Lernen lernen

teacher teaching human anatomy in class

Etwas mehr „off-topic“, aber mit zahlreichen Überschneidungen – sowohl bei den Ausbildungsthemen, als auch rund ums Medizinstudium: das Lernen an sich.

Dieser Beitrag ist ein Leserwunsch, den ich gerne angenommen habe 😄

Das Schöne ist: es ist fast egal, was oder wie viel man lernen muss – es ist egal, ob es sich um einen Wochenendlehrgang im Ehrenamt handelt oder ein ganzes Studium: die Grundprinzipien des Lernens sind übertragbar und können an praktisch jede Situation angepasst werden.

Werfen wir also mal einen Blick darauf, was „gutes“ Lernen ausmacht.

Inhaltsverzeichnis


Was ist Lernen?

Zum Einstieg kann man durchaus einen kurzen Blick auf die Grundlagen der (pädagogischen) Psychologie werfen und sich die Frage stellen: was ist Lernen eigentlich?

„Lernen ist definiert als der Erwerb von Wissen und Fähigkeiten

– Faller H., Lang H. (2019): Medizinische Psychologie und Soziologie, 5. überarbeitete Auflage. Springer-Verlag Berlin.

Diese erstaunlich einfache und elegante Definition untergräbt dabei allerdings die Komplexität, die Lernen in seiner Gesamtheit ausmacht.

Vom Beginn der Beschäftigung mit einem Thema zum langfristig abrufbaren Wissen ist es ein weiter Weg mit zahlreichen Vorgängen, die man aus psychologischer über die neurophysiologische bis zur biochemischen Sicht bis auf die intrazelluläre Ebene beleuchten kann.

Das Lernen, welches für uns im Kontext der Medizin im Allgemeinen und der Notfallmedizin im Speziellen interessant ist, ist das kognitive Lernen.

Lernen betrifft natürlich nicht nur das reine „Fakten lernen“, sondern beispielsweise auch das emotionale Lernen. Beides ist miteinander verknüpft und dies kann auch vom Lernenden genutzt werden.

Was ist Gedächtnis?

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Das Gedächtnis beschreibt die Fähigkeit, Informationen zu speichern, zu verarbeiten und wieder abzurufen – und ist damit für das Lernen und den Lernerfolg in einem unglaublich großem Maß mitverantwortlich.

Generell werden hierbei drei unterschiedliche „Speicher“ unterschieden:

  • das sensorische Gedächtnis („Ultrakurzzeitgedächtnis“) mit zwar einer praktischen unbegrenzten Speicherkapazität, aber einer extrem kurzen Speicherdauer von wenigen Sekunden. Hier werden alle erdenklichen Sinneseindrücke zwar registriert, aber auch weitestgehend prompt wieder verworfen, ohne zwangsläufig ins Bewusstsein zu gelangen.
  • das Arbeitsgedächtnis („Kurzzeitgedächtnis“) dient – wie der Name schon vermuten lässt – zum unmittelbaren Arbeiten mit den aufgenommenen Informationen. Die Kapazität ist allerdings hochgradig beschränkt (7 ± 2 Informationseinheiten, sog. „Chunks“) und die Speicherdauer im Bereich von 30 Sekunden bis wenigen Minuten sehr kurz.
  • das Langzeitgedächtnis dient hingegen zur langfristigen Speicherung und Bereitstellung von Informationen – sowohl die Kapazität als auch die Speicherdauer sind (theoretisch) unbegrenzt, es werden jedoch nicht alle Informationen ins Langzeitgedächtnis aufgenommen.

Das Ziel des Lernens ist dabei genau letzterer Schritt: die Übertragung von Informationen von Kurzzeit- in das Langzeitgedächtnis, die so genannte Konsolidierung. Und um diese zu erreichen, macht ein Blick auf Lernstrategien und Lernmethoden durchaus Sinn.

Grundlagen rund ums Lernen

In den durchaus häufig auffindbaren Lernratgebern findet man immer wieder ein paar Punkte, die man gemeinhin als Binsenweisheiten bezeichnen kann – und manchmal sind sie es auch. Trotz allem gibt es auch bei diesen Sachen ein paar Punkte, die man sich doch noch einmal vor Augen führen muss.

