Bei „Aus dem Pflaster-Laster“ berichte ich von Einsätzen, dem Alltag auf der Rettungswache und von aktuellen Themen – von purer Routine bis zum Drama. Am Ende ziehe ich mein Fazit der Einsätze und zeige auf, was gut lief und was besser laufen könnte. Namen von Patienten, Orten und Kollegen lasse ich selbstverständlich aus.
Das Verhältnis von Rettungsdienst & Sanitätsdienst
Es kann schon etwas absurd wirken, wenn man sich das Verhältnis von Rettungsdienst & Sanitätsdienst anschaut…
Auch wenn am Ende des Tages doch beide das Gleiche wollen, prallen hier manchmal regelrecht zwei Welten mit sehr unterschiedlichen Auffassungen und Ansichten aufeinander, wo die gegenseitige Wertschätzung doch oft begrenzt ist. Selbst dann, wenn man das gleiche Logo auf der Uniform trägt. Selbst dann, wenn man, beispielsweise bei First-Responder-Einsätzen, zusammenarbeitet.
Dementsprechend möchte ich in diesem Beitrag ein paar Fragen beleuchten, die sich rund um das Miteinander der beiden Teilbereiche drehen 😉
Wie stehen der Rettungsdienst und der Sanitätsdienst zueinander?
Ganz allgemein: „es kommt darauf an“ – und das Verhältnis, bzw. das „miteinander auskommen“ hängt doch von unterschiedlichen Faktoren ab.
Zum Beispiel, wie viele hauptamtliche Rettungsdienstler sich im Sanitätsdienst engagieren und umgekehrt, wie viele aus dem „echten Ehrenamt“ eine rettungsdienstliche Qualifikation haben, wie oft man tatsächlich zusammenarbeitet und wie vernetzt die Strukturen sind…und auch von den Persönlichkeiten auf beiden Seiten.
Dort, wo eine hohe Durchmischung des Personals und eine regelhafte Zusammenarbeit stattfindet, gibt es meiner Erfahrung nach kaum Probleme. Wenn das nicht erfolgt, kann das anders aussehen…
Und das „anders“ reicht von einem kritischen Beäugen bis hin zur offenen Ablehnung.
Wie sehr unterscheiden sich die Grundvoraussetzungen?
Die Grundvoraussetzungen sind auf beiden Seiten durchaus sehr verschieden, was Unstimmigkeiten erheblich begünstigt.
Auf der einen Seite haben wir den Regelrettungsdienst – fast alle sind dort hauptamtlich tätig (wenngleich es auch hier ein Ehrenamt gibt), die Ausbildungsdauer ist von drei Monaten bis drei Jahren umfangreich und vor allem besteht eine erhebliche Routine.
Auf der anderen Seite haben wir den Sanitätsdienst – rein ehrenamtlich, Lehrgänge, Übungen und Einsätze werden in der Freizeit (und unter nicht unerheblichem zeitlichen Aufwand) absolviert, die Tätigkeit erfolgt unentgeltlich und aus freien Stücken; die Ausbildungen sind dafür kürzer und die Routine in der Regel geringer.
Was wird im schlechtesten Fall von der anderen Seite gedacht oder unterstellt?
Vorneweg: beide Seiten geben sich hier tatsächlich nichts. An teils harscher Kritik wird im Zweifelsfall nicht gespart.
Seitens des Rettungsdienstes wird natürlich gerne der Ausbildungsstand und die Routine des Sanitätsdienstes infrage gestellt – „Pflasterkleber“ und „besserer Ersthelfer“ sind da noch nett. Gerade, was die medizinische Kompetenz angeht, wird nicht nur eine pauschale Überschätzung derselben, sondern bisweilen auch das völlige Fehlen unterstellt. Interessanterweise geht auch hier vieles in Richtung „Profilneurose“.
Umgekehrt wird durch den Sanitätsdienst gerne genauso eine Profilneurose, Überheblichkeit bis Arroganz des Rettungsdienstes unterstellt, die Unkenntnis von Führungs- und Katastrophenschutzstrukturen und dem Ehrenamt an sich.
Manches mag in beiden Fällen durchaus einen wahren Kern haben – pauschal kann man aber nichts davon unterschreiben.
Was davon ist das eigentliche Problem?
Aus meiner Sicht ist gerade die Frage um die Kompetenz wohl der Punkt, der besonders diskussionswürdig ist und mitunter am meisten für Zwietracht sorgt: einfach, weil hier objektiv tatsächlich eklatante Unterschiede bestehen.
Ein 48 – 80-Stunden-Lehrgang ist keine dreijährige Berufsausbildung in Vollzeit. 12 Dienste im Regelrettungsdienst jeden Monat ist etwas anderes als 12 San-Dienste im Jahr. Das muss man anerkennen.
Und man muss anerkennen, dass die Schwerpunktsetzungen entsprechend der Aufgabenstellung unterschiedlich sind. Das ist auch gut so. Es ist für einen SAN im Ehrenamt durchaus relevanter, wie man nun das Zelt aufbaut und den Generator zum Laufen kriegt, als die leitliniengerechte Therapie lebensbedrohlicher Herzrhythmusstörungen. Wichtig ist einzig und allein nur, dass man die Sachen kann, die man entsprechend der Qualifikation und der Tätigkeit können muss.
Ebenso wichtig ist es, die eigene Kompetenz zu kennen, die Kompetenz der anderen anzuerkennen und auch die Grenzen der eigenen Kompetenz zu kennen.
Ich finde, man sollte durchaus zu den Dingen stehen, die man kann – und man sollte definitiv auch wissen, was der andere kann. Und absolut unverzichtbar ist es, sich einzugestehen, was man nicht kann.
Es ist dabei egal, ob der frische SAN einem Notfallsanitäter erklären will, wie Atemwegssicherung geht oder der Notfallsanitäter ohne Führungsausbildung/-erfahrung dem SAN als Zugführer erklärt, wie Katastrophenschutz funktioniert. Beides ist völlig unsinnig und geht am Ende schief…und sorgt nur für Ärger.
Die Probleme entstehen vor allem dann, wenn das Prinzip
„Schuster, bleib‘ bei deinen Leisten“
nicht beachtet wird. Der anderen Seite erklären wollen, wie deren Tätigkeit funktioniert, wird dann – oft zurecht – als übergriffig und unqualifiziert angesehen.
Wie lassen sich die Probleme lösen?
Wirklich sehr plumpe Ansätze sind eigentlich schon die Dinge, die der gesunde Menschenverstand gebietet: einfach mal nicht blind irgendwelche Vorurteile nachplappern und die Arbeit, die Fähigkeiten und die Leistung der anderen anerkennen.
Gute Zusammenarbeit erreicht man am Ende nur durch…gute Zusammenarbeit.
Das bedeutet natürlich, dass man sich durchaus mal mit der jeweils anderen Seite auseinandersetzen sollte, Einblicke, wie es wirklich abläuft, erhalten sollte und einen Austausch auf Augenhöhe anstreben sollte.
Wenn man sich kennt und entsprechend vernetzt ist, kommen viele Probleme gar nicht erst auf. Und wenn Probleme auftauchen, lassen diese sich lösen bevor ein entsprechender Konflikt entbrennt.
Das bedeutet für den Rettungsdienstler: es macht Sinn, sich einfach mal selbst anzuschauen, was das Ehrenamt im Sanitätsdienst leistet, was sie können, wie sie üben und vielleicht auch einfach mal an einem Sanitätsdienst teilnehmen.
Umgekehrt gilt für den Sanitätsdienst: es wird sicherlich nicht schaden, sich um ein paar Tage Praktikum auf einer Rettungswache zu bemühen, um die Sicht der Hauptamtlichen nachvollziehen zu können und auch etwas Routine an der Schnittstelle Regelrettungsdienst zu erhalten.
Ihr habt noch Fragen?
Stellt sie mir!
Interessenkonflikte
Der Autor gibt an, dass keine Interessenkonflikte bestehen.
Quellen
SaniOnTheRoad (2024): Das Atemwegsmangement im Ehrenamt, abgerufen unter https://saniontheroad.com/das-atemwegsmangement-im-ehrenamt/ am 23.09.2024
SaniOnTheRoad (2022): Die rettungsdienstliche Profilneurose, abgerufen unter https://saniontheroad.com/die-rettungsdienstliche-profilneurose/ am 23.09.2024
SaniOnTheRoad (2022): „Kleines 1×1 des Rettungsdienstes“ – Teil 31: Das Ehrenamt im Rettungsdienst, abgerufen unter https://saniontheroad.com/kleines-1×1-des-rettungsdienstes-teil-31/ am 23.09.2024
SaniOnTheRoad (2020): „Kleines 1×1 des Rettungsdienstes“ – Teil 25: Praktikum im Rettungsdienst, abgerufen unter https://saniontheroad.com/kleines-1×1-des-rettungsdienstes-teil-25/ am 23.09.2024
SaniOnTheRoad (2020): „Kleines 1×1 des Rettungsdienstes“ – Teil 20: Ein Blick auf das Ehrenamt, abgerufen unter https://saniontheroad.com/kleines-1×1-des-rettungsdienstes-teil-20/ am 23.09.2024
SaniOnTheRoad (2020): „Kleines 1×1 des Rettungsdienstes“ – Teil 18: First Responder, abgerufen unter https://saniontheroad.com/kleines-1×1-des-rettungsdienstes-teil-18/ am 23.09.2024
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