Die Sache mit der Nachhilfe

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Aus der Uni – ein Rettungsdienstler berichtet vom Weg ins und aus dem Medizinstudium.

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Ein Studium kann durchaus ziemlich „fordernd“ sein und es ist gar nicht mal so unwahrscheinlich, dass man irgendwann an einen Punkt kommt, wo man selbst nicht mehr weiter weiß.

Eine der vielen Möglichkeiten, die sich hier bietet, ist die kostenpflichtige Nachhilfe – und die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass diese nicht zwingend sinnvoll und schon gar nicht alternativlos ist.

Interessanterweise ist das ein „Uni-Phänomen“, welches ich in der Form weder von der Schule, noch vom RS-Lehrgang, noch von der Notfallsanitäterausbildung kenne. Werfen wir also mal einen Blick darauf, was es mit der Nachhilfe so auf sich hat…

Das Prinzip „Nachhilfe“

Das Grundprinzip der Nachhilfe ist denkenswert einfach: man erhält bei Schwierigkeiten und Verständnisproblemen Unterstützung, setzt sich nochmals anders mit der Thematik auseinander, erhält Übungsmöglichkeiten und bekommt mehr Werkzeuge zur Problemlösung vermittelt.

Bei den üblichen Angeboten bieten vor allem Studierende höheren Fachsemesters, seltener auch anderer Studienfächer, ihre Dienste als Nachhilfelehrer oder Tutoren auf eigene Faust an.

Eine gute Nachhilfe kostet Zeit und auch für den Nachhilfelehrer einiges an Aufwand (gerade in der Vorbereitung), sodass es vollkommen nachvollziehbar ist, dass die Nachhilfe üblicherweise kostenpflichtig ist.

Meist erfolgt die Nachhilfe einzeln oder in Kleingruppen, wo man sich individuell mit Schwächen und Verständnisproblemen auseinandersetzt und am Ende bestenfalls das Problem gelöst ist. Insbesondere das Fördern des Grundverständnisses einer Thematik ist eigentlich die Kernaufgabe der Nachhilfe; es ist hier durchaus etwas „Hilfe zur Selbsthilfe“.

Darüber hinaus gibt es eine unglaubliche Fülle von Angeboten über die klassische Nachhilfe hinaus – von kostenpflichtigen „Ersatz-Vorlesungen“ über Video-Kurse bis hin zum Verkauf von Hilfsskripten. Und teilweise auch alles zusammen.

Nachhilfe kann so durchaus eine sinnvolle aktive Beschäftigung mit dem Thema sein, einen voran (und durch die Prüfungen) bringen und das Geld sinnvoll investiert sein. Es muss es aber nicht.

Das Geschäft mit der Angst

Der etwas unschönere Blick auf die Realität zeigt leider, dass Nachhilfe nicht immer sinnvoll ist und dass einige Nachhilfelehrer definitiv nicht aus dem Gedanken handeln, ihren Kommilitonen zu helfen.

Nachhilfe ist ein Geschäftsmodell. Und hiermit wird durchaus gutes Geld verdient. Überspitzt könnte man sagen:

„Einige verdienen unmittelbar mit der „Blödheit“ anderer ihr Geld“

Das geht in einigen Fällen so weit, dass Leute sich tatsächlich mit ihrer Nachhilfe selbstständig gemacht haben und nicht nur ihr Studium, sondern ihren kompletten Lebensunterhalt damit bestreiten.

Ich will keine Verwerflichkeit dort konstruieren, wo keine ist: es ist vollkommen legitim, für eine gute Leistung, die man erbringt, angemessen entlohnt zu werden.

Das Problem fängt eigentlich erst einen Schritt weiter an…

Spätestens wenn man seinen kompletten Lebensunterhalt genau mit solchen Angeboten bestreitet, steht ein Interessenkonflikt im Raum. Interessenkonflikt bedeutet: man hat zeitgleich zwei unterschiedliche Interessen, die sich gegenseitig beeinflussen (können). Hier eben eine angemessene Unterstützung der Kommilitonen – und profan der eigene Verdienst.

Sofern es ums (eigene) Geld geht, steht der philanthrophische Gedanke doch meist hinten an.

Mit einem finanziellen Interessenkonflikt besteht das Risiko, dass die Beratung und Unterstützung nicht mehr zweckmäßig, sachlich und unabhängig ist. Und das merkt man bei einigen stark kommerzialisieren Anbietern sehr deutlich…

Es wird hier nicht nur mit dem „Unwissen“ und den Problemen anderer Geld gemacht, sondern mit der Angst. Angst ist eine unglaublich starke Emotion, meist völlig irrational und sie verleitet zu entsprechend irrationalen Entscheidungen.