Die Leitfrage dabei ist: Wie sieht ein optimales Lernen aus?

Die Effektivität ist dabei nichts anderes als das Erreichen des gewünschten Lernerfolgs. Effektives Lernen sorgt also dafür, dass man das jeweilige Lernziel erreicht, was letztendlich das A und O des Lernens ist. Effektives Lernen hängt mehr von den jeweiligen Lernmethoden als von der Grundstrategie ab, welche später behandelt werden.

Trotz der ähnlich klingenden Begriffe schlägt die Effizienz in eine andere Kerbe – hier geht es letztendlich um das Verhältnis zwischen Aufwand und Nutzen. Effizientes Lernen ist letzendlich die Kombination aus der Effektivität und dem Aufwand – effizientes Lernen bedeutet, das bestmögliche Ergebnis bei einem möglichst überschaubaren Lernaufwand zu erhalten.

Zur Verdeutlichung: die volle Punktzahl bei einer Prüfung spricht für effektives Lernen. Diese kann man mit einer vierwöchigen Vollzeitbeschäftigung mit dem Thema erreichen – oder mit zwei Wochen lang jeden Tag zwei Stunden lernen. Ersteres wäre zwar effektiv, aber nicht effizient.

Die Nachhaltigkeit ist der eigentliche Sinn des Lernens über Prüfungen hinaus – Wissen sollte langfristig abgespeichert werden, langfristig abrufbar und „nutzbar“ sein.

Wie schon angedeutet wurde: man benötigt ein Lernziel – und damit eine Festlegung dessen, was man lernen bzw. erreichen will (oder muss).

Im Idealfall kann man sich an einem bereits vorhandenen Lernzielkatalog orientieren. Dieser wird dann zur To-Do-Liste des Lernens. Wenn es keinen Lernzielkatalog gibt, muss man sich tatsächlich selbst einen erstellen.

Neben dem Lernziel kommen die Lernstrategie und die entsprechende Methodik zum Tragen. „Lernstrategie und Methodik“ entsprechen im Wesentlichen dem Unterschied zwischen „Strategie vs. Taktik“.

Bei der Lernstrategie geht es um die langfristige, auch themenübergreifende Grundlagenplanung aufbauend auf dem Lernziel – sprich

  • Was muss gelernt werden?
  • Wann und wie viel will man lernen?

Die Lernmethode ist hingegen die praktische Umsetzung des Lernens – also das „Wie lernt man?“.

Lerntypen

Mehr „Straßenpsychologie“ als Teil der evidenzbasierten Pädagogik sind die Lerntypen. Einen wissenschaftlichen Nachweis über die Existenz verschiedenener Lerntypen gibt es schlichtweg nicht.

Dennoch kann man sich diese – sogar ohne wissenschaftliche Grundlage – trotzdem zu Nutze machen.

Unser Gehirn mag es, wenn wir uns mit Dingen beschäftigen. Und der Prozess des Lernens ist nichts anderes als die gezielte Beschäftigung mit den Lerninhalten.

Die Lerntypen kommen genau hier ins Spiel: es fällt uns oft deutlich leichter, uns mit Sachen zu beschäftigen, die uns gefallen. Jemand, der partout keine umfangreiche Fachliteratur durchwälzen will, wird damit als Lernmethode nicht glücklich werden – genauso wird jemand, dem jede künstlerische Begeisterung abhanden geht, nicht mit selbst erstellten Schemazeichnungen gerne lernen.

Die Lerntypen haben hier einfach den Zweck, eine Lernmethode zu finden, mit der man möglichst gerne lernt – und sich erst einmal überhaupt damit beschäftigt.

Lernumgebung

Die Lernumgebung kann durchaus einen großen Einfluss auf den Lernerfolg haben – was auch nicht verwunderlich ist.

Eine möglichst ablenkungsarme, ruhige Lernumgebung erleichtert das konzentrierte Arbeiten doch ungemein.

