„Kleines 1×1 des Rettungsdienstes“ bietet eine Übersicht über Aufbau, Struktur und Gepflogenheiten des Rettungsdienstes in Deutschland. Hier geht es um das, was Interessenten und Neueinsteiger wissen sollten.
Zu „Teil 30 – Die praktische Ausbildung auf der Lehrrettungswache“ geht es hier.
Teil 31 – Das Ehrenamt im Rettungsdienst
Neben dem „klassischen“ Ehrenamt im Bereich des Sanitätsdienstes, der Bereitschaften und des Katastrophenschutzes gibt es vielerorts auch die Möglichkeit, sich unmittelbar im Regelrettungsdienst ehrenamtlich zu engagieren.
Im Vergleich zum Sanitätsdienst treten dabei einige Besonderheiten auf, die wir uns im Folgenden anschauen werden.
Inhaltsverzeichnis
(K)ein klassisches Ehrenamt?
Bei näherer Betrachtung wird auffallen: so einiges ist im Ehrenamt des Regelrettungsdienstes einfach nicht „klassisch Ehrenamt“.
Dass sich Menschen unabhängig von Qualifikation und Erfahrung völlig nach „Lust und Laune“, „wie es gerade passt“ und unentgeltlich engagieren, funktioniert hier nur eingeschränkt.
Der Begriff „Ehrenamt“ deckt im Falle der Regelrettung sehr viel mehr ab. Stark vereinfacht könnte man sagen: es fallen nahezu alle darunter, die nicht regulär „hauptamtlich“ oder im Rahmen eines Freiwilligendienstes beschäftigt sind.
Es sind verschiedenste Organisationsformen möglich, die von der tatsächlich typisch ehrenamtlichen Tätigkeit über „freelancerähnliche“ Beschäftigungen bis hin zum Nebenjob auf 450-€-Basis reichen; teilweise werden auch in ein und demselben Rettungsdienst unterschiedliche Formen angeboten. Denkbar sind z.B. Beschäftigungen auf
- 450-€-Basis als geringfügige Beschäftigung,
- „freier Mitarbeiter“ auf Honorarbasis,
- Übungsleiterpauschale oder
- Ehrenamtspauschale.
Unentgeltlich ist die Tätigkeit auch als Ehrenamtlicher meist nicht: es wird entweder eine (geringe) Aufwandsentschädigung gezahlt, der gesetzliche Mindestlohn oder gar der reguläre Stundenlohn entsprechend der rettungsdienstlichen Qualifikation – abhängig vom jeweiligen Rettungsdienst und der getroffenen Vereinbarung.
Das Ehrenamt im Rettungsdienst entspricht damit oftmals eher einem bezahlten Nebenjob als einer typisch ehrenamtlichen Tätigkeit.
Einstieg in das Ehrenamt
Voraussetzungen
Im Vergleich zu anderen Hobbys und Ehrenämtern liegen die Voraussetzungen, sich ehrenamtlich im Regelrettungsdienst zu engagieren, relativ hoch – und entsprechen im Wesentlichen denen, die auch ein hauptamtlicher Mitarbeiter erfüllen muss.
Maßgeblich sind dabei
- die gesundheitliche Eignung,
- ein Führerschein – mindestens Klasse B, wenn der Einsatz auch auf dem Rettungswagen (und damit in der Notfallrettung) erfolgen soll, i.d.R. auch Klasse C1
- de facto die Volljährigkeit
und vor allem
Letzteres bedeutet – je nach Bundesland und Organisation – oft die Qualifikation zum Rettungshelfer oder Rettungssanitäter; die Mitwirkung ist allerdings selbstverständlich auch als Rettungsassistent oder Notfallsanitäter möglich.
Siehe auch
Die Bereitschaft, sich mittel- bis langfristig zu engagieren (sprich: Dienste abzuleisten) liegt in der Natur der Sache.
Aus der Praxis
Ingesamt gibt es eher selten „Direkteinsteiger“ in das Ehrenamt des Rettungsdienstes – auch wenn diese Möglichkeit durchaus besteht.
Der Großteil der Ehrenamtlichen rekrutiert sich
- aus dem Ehrenamt des Sanitätsdienstes und
- „Ehemaligen“ – sowohl aus ehemaligen Hauptamtlichen, Zivildienst- und Freiwilligendienstleistenden.
Es stehen somit alle typischen Möglichkeiten zum Einstieg in den Rettungsdienst offen.
Sofern die Voraussetzungen erfüllt sind, kann man sich – entsprechend der lokalen Regelung – als Ehrenamtlicher engagieren. Dies ist vorwiegend bei den großen Hilfsorganisationen (ASB, DRK, JUH, MHD) möglich – kommunale und private Rettungsdienste sowie Berufsfeuerwehren bieten diese Möglichkeit wesentlich seltener bis gar nicht an.
Wie funktioniert es?
Die Umsetzung des „Ehrenamts im Rettungsdienst“ regelt jeder Leistungserbringer und jede Gliederung unabhängig voneinander – die einzige Abhilfe an dieser Stelle ist tatsächlich: sich unmittelbar vor Ort informieren.
Unter die lokalen Regelungen fallen sowohl die fachlichen Voraussetzungen, ggf. die Notwendigkeit eines C1-Führerscheins, die Art der Anstellung (geringfügige Beschäftigung, Honorarbasis, Übungsleiterpauschale…) sowie Anzahl und Art der Dienste.
In den meisten Fällen können Ehrenamtliche aus unbesetzten Schichten entsprechende auswählen, sofern die Besetzung des Fahrzeugs entsprechend dem Landesrettungsdienstgesetz gesichert ist. Das kann sowohl in der Vorplanung des Monatsdienstplans erfolgen, als auch kurzfristig und spontan (z.B. bei kurzfristigen Ausfällen).
Wenn einzelne Rettungswachen oder Leistungserbringer im Rettungsdienst einen großen „Pool“ an aktiven Ehrenamtlichen haben, werden teilweise auch regulär Schichten für diese freigehalten – z.B. am Wochenende.
Im Falle von Übungsleiter- und Ehrenamtspauschale sowie im Rahmen der geringfügigen Beschäftigung existieren teilweise „Höchststunden“ im Monat bzw. im Jahr, um die entsprechenden Pauschalen respektive die Vergütung der geringfügigen Beschäftigung nicht zu überschreiten.
„Mindeststunden“, die zwingend zu erbringen sind, gibt es insgesamt selten.
FAQs zum Einsatz als Ehrenamtlicher im Regelrettungsdienst
Kann ein Ehrenamtlicher in der Notfallrettung eingesetzt werden?
Grundsätzlich ja, sofern die Voraussetzungen entsprechend dem jeweiligen Landesrettungsdienstgesetz – insbesondere in Hinblick auf die rettungsdienstliche Qualifikation – erfüllt sind.
Es wird allerdings durchaus von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, interne Voraussetzungen zusätzlich zu schaffen (z.B. gewisse Einsatzerfahrung, regelmäßiges Engagement, gesonderte „Einarbeitung“).
Muss sich ein Ehrenamtlicher fortbilden?
Ja – es gilt die gleiche Fortbildungspflicht wie für hauptamtliche Mitarbeiter.
Kann man in mehreren Organisationen oder Gliederungen des Rettungsdienstes ehrenamtlich tätig sein?
Ja – man muss allerdings auf die Einhaltung der entsprechenden Pauschalen achten. Die Kombination aus „Pauschale + geringfügiger Beschäftigung ist möglich, mehrere geringfügige Beschäftigungen sind prinzipiell denkbar, überschreiten allerdings in der Praxis meist die Geringfügigkeitsgrenze und werden damit sozialversicherungspflichtig.
Kann man neben einer hauptamtlichen Beschäftigung im Rettungsdienst auch in einer anderen Gliederung ehrenamtlich tätig sein?
Ja – in aller Regel ist aber die Zustimmung des Arbeitgebers Voraussetzung und die Einhaltung von Ruhezeit o.ä. nach dem Arbeitszeitgesetz obliegt einem selbst.
Kann man sowohl im Sanitäts- als auch im Rettungsdienst gleichzeitig ehrenamtlich tätig sein?
Ja. Das ist vielerorts sogar die Regel, nachdem sich ein mehr oder minder großer Teil des ehrenamtlichen Rettungsdienstes aus den Reihen des Sanitätsdienstes rekrutiert.
Lohnt sich das Ehrenamt im Rettungsdienst, wenn man irgendwann hauptamtlich einsteigen will?
Grundsätzlich ja – analog zur Auswahl der Notfallsanitäterazubis gilt auch hier, dass „interne Bewerber“ meist bevorzugt werden. Gleichzeitig bringt eine ehrenamtliche Tätigkeit im Falle einer Bewerbung auf einen Ausbildungsplatz zum NFS ebenfalls Vorteile.
Lohnt sich die Ausbildung zum Notfallsanitäter, wenn man langfristig nur ehrenamtlich tätig sein will?
Das Absolvieren einer dreijährigen Vollzeitausbildung ausschließlich für eine ehrenamtliche Tätigkeit lohnt sich perspektivisch nicht.
Nutzen und Schwierigkeiten
„Alles rosarot?“
Auch wenn für viele das Ehrenamt nicht nur gerne ausgeübt wird, sondern oft eine „Herzenssache“ ist, sollte man auch kritische Punkte neben den Vorteilen beleuchten.
Einen Nutzen hat der Ehrenamtliche für sich selbst: er kann seine rettungsdienstliche Qualifikation einbringen, erhält einen Nebenverdienst und kann den „Bonus“ einer ehrenamtlichen Tätigkeit in seinem Lebenslauf nutzen.
Darüber hinaus profitieren die Leistungserbringer im Rettungsdienst auch selbst von den Ehrenamtlichen im Sinne einer (relativ) kostengünstigen Personalreserve.
Nachdem viele der Ehrenamtlichen im Rettungsdienst auch im sanitätsdienstlichen Bereich aktiv sind, kommt es hier zu einem Fähigkeitentransfer, von dem beide Seiten fachlich profitieren können – ebenso können auch Arbeitgeber außerhalb des Gesundheitswesens aus dem rettungsdienstlichen Know-How (z.B. als Betriebssanitäter mit entsprechenden Aufbaulehrgang) einen Nutzen ziehen.
Allerdings gibt es auch hier „Schattenseiten“.
Ein großer Punkt ist oftmals: Wertschätzung. Sowohl in Hinblick auf die Führungsebene, als auch teilweise auf einige hauptamtliche Kollegen, lässt diese gelegentlich sehr zu wünschen übrig. Das ist jedoch lokal sehr unterschiedlich, sodass allein von Wache zu Wache erhebliche Unterschiede hinsichtlich des Umgangs mit dem Ehrenamt bestehen.
Eine Grundschwierigkeit stellt zudem der immer komplexer und anspruchsvoller werdende Rettungsdienst mit allgemein steigenden Anforderungen dar – dies trifft zwar auch das Hauptamt, im Ehrenamt wird es bei deutlich weniger Beschäftigung mit der Thematik und vor allem deutlich weniger Routine nochmals schwieriger.
Hier muss man – leider – feststellen, dass das Ehrenamt in der derzeitigen Form Probleme mit den zukünftig zu erwartenden Anforderungen bekommen wird.
Quellen
AOK (2022): Mehrfachbeschäftigungen bei Minijobs, abgerufen unter https://www.aok.de/fk/sozialversicherung/minijobs/mehrfachbeschaeftigungen-bei-minijobs/ am 01.08.2022
Bundesamt für Justiz (2020): Arbeitszeitgesetz vom 6. Juni 1994 (BGBl. I S. 1170, 1171), das zuletzt durch Artikel 6 des Gesetzes vom 22. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3334) geändert worden ist, abgerufen unter https://www.gesetze-im-internet.de/arbzg/BJNR117100994.html am 01.08.2022
SaniOnTheRoad (2022): Notfallsanitäter werden – von der Bewerbung bis zur Ausbildung, abgerufen unter https://saniontheroad.com/notfallsanitaeter-werden-von-der-bewerbung-bis-zur-ausbildung/ am 01.08.2022
SaniOnTheRoad (2022): Führerschein und Fahrerlaubnis im Rettungsdienst, abgerufen unter https://saniontheroad.com/fuehrerschein-und-fahrerlaubnis-im-rettungsdienst/ am 01.08.2022
SaniOnTheRoad (2022): Das Schreckgespenst der gesundheitlichen Eignung, abgerufen unter https://saniontheroad.com/das-schreckgespenst-der-gesundheitlichen-eignung/ am 01.08.2022
SaniOnTheRoad (2021): Wie unterscheiden sich die rettungsdienstlichen Ausbildungen?, abgerufen unter https://saniontheroad.com/wie-unterscheiden-sich-die-rettungsdienstlichen-ausbildungen/ am 01.08.2022
SaniOnTheRoad (2020): „Kleines 1×1 des Rettungsdienstes“ – Teil 22: Freiwilligendienste im Rettungsdienst, abgerufen unter https://saniontheroad.com/kleines-1×1-des-rettungsdienstes-teil-22/ am 01.08.2022
SaniOnTheRoad (2020): „Kleines 1×1 des Rettungsdienstes“ – Teil 20: Ein Blick auf das Ehrenamt, abgerufen unter https://saniontheroad.com/kleines-1×1-des-rettungsdienstes-teil-20/ am 01.08.2022
SaniOnTheRoad (2019): „Kleines 1×1 des Rettungsdienstes“ – Teil 4: How to get started?, abgerufen unter https://saniontheroad.com/kleines-1×1-des-rettungsdienstes-teil-4/ am 01.08.2022
SaniOnTheRoad (2019): „Kleines 1×1 des Rettungsdienstes“ – Teil 3: Fahrzeuge des Rettungsdienstes, abgerufen unter https://saniontheroad.com/kleines-1×1-des-rettungsdienstes-teil-3/ am 01.08.2022
SaniOnTheRoad (2019): „Kleines 1×1 des Rettungsdienstes“ – Teil 2: Ausbildungen im Rettungsdienst, abgerufen unter https://saniontheroad.com/kleines-1×1-des-rettungsdienstes-teil-2/ am 01.08.2022
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