Teilweise geht das sogar so weit, dass einige Nachhilfeanbieter wirklich bewusst Angst schüren – im Medizinstudium gerne in den Naturwissenschaften Physik, Chemie und Biochemie.

Die Fächer gelten allgemein als „eher schwer“ und die Durchfallquoten sind tatsächlich vergleichsweise hoch. Soweit zum wahren Kern. Es wird allerdings zu oft ein Bild gezeichnet, dass es ohne übermenschlichen Aufwand „unschaffbar“ wäre – und die Lösung mit entsprechenden Angeboten wird selbstverständlich gleich mit geliefert.

Und darauf springen erstaunlich viele Leute an – und es sind keineswegs nur Erstis, die frisch von der Schule kommen und sich mit der „sponsored by Papa“-Mentalität dort anmelden, sondern auch gestandene Leute mit abgeschlossener Ausbildung oder gar einem abgeschlossenen Erststudium und etwas mehr Lebenserfahrung.

Gerade dann, wenn einem ein Thema schwer fällt, gerade dann, wenn man vielleicht im Zweit- oder sogar Drittversuch ist, fällt die Angstmacherei sehr leicht auf fruchtbaren Boden.

Aussagen wie

„Wer Chemie nur knapp bestanden hat, sollte sich sofort für die Biochemie-Nachhilfe anmelden, sonst wird das nichts“

werden bei genug Verunsicherung dankend angenommen.

So kommt es, dass man eine „Nachhilfe in der großen Gruppe“ mit 20 Personen für 5 €/Stunde (und pro Nase) in Form einer Ersatz-Vorlesung an den Mann bringt und darüber hinaus noch Einzel- oder Kleingruppennachhilfe zu einem höheren Stundensatz.

Ein Kommilitone hat es tatsächlich geschafft, knappe 1000 € in einem Monat (!) nur für Nachhilfe auszugeben. Das sind nicht nur Beträge fernab von gut und böse, sondern bereiten erstaunlich schnell finanzielle Probleme.

Den größten Nutzen hiervon hat der Nachhilfelehrer, nicht derjenige, der das Angebot in Anspruch nimmt.

Wenn die Angst alleine nicht mehr zieht, kommt durchaus auch Druck zum Zuge. Nochmals problematischer.

Wenn es in „der großen Gruppe“ thematisch nicht so recht vorangeht – weil eben für die in der Nachhilfe notwendigen Fragen und Erklärungen mehr Zeit beansprucht wird – werden die Teilnehmer gerne gedrängt, eine ‚Extrastunde‘ zum entsprechenden Thema zu besuchen. Kostenpflichtig, versteht sich. Oder es wird auf das dringend notwendige, separate Klausurtraining oder einen Crashkurs verwiesen. Kostenpflichtig, versteht sich.

Auch wenn ich das nur über Kommilitonen und den Flurfunk der Uni mitbekommen hatte, war das sehr eindrücklich. Nachtigall, ick hör dir trapsen – hier bräuchte es schon eine unheimliche Menge an (jugendlicher) Naivität, um noch einen „guten Willen“ des Anbieters zu sehen…

Die Alternativen zur Nachhilfe

Unabhängig von der Nachhilfe gibt es natürlich ein paar weitere Optionen, die einem als Lernunterstützung zur Verfügung stehen.

Selbsthilfe

Quasi allen anderen Alternativen voran geht „Probleme selbst lösen“ – in diesem Falle in der Form von der selbstständigen Auseinandersetzung mit dem Thema. Das finde ich absolut essentiell. Egal, welche Form der Lernunterstützung man am Ende des Tages nutzt: keine kann das eigenständige Lernen ersetzen.

Eine Vermutung meinerseits ist, dass viele das eigenständige Lernen zugunsten der Nachhilfe schleifen lassen oder sich gar nicht mehr damit beschäftigen. Dass Nachhilfe das Lernen ersetzt, ist ein fataler Irrglaube.

Ich bin durchaus davon überzeugt, dass man mit etwas Zeitaufwand und der richtigen Lerntechnik selbst bei komplexen Themen problemlos ohne Nachhilfe auskommen kann. Ja, auch dann, wenn man kein Universalgenie ist und einem das Thema wohlmöglich gar nicht liegt.

Bevor man Unmengen an Geld für Nachhilfe ausgibt, sollte man sich erstmal an die eigene Nase fassen und die entsprechende Lernstrategie hinterfragen – und sich folglich erstmal „selbst helfen“.

Tutorien

Tutorien sind meist semesterbegleitende Angebote der Uni selbst für bestimmte Fächer. Hier werden relevante Themen des jeweiligen Fachs unter Anleitung eines studentischen Tutors nochmals besprochen, offene Fragen geklärt und geübt.