Idealerweise kann man hierfür ein separates Arbeitszimmer oder Büro nutzen. Das hat zum einen den Vorteil, dass man einen „festen“ Platz zum Lernen hat und ihn möglichst ohne Störfaktoren, dafür mit allem, was man zum Lernen braucht gestalten kann; zum anderen hat es den Vorteil, dass man die Unterlagen nach der Beendigung des Lernens nicht ständig vor der Nase hat („Abschalten“ möglich).

Es ist dabei relativ unerheblich, ob man nun Zuhause, in der Unibibliothek oder der Rettungswachse lernt.

Man kann selbstverständlich auch „zwischendurch“ oder „unterwegs“ lernen – ich würde allerdings empfehlen, dies nur zusätzlich zu tun. Die Lernerfolge sind meist geringer und die Störfaktoren meist größer.

„Lernkiller“

Gleichermaßen gibt es natürlich auch Faktoren, die den Lernerfolg massiv stören können – sie werden gerne als „Lernkiller“ bezeichnet.

Der Lernkiller Nummer 1 ist – wenig überraschend – Stress. Stress kann sowohl direkt durch das Lernen entstehen, durch Zeitdruck, durch andere Verpflichtungen, Streit…oder auch überzogene Erwartungshaltungen.

Stress ist nicht immer vollends vermeidbar, kann aber das Lernen deutlich negativ beeinflussen. Es ist allerdings möglich, Stress zumindest zu reduzieren. Beispielsweise lässt sich Zeitdruck oder andere Verpflichtungen durch eine entsprechende Prioritätensetzung und Planung recht gut vermeiden.

Wenn man dazu neigt, schnell gestresst zu sein, lohnt es sich durchaus, Entspannungstechniken zu erlernen – beispielsweise das autogene Training oder die progressive Muskelrelaxation nach Jacobsen.

In eine ähnliche Kerbe schlägt die Angst als Lernkiller – Prüfungsangst ist sehr weit verbreitet und deckt ein sehr großes Spektrum von „nervöser, als gerechtfertigt“ bis zum totalen Blackout mit massiver Begleitsymptomatik ab. Prüfungsangst ist ein ernstzunehmendes Problem.

Vielen hilft die bewusste Auseinandersetzung mit der Prüfungsangst – was genau macht mir Angst? Was sind meine Erwartungen und Befürchtungen? Was könnte im schlimmsten Fall passieren? Und was ist, wenn der schlimmste Fall eintritt? Wenn man die Dinge mal bewusst und objektiv betrachtet und auch mal ein Blick auf die Extremerwartungen wirft…stellen sich viele Dinge als weitaus weniger bedrohlich dar, als man ursprünglich dachte.

Ein „Vermeidungsverhalten“ sollte man allerdings unbedingt unterbinden. Die Vermeidung der angstauslösenden Situation führt letztendlich nur dazu, dass sich die Angst langfristig verstärkt.

Auch im Falle von Prüfungsangst kann das Erlernen von Entspannungstechniken durchaus hilfreich sein – in schwereren Fällen bleibt allerdings wirklich die dringende Empfehlung, sich frühzeitig professionelle Hilfe zu suchen.

Ansonsten sind quasi alle Dinge, die das allgemeine Wohlbefinden beeinträchtigen, klassische Lernkiller – angefangen bei Krankheit über Schlafmangel bis Hunger und Durst.

Ein ausreichender und vor allem guter Schlaf ist ein wichter Punkt. Hundemüde lernt sich unglaublich schlecht, sowohl was Effektivität als auch Effizient angeht. Man sollte unbedingt auf eine ordentliche Schlafhygiene, Schlafdauer und bestenfalls eine regelmäßige „Zu-Bett-geh-Zeit“ achten.

Eine ausgewogene Ernährung mit regelmäßigen Essenszeiten sollte man schon aus gesundheitlichen Gründen dringend in Erwägung ziehen. Auch beim Lernen sind Hunger und Durst vermeidbare Störfaktoren, die den Lernerfolg stören können.

Zusätzliche Ablenkung – gerne in Form des Smartphones – sollte während des Lernens vermieden werden. Heißt: das Smartphone ist während des Lernens aus (oder zumindest lautlos).

Prokrastination

Prokrastination – das „Aufschieben“ von Aufgaben – ist wahrscheinlich etwas, was jeder in mehr oder weniger ausgeprägter Form schon einmal selbst erlebt hat.

Unangenehme oder lästige Aufgaben werden durch „Ersatztätigkeiten“ aufgeschoben. Das fängt mit dem schnellen Einkauf vor dem Lernen an und endet dabei, dass man dem Schwippschwager des Nachbarn seines Onkels beim Umzug hilft.

Prokrastinieren kann einfach nur nervig sein, aber genauso gut richtige Probleme verursachen – spätetestens dann, wenn Aufgaben so lange aufgeschoben wurden, dass man unter Zeitdruck gerät oder diese nicht mehr realistisch schaffen kann.

Sinnvoll zur Vermeidung des Aufschiebens sind vor allem: Struktur, Planung – und Disziplin.

Ja, hier haben wir tatsächlich einmal den Fall, wo man wirklich hart zu sich selbst sein muss. Ohne Disziplin geht es hier nicht.

Gerade der geneigte Rettungsdienstler ist ja ein Fan des strukturierten Arbeitens und genau das kann man sich hier analog zu Nutze machen: die große Aufgabe wird in unterschiedliche, kleinere Teilaufgaben geteilt und diese werden priorisiert.

Wenn die Ziele klar sind, macht man sich an die Planung – sowohl inhaltlich, als auch zeitlich – und setzt diese genau so um. Und das bringt uns eigentlich auch schon zum Punkt der Lernstrategien…

Lernstrategien

Die Lernstrategie ist letztendlich der Plan für das „große Ganze“ – eben, wie oben erwähnt, die eher schematische Grundlagenplanung zum Erreichen des Lernziels/der Lernziele.

Die Lernstrategie hat erstmal recht wenig mit dem Lernen an sich zu tun. Hier geht es wirklich um eine klare Zieldefinition und einen Ablaufplan, nicht darum, wie man nun im Detail lernt.

Was braucht man?

Die Lernstrategie hängt durchaus von vielen Grundsatzüberlegungen – und auch organisatorischen Fragen – ab.

Allen voran braucht man eben ein Lernziel – entweder durch einen vorgegebenen Lernzielkatalog, oder eben ein selbst gestecktes Lernziel.

Um die Dinge übersichtlich zu halten, unterteilt man das „große“ Lernziel in weitere, kleinere Lernziele. Diese Lernziele werden priorisiert – einmal in die notwendigen Grundlagen, einmal in das besonders prüfungsrelevante Wissen und einmal in das übrige Detailwissen.

Organisatorische Fragen sollten ebenfalls vor Beginn des Lernens geklärt werden: brauche ich zusätzliche Literatur oder reicht die vorhandene aus? Brauche ich Apps, Programme oder Papierkarteikarten?

Wenn diese Dinge geklärt sind, steht der eigentlichen Lernplanung nichts mehr im Wege!

Lernplan und Zeitmanagement

Mit den festgelegten und priorisierten Lernzielen geht es dann weiter – und zwar frühzeitig. Der Lernplan sollte fertig sein, bevor man mit dem Lernen anfängt.

Ihr werdet es spätestens jetzt schon erahnen: das ist nicht in fünf Minuten erledigt. Eine solide Lernplanung braucht Zeit. Diese ist dafür aber gut investiert und spart langfristig mehr Zeit (und vor allem Stress) ein, als dass die Planung kostet.

Man nimmt sich also die Lernziele zur Hand und schaut, wie viel Inhalt diese jeweils haben – erstmal als grober Überblick – und man überschlägt, wie viel Zeit man insgesamt für das Lernen des Stoffes braucht. Das ist beruht tatsächlich auf Erfahrungswerten und ist individuell hochgradig unterschiedlich.

Unterrichtszeiten o.ä. werden hier nicht mit berücksichtigt – der Fokus liegt hier auf dem selbstständigen Lernen.

Am Ende teilt man den gesamten Zeitaufwand durch die zur Verfügung stehenden Lerntage und erhält die Lernzeit pro Lerntag – und legt die Lerntage kalendarisch fest und versieht sie mit den Themen.

Der Vorteil dieser Variante ist – wenn man den Zeitaufwand nicht massiv über- oder unterschätzt hat – ein realistischer Grob-Lernplan. Der weitere Vorteil ist: mit dieser Planung stellt man sicher, dass man vor allem regelmäßig lernt und ganztägige Lernmarathons (die ohnehin nichts bringen) vermieden werden.

Extrem niedrige oder extrem hohe Lernzeiten pro Lerntag bedeuten: die Planung muss angepasst werden. Aus eigener Erfahrung sind Zeiten zwischen einer halben Stunde bis maximal vier Stunden pro Lerntag sinnvoll.

Unberührt bleibt hierbei die Möglichkeit, die Zeiten an einzelnen Tagen anzupassen oder, wenn man die Lust oder Energie hat, an einzelnen Tagen auch mal mehr zu machen.

Ob man den Plan selbst detailliert mit einzelnen Methoden (Tag 1: Ausarbeitung Thema A, Tag 2: Karteikarten Thema A…) ausschmückt, ist Geschmackssache. Wenn man zu sehr ins Detail geht, stört es meist mehr, als dass es hilft.

Lernmethoden

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Nachdem wir uns mit einer wirklich sehr theoretischen und eher unintuitiven Planung befasst haben, können wir uns der eigentlichen Frage widmen: wie lernen wir?

Grundsätzlich: das Ziel unseres Lernens ist die Gedächtniskonsolidierung – das bedeutet, dass wir die Lerninhalte möglichst effektiv und effizient in unser Langzeitgedächtnis bekommen wollen.

Unser Gehirn mag es, wenn wir uns mit Dingen beschäftigen. Und im Prinzip beruht jede einzelne Lernmethode einfach nur auf der aktiven Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Lernthema.

Manche Methoden sind dabei effektiver als andere, einfach weil sie von ihrem „Grundsetting“ schon mehr aktive Auseinandersetzung erfordern. Optimal ist es natürlich, mehrere Lernmethoden zu kombinieren.

Wenn man sich sehr weit aus dem Fenster lehnt könnte man sagen: es ist fast egal wie man lernt, solange eine aktive Auseinandersetzung mit den Lerninhalten erfolgt. Das liegt aber (manchmal unglücklicherweise) an jedem selbst.

Dadurch kann man auch erkennen, warum manche Lernmethoden einfach weniger gute Ergebnisse liefern. Mein Lieblingsbeispiel ist da das stumpfe Abschreiben von ganzen Buchkapiteln.

„Wer schreibt, der bleibt“

ist ja ein schönes Dogma…man bleibt auch sicherlich lange beschäftigt und lange am Lernen. Große Lernerfolge erreicht man aber durch stumpfes Abschreiben nicht, da die inhaltliche Beschäftigung mit dem Thema meist komplett fehlt.

Der Lernerfolg ist hier ähnlich groß wie bei zwei Stunden Seilspringen im Innenhof. Somit haben wir hier das Paradebeispiel für eine Lernmethode, die nicht effektiv und schon dreimal nicht effizient ist.

Unterricht, Vor- und Nachbereitung

Bei nahezu jedem Thema bildet Unterricht – sei es als Kurs, in der Berufsschule, als Vorlesung oder Seminar in der Uni – die Basis des Lernens.

Je nach Einrichtung werden entweder die wesentlichsten Punkte besprochen oder Themen wirklich erschöpfend behandelt.

Auch wenn der Frontalunterricht nicht viele Freunde hat und nicht als besonders effektiv gilt, kann man ihm lerntechnisch durchaus etwas abgewinnen. Der Knackpunkt ist auch hier die aktive Auseinandersetzung.

Wenn man nicht nur aufmerksam zuhört und dem Unterricht folgt, sondern sich aktiv daran beteiligt, Fragen stellt, Antworten liefert, sich an Diskussionen beteiligt und sinