Umgang mit Vergiftungen

Erste-Hilfe-Basics – eine Kategorie, eine Zielsetzung: Grundlagen der Ersten Hilfe einfach, unkompliziert und anschaulich zu erklären.

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Vergiftungen stellen für den Ersthelfer eine besondere Herausforderung dar. Sie sind oft schwer zu erkennen, variabel in den Leitsymptomen und nicht selten eine Gefahr für den Ersthelfer selbst.

Inhaltsverzeichnis


Grundsätzliches

Grundregel Nr. 1: Eigenschutz beachten!

Noch wichtiger als es ohnehin in der Ersten Hilfe der Fall ist, ist der Eigenschutz. Einige giftige Substanzen können über die Atemluft oder über Hautkontakt aufgenommen werden und so zu einer Vergiftung des Helfers führen.

Gerade Gase wie Kohlenmonoxid und Kohlendioxid sind geruch- und farblos und daher nicht zu erkennen.

Besteht der Verdacht, dass Atem- oder Kontaktgifte zu einer Vergiftung geführt haben: Abstand halten, Notruf absetzen, kein Rettungsversuch durch Ersthelfer!

Grundregel Nr. 2: Ruhe bewahren!

Bei versehentlichen Vergiftungen sind vor allem Kinder betroffen – hier ist es umso wichtiger, Panik zu vermeiden und angesichts der Ausnahmesituation ruhig, aber zügig zu agieren.

Unbedachte Affekthandlungen oder unüberlegte Versuche der Erstbehandlung können den Zustand massiv verschlechtern und die Arbeit der Rettungskräfte und der Klinik deutlich erschweren.

Grundregel Nr. 3: Frühzeitig Hilfe anfordern!

Die möglichen Maßnahmen, die ein Ersthelfer ergreifen kann, sind bei Vergiftungen aller Art sehr begrenzt. Im Regelfall ist davon auszugehen, dass eine ärztliche Untersuchung und Behandlung notwendig ist.

Sofern bereits eine Bedrohung der Vitalfunktionen Atmung, Bewusstsein oder Kreislauf vorliegt, ist umgehend ein Notruf (über die 112) abzusetzen.

Ansonsten sind die Giftnotrufzentralen die besten Ansprechpartner rund um Vergiftungsfälle.

Grundregel Nr. 4: Absolut zu unterlassen sind…

  • Gabe von „Hausmitteln“, Milch o.ä.,
  • Trinken großer Mengen Wasser,
  • Gabe von Medikamenten ohne ärztliche Weisung,
  • Auslösen von Erbrechen.

Generell gilt: Maßnahmen, die über die lebensrettenden Sofortmaßnahmen hinausgehen, sollten bei Vergiftungen nur nach fachkundiger Rücksprache angewendet werden.

Grundregel Nr. 5: Informationen sammeln!

Sofern die eingenommene Substanz bekannt ist, sollte diese asserviert werden (z.B. Pflanzenteile, Chemikalien, Essensreste, Tabletten) – dies gilt auch für Erbrochenes. Auch Zeitpunkt der Aufnahme und die aufgenommene Menge sind wichtige Informationen!

Bei unbekannten Substanzen sollten zumindest Hinweise auf mögliche eingenommene Stoffe gesammelt werden („Was ist im Haus/Garten vorhanden?„)

Basics

  • Eigenschutz beachten!
  • Bei vermuteter Gefahr für den Ersthelfer Rettung nur durch Fachpersonal!
  • Ruhe bewahren!
  • Frühzeitig Notruf absetzen! Giftinformationszentrale anrufen!
  • Keine Gabe von Hausmitteln, Milch, Medikamenten oder Auslösen von Erbrechen!
  • Informationen über eingenommenes Gift sammeln!

Vergiftungen erkennen

Symptome variieren stark je nach eingenommener Substanz. Dementsprechend sind die möglichen Symptome variabel.

Symptome

  • Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall
  • Kopfschmerzen, Schwindel, Krampfanfälle
  • Bewusstseinsstörungen bis zur Bewusstlosigkeit,
  • Nervosität, Verwirrtheit, Halluzinationen,
  • Teilnahmslosigkeit,
  • auffällige Hautfarbe (deutliche Blässe, Hautrötung), färbende Stoffe auf der Haut,
  • Atemstörungen bis zum Atemstillstand

Neben den typischen Symptomen muss auch die Umgebung betrachtet werden.

