarkeit…)
  • Blutbildveränderungen

Dosierung

Erwachsene und Jugendliche > 12 Jahre und > 50 kg KG

  • Initialdosis: 2x täglich 250 – 500 mg i.v.
  • Steigerung im Behandlungsverlauf auf bis zu 1500 mg/Tag möglich

Jugendliche < 50 kg KG und Kinder > 4 Jahre

  • Initialdosis: 2x täglich 10 mg/kg KG i.v.
  • Steigerung im Behandlungsverlauf auf bis zu 30 mg/kg KG/Tag möglich

Bemerkungen

Levetiracetam ersetzt Phenytoin als Antikonvulsivum auf dem NEF. Im typisch rettungsdienstlichen Setting dürfte lediglich die Initialdosis relevant sein.

Lipidemulsion 20 %

Medikamentengruppe

Lipidemulsion

Indikationen

  • rettungsdienstlich: Intoxikation mit Lokalanästhetika, „lipid resuscitation“

Wirkmechanismus

Der Wirkmechanismus ist unbekannt. Diskutiert werden eine Abschwächung der Lokalanästhetikawirkung durch metabolische Veränderungen und die Aufnahme der Lokalanästhetika im Plasma durch die Lipide.

Kontraindikationen (Auswahl)

  • Allergie/Überempfindlichkeit gegen Soja oder andere Bestandteile

Nebenwirkungen (Auswahl)

  • allergische Reaktionen
  • Dyspnoe
  • Kopf-, Rücken-, Brust-, Knochenschmerzen
  • Hyperlipidämie

Dosierung

  • Initialdosis: 1,5 ml/kg/min i.v.
  • Infusion 0,1 ml/kg/min i.v. über 30 min oder 0,5 ml/kg/min i.v. über 10 min

Bemerkungen

Wahrscheinlich das ungewöhnlichste neue Medikament aus der Reihe – reine Lipidemulsionen werden eigentlich innerklinisch zur Deckung des Energiebedarfs und des Bedarfs an essentiellen Fettsäuren eingesetzt; rettungsdienstlich handelt es sich um einen Off-Label-Use.

Hinsichtlich der Wirksamkeit beschränkt sich die Evidenz v.a. auf Fallberichte – dennoch gibt es für den Einsatz im Rahmen des Herz-Kreislauf-Stillstands durch Lokalanästhetika-Intoxikationen eine entsprechende Empfehlung der DGAI.

Toluidinblau (o-Toloniumchlorid)

Medikamentengruppe

Antidot

Indikationen

  • Intoxikation mit Methämoglobinbildnern (z.B. Anilin, Nitrite, Nitrobenzol, oxidierende organische Lösungsmittel)

Wirkmechanismus

Reduktion von Methämoglobin (Fe3+) zu Hämoglobin (Fe2+)

Kontraindikationen

  • Allergie/Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder sonstige Bestandteile
  • Unwirksamkeit bei Glucose-6-phosphat-Dehydrogenasemangel oder NADPH-Methämoglobin-Reduktase-Mangel

Nebenwirkungen (Auswahl)

  • vorübergehende Blaufärbung (Pseudozyanose) der Haut, Schleimhäute und des Urins
  • Erbrechen

Dosierung

  • Initialdosis 2 – 4 mg/kg KG i.v.
  • Wiederholung nach 30 Minuten möglich
  • CAVE: sicher liegender i.v.-Zugang > streng intravenöse Applikation!

Bemerkungen

Das wohl unverwechselbarste neue Medikament – wie der Name suggeriert, hat es eine tiefblaue Farbe.

Methämoglobin kann – im Gegensatz zum normalen Hämoglobin – keinen Sauerstoff transportieren, insofern führt eine Methämoglobinämie unweigerlich über eine Hypoxie zum Tod. Durch die Reduktion des Methämoglobins zum Hämoglobin besteht hier nun eine kausale Therapiemöglichkeit.

Interessenkonflikte

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Der Autor gibt an, dass keine Interessenkonflikte bestehen.

Quellen

ÄLRD Rheinland-Pfalz (2023): Ausbildungs- und Behandlungsalgorithmen Notfallsanitäter, Stand 30.09.2023, abgerufen unter https://www.aelrd-rlp.de/index.php/download/ausbildungsalgorithmen-notsan-rheinland-pfalz/# am 24.07.2024

Böhmer R., Schneider T., Wolcke B. (2020): Taschenatlas Rettungsdienst, 11. Auflage. Böhmer & Mundloch Verlag, Mainz. ISBN 978-3-948320-00-3. Hier erhältlich: https://amzn.to/4cTf1No Affiliate-Link

Dr. Franz Köhler Chemie GmbH (2017): Gebrauchs- und Fachinformation Toluidinblau Injektionslösung, abgerufen unter https://www.koehler-chemie.de/wp-content/uploads/2021/03/GIFI_Toluidinblau_01_17-.pdf am 24.07.2024

Fresenius Kabi (2014): Fachinformationen Lipovenös 20 % Emulsion zur Injektion, abgerufen unter https://www.ivf-saar.de/media/download/medikamente/lipovenoes_fi.pdf am 24.07.2024

Gelbe Liste (2024): Fachinformation: Keppra® 100 mg/ml Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung, abgerufen unter https://www.gelbe-liste.de/produkte/Keppra-100-mg-ml-Konzentrat-zur-Herstellung-einer-Infusionsloesung_484826/fachinformation am 24.07.2024

Geisslinger G., Menzel S., Gudermann T., Hinz B., Ruth P. (2019): Mutschler Arzneimittelwirkungen, 11. Auflage. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart. ISBN 978-3-8047-3663-4. Hier erhältlich: https://amzn.to/4cT6hqr Affiliate-Link

Plata C. et al (2013): Lokalanästhetikaintoxikation und „lipid resuscitation“, Notfall Rettungsmed 2013 · 16:188–195, abgerufen unter https://www.springermedizin.de/content/pdfId/8709354/10.1007/s10049-013-1687-9 am 24.07.2024. DOI: 10.1007/s10049-013-1687-9

Volk T. et al. (2009): Empfehlungen zur Lipidbehandlung bei der Intoxikation
mit Lokalanästhetika
, Anästh Intensivmed 2009;50:698-702, abgerufen unter https://www.ai-online.info/images/ai-ausgabe/2009/11-2009/2009_11_698_Empfehlungen%20zur%20Lipidbehandlung%20bei%20der%20Intoxikation%20mit%20Lokalanaesthetika.pdf am 24.07.2024

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Über SaniOnTheRoad

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SaniOnTheRoad

Notfallsanitäter, Teamleiter und Administrator des Blogs. Vom FSJler über Ausbildung bis zum Haupt- und Ehrenamt im Regelrettungsdienst und Katastrophenschutz so ziemlich den klassischen Werdegang durchlaufen. Mittlerweile beruflich qualifizierter Medizinstudent im vorklinischen Abschnitt. Meine Schwerpunkte liegen auf Ausbildungs- und Karrierethemen, der Unterstützung von Neueinsteigern, leitliniengerechten Arbeiten sowie Physiologie, Pathophysiologie, Pharmakologie und EKG für den Rettungsdienst. Mehr über mich hier.

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