Ein Tutorium kann in der Bandbreite von „Nachhilfe“ über eine Vertiefung bis zur reinen Übung des Stoffs reichen.

Teilweise stehen solche Tutorien allen Studierenden offen, teilweise nur bestimmten Gruppen (z.B. Landarztquote, beruflich Qualifizierte…) – oft sind diese kostenlos oder aber sehr kostengünstig.

Gerade dann, wenn Tutorien zu bestimmten Fächern angeboten werden und diese sogar noch kostenlos sind, stellen diese durchaus eine sinnvolle Alternative und bisweilen sogar einen recht guten Ersatz für die Nachhilfe im eigentlichen Sinne dar.

Vorlesungen & Co.

Der Vollständigkeit halber muss man es erwähnen…

Es macht zweifellos Sinn, sich die kostenlosen Vorlesungen der Uni, in dem sowieso die relevanten Themen besprochen werden, anzusehen, bevor man irgendwelche kostenpflichtigen Zusatzangebote in Anspruch nimmt.

Zwar ist nicht jede Vorlesung „gut“, aber am Ende des Tages kann man doch meist einige prüfungsrelevanten Aspekte mitnehmen – und man bekommt zumindest einen Überblick über die Themen, die man wissen muss.

Davon abgesehen ist es die Gelegenheit, offene Fragen und Verständnisprobleme direkt mit dem jeweiligen Dozenten zu klären. Alternativ können diese auch außerhalb der Vorlesungen angeschrieben werden und Fragen gestellt werden: Professoren beißen nicht.

Kommilitonen & Lerngruppen

Die wohl so ziemlich niedrigschwelligste Art der Hilfe sind die Kommilitonen. Egal, um welches Thema oder um welches Problem es sich handelt: irgendjemand kennt immer die Lösung.

Dafür muss man auch mal zum Äußersten schreiten und einfach die Kommilitonen ansprechen – erstaunlich viele sind bereit (und in der Lage), unkompliziert zu helfen.

Sinnvoll sind darüber hinaus Lerngruppen, bei denen man Schwierigkeiten und Probleme besprechen und lösen kann. Wenn die Beteiligten fachlich entsprechend stark sind, hat man ziemlich schnell eine gute Nachhilfe, ohne Nachhilfe zu haben.

Take-home-Message

Was nehmen wir aus diesem Beitrag mit?

Es ist mitnichten mein Ziel, Nachhilfe generell schlecht zu reden oder Nachhilfelehrern gar „Raffgier“ zu unterstellen. Es gibt Situationen, in denen Nachhilfe sinnvoll ist und gute Nachhilfelehrer, denen wirklich etwas am Erfolg der Kommilitonen liegt.

Nachhilfe ist aber kein Allheilmittel bei allen fachlichen Problemen im Studium. Nachhilfe macht für einige Leute gar keinen Sinn, wenn das Problem woanders liegt. Und Nachhilfe ersetzt einfach nicht das selbstständige Lernen.

Man muss sich über die Grenzen der Möglichkeiten und Sinnhaftigkeit der Nachhilfe schlichtweg im Klaren sein wie auch darüber, dass man nicht zwangsläufig nur an Wohltäter gerät.

Wichtig finde ich in dem Zusammenhang;

  • Nachhilfeangebote kritisch hinterfragen – das bedeutet nicht, dass man unter keinen Umständen Nachhilfe in Anspruch nehmen soll
  • Vorsicht ist geboten bei Angeboten, die „gehyped“ oder heiß diskutiert werden
  • Finger weg von Angeboten mit undurchsichtiger Preisstruktur, „alleinigen Heilsbringern“ oder Angeboten, die auf Angst und Druck beruhen

Kurzum: man sollte mit etwas gesundem Menschenverstand an die Sache herangehen – ansonsten besteht hier das Risiko, dass man viel Lehrgeld bezahlt…und trotzdem die Prüfungen nicht besteht.

Interessenkonflikte

Der Autor gibt an, dass keine Interessenkonflikte bestehen.

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Über SaniOnTheRoad

Die Sache mit der Nachhilfe

SaniOnTheRoad

Notfallsanitäter, Teamleiter und Administrator des Blogs. Vom FSJler über Ausbildung bis zum Haupt- und Ehrenamt im Regelrettungsdienst und Katastrophenschutz so ziemlich den klassischen Werdegang durchlaufen. Mittlerweile beruflich qualifizierter Medizinstudent im vorklinischen Abschnitt. Meine Schwerpunkte liegen auf Ausbildungs- und Karrierethemen, der Unterstützung von Neueinsteigern, leitliniengerechten Arbeiten sowie Physiologie, Pathophysiologie, Pharmakologie und EKG für den Rettungsdienst. Mehr über mich hier.

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