Hinweise auf Vergiftungen in der Umgebung

  • hohe Anzahl an Tablettenschachteln/Blistern,
  • leere Flaschen alkoholischer Getränke,
  • Konsumbesteck (Spritzen o.ä.),
  • Gärkeller, Futtersilos, Schächte,
  • Brandrauch,
  • offen herumstehende oder ausgelaufene Chemikalien,
  • ungewöhnliche Gerüche (Knoblauchartig, Bittermandelartig…)

Basics

  • Häufig sind insbesondere Störungen des Bewusstseins – im Einzelfall sehr variabel
  • bei einer Vielzahl von Giften kommt es zu Magen-Darm-Beschwerden
  • Auf Umgebung achten! Dient dem Eigenschutz und dem Erkennen möglicher Vergiftungsquellen!

Was tun?

Vergiftung erkennen

Sofern eine Vergiftung oder ein ausreichender Verdacht besteht, sollte umgehend gehandelt werden. Die oben genannten Symptome und Umgebungen dienen als Hinweisgeber.

Gefahr abschätzen

Sofern eine Gefahr für den Ersthelfer besteht, erfolgt die Rettung durch Fachpersonal! Kann sich die betroffene Person selbst aus dem Gefahrenbereich retten, soll sie dazu aufgefordert werden.

Hilfe anfordern und Lebensrettende Sofortmaßnahmen einleiten

Bei einer akuten vitalen Bedrohung ist umgehend der Notruf (über die 112) abzusetzen!

Sofern es unter Beachtung des Eigenschutzes möglich ist, werden bewusstlose Personen mit normaler Atmung in die stabile Seitenlage verbracht.

Atmet ein Bewusstloser nach Überstrecken des Kopfes nicht oder nicht normal, ist die Herz-Lungen-Wiederbelebung zu beginnen. Bei einem Verdacht auf eine Vergiftung mit Kontaktgiften sind grundsätzlich Handschuhe zu verwenden, die Mund-zu-Mund-Beatmung ist zu unterlassen.

Dekontamination

Eine Dekontamination macht nur bei Kontaktgiften (z.B. Säuren) Sinn. Hierfür muss die betroffene Stelle – unter Beachtung des Eigenschutzes – mit reichlich klarem Wasser gespült werden. Es muss darauf geachtet werden, einen Kontakt nicht betroffener Hautareale oder der Augen mit der Spülflüssigkeit zu vermeiden.

Weitere Erste Hilfe und Betreuung

Die Betroffenen Personen sind bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes oder einer Vorstellung beim Arzt kontinuierlich zu überwachen und zu betreuen.

Bei bewusstseinsklaren Patienten erfolgt die Lagerung nach Patientenwunsch, Bewusstlose mit normaler Atmung werden in die stabile Seitenlage gebracht, Bewusstlose ohne oder mit nicht normaler Atmung erhalten die Herz-Lungen-Wiederbelebung.

Patienten mit Atemnot werden vorzugsweise mit erhöhtem Oberkörper gelagert, Patienten mit Kreislaufproblemen werden flach gelagert oder in die Schocklage verbracht.

Es ist auf ausreichenden Wärmeerhalt zu achten!

Basics

  • Vergiftung erkennen!
  • Gefahr abschätzen! Versorgung nur unter Beachtung des Eigenschutzes!
  • Hilfe anfordern (Notruf, Giftnotrufzentrale)! Lebensrettende Sofortmaßnahmen einleiten!
  • Dekontamination bei Kontaktgiften nach Möglichkeit
  • kontinuierliche Überwachung und Betreuung!
  • Wärmeerhalt!

Übersicht der Giftnotrufzentralen (alphabetisch)

Berlin: Giftnotruf Berlin
Giftnotruf der Charité Universitätsmedizin Berlin
Campus Benjamin Franklin, Haus VIII (Wirtschaftsgebäude), UG

Notruf: 030 192 40
Telefax: 030 450 569 901 (Keine Notfall-Anfragen!)
E-Mail: giftnotruf@charite.de
Internetadresse: Giftnotruf Berlin

Hindenburgdamm 30
12203 Berlin

Bonn: Informationszentrale gegen Vergiftungen
Informationszentrale gegen Vergiftungen
Zentrum für Kinderheilkunde, Universitätsklinikum Bonn

Notruf: 0228 192 40
Telefax: 0228 287 332 78 oder 0228 287 333 14
E-Mail: gizbn@ukbonn.de
Internetadresse: Informationszentrale gegen Vergiftungen

Adenauerallee 119
53113 Bonn

Erfurt: Giftinformationszentrum
Giftnotruf Erfurt
Gemeinsames Giftinformationszentrum der Länder Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen
c/o HELIOS Klinikum Erfurt

Notruf: 0361 730 730
Telefax: 0361 730 7317
E-Mail: ggiz@ggiz-erfurt.de
Internetadresse: Giftinformationszentrum

Nordhäuser Straße 74
99089 Erfurt

Freiburg: Vergiftungs-Informations-Zentrale
Vergiftungs-Informations-Zentrale
Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin
Universitätsklinikum Freiburg

Notruf: 0761 192 40
Telefax: 0761 270 445 70
E-Mail: Giftinfo@uniklinik-freiburg.de
Internetadresse: Vergiftungs-Informations-Zentrale

Mathildenstr. 1
79106 Freiburg

Göttingen: Giftinformationszentrum-Nord
Giftinformationszentrum-Nord der Länder Bremen,
Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein (GIZ-Nord)
Universitätsmedizin Göttingen – Georg-August-Universität

Notruf: 0551 192 40 (Jedermann) und 383 180 (Fachleute)
Telefax: 0551 383 1881
E-Mail: Giznord@giz-nord.de
Internetadresse: Giftinformationszentrum-Nord

Robert-Koch-Straße 40
37075 Göttingen

Homburg/Saar: Informations- und Beratungszentrum
Informations- und Beratungszentrum für Vergiftungsfälle
Klinik für Kinder- und Jugendmedizin
Universitätsklinikum des Saarlandes, Geb. 9

Notruf: 06841 192 40
Telefax: 06841 162 8438
E-Mail: giftberatung@uniklinikum-saarland.de
Internetadresse: Informations- und Beratungszentrum

Kirrberger Straße
66421 Homburg/Saar

Mainz: Giftinformationszentrum Rheinland-Pfalz/Hessen
Giftinformationszentrum der Länder Rheinland-Pfalz und Hessen
– Klinische Toxikologie –
Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Notruf: 06131 192 40
Infoline: 06131 232 466
Telefax: 06131 232 468 (nicht für Notfälle!)
E-Mail: mail@giftinfo.uni-mainz.de (nicht für Notfälle!)
Internetadresse: Giftinformationszentrum Rheinland-Pfalz/Hessen

Gebäude 601
Langenbeckstraße 1
55131 Mainz

München: Giftnotruf
Giftnotruf München
Abteilung für Klinische Toxikologische und Giftnotruf München,
Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München

Notruf: 089 192 40
Telefax: 089 414 047 89
E-Mail: tox@mri.tum.de
Internetauftritt: Giftnotruf

Ismaninger Straße 22
81675 München

Österreich, Wien: Vergiftungsinformationszentrale
Gesundheit Österreich GmbH
AKH Leitstelle 6 Q

Notruf: +43 140 643 43
Sekretariat: +43 140 668 98 (Allgemeine Beratung)
Telefax: +43 140 668 9821
E-Mail: Viz@goeg.at
Internetauftritt: Vergiftungsinformationszentrale

Stubenring  6
A-1010 Wien

Schweiz, Zürich: Schweizerisches Toxikologisches Informationszentrum (STIZ)
Tox Info Suisse

Notruf: +41 442 515 151
Sekretariat: +41 442 516 666 (allgemeine Anfragen)
Telefax: +41 442 528 833
E-Mail: Info@toxi.ch
Internetauftritt: Schweizerisches Toxikologisches Informationszentrum (STIZ)

Freiestrasse 16
CH-8032 Zürich

Quelle: Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, https://www.bvl.bund.de/DE/Arbeitsbereiche/01_Lebensmittel/03_Verbraucher/09_InfektionenIntoxikationen/02_Giftnotrufzentralen/lm_LMVergiftung_giftnotrufzentralen_node.html;jsessionid=ABF517D197EB347D14D2328382C4D67D.2_cid360; abgerufen am 25.02.2024


Ärztlicher Bereitschaftsdienst

Für alle Erkrankungen und medizinischen Probleme, die nicht akut lebensgefährlich sind (aber dennoch zeitnah ärztlich behandelt werden sollen), gibt es den ärztlichen Bereitschaftsdienst. Dieser übernimmt die Aufgaben des Hausarztes außerhalb der üblichen Sprechstundenzeiten und macht bei Bedarf auch Hausbesuche.

Der ärztliche Bereitschaftsdienst ist bundesweit kostenlos unter der 116117 (ohne Vorwahl) erreichbar – auch am Wochenende, an Feiertagen und nachts. Siehe auch 116117.de.


Im Notfall

Bei akuten, lebensbedrohlichen Erkrankungen und Verletzungen ist umgehend Erste Hilfe zu leisten und der Rettungsdienst zu verständigen.

Bei akuten Notfällen ist der Notruf von Feuerwehr, Rettungsdienst und Notarzt die 112 (ohne Vorwahl).

Interessenkonflikte

Der Autor gibt an, dass keine Interessenkonflikte bestehen.

Quellen

Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (2022): Liste der Giftnotrufzentralen und Giftinformationszentren in Deutschland, Österreich und Schweiz, abgerufen unter https://www.bvl.bund.de/DE/Arbeitsbereiche/01_Lebensmittel/03_Verbraucher/09_InfektionenIntoxikationen/02_Giftnotrufzentralen/lm_LMVergiftung_giftnotrufzentralen_node.html am 25.02.2024

Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (2024): DGUV Information 204-006 – Anleitung zur Ersten Hilfe, Stand 01/2024 abgerufen unter https://publikationen.dguv.de/widgets/pdf/download/article/698 am 25.02.2024

Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (2023): DGUV Information 204-007 – Handbuch zur Ersten Hilfe, Stand 03/2023 abgerufen unter https://publikationen.dguv.de/widgets/pdf/download/article/826 am 25.02.2024

SaniOnTheRoad (2022): Welche Notrufnummer ist die richtige?, abgerufen unter https://saniontheroad.com/notrufnummern/ am 25.02.2024

SaniOnTheRoad (2020): Absicherung, Eigenschutz und Notruf, abgerufen unter https://saniontheroad.com/absicherung-eigenschutz-und-notruf/ am 25.02.2024

SaniOnTheRoad (2020): Wundversorgung und Stillung lebensgefährlicher Blutungen, abgerufen unter https://saniontheroad.com/wundversorgung-und-stillung-lebensgefahrlicher-blutungen/ am 25.02.2024

SaniOnTheRoad (2019): Die stabile Seitenlage, abgerufen unter https://saniontheroad.com/die-stabile-seitenlage/ am 25.02.2024

SaniOnTheRoad (2019): Die Herz-Lungen-Wiederbelebung durch Ersthelfer, abgerufen unter https://saniontheroad.com/die-herz-lungen-wiederbelebung-durch-ersthelfer/ am 25.02.2024

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Über SaniOnTheRoad

Umgang mit Vergiftungen

SaniOnTheRoad

Notfallsanitäter, Teamleiter und Administrator des Blogs. Vom FSJler über Ausbildung bis zum Haupt- und Ehrenamt im Regelrettungsdienst und Katastrophenschutz so ziemlich den klassischen Werdegang durchlaufen. Mittlerweile beruflich qualifizierter Medizinstudent im vorklinischen Abschnitt. Meine Schwerpunkte liegen auf Ausbildungs- und Karrierethemen, der Unterstützung von Neueinsteigern, leitliniengerechten Arbeiten sowie Physiologie, Pathophysiologie, Pharmakologie und EKG für den Rettungsdienst. Mehr über mich hier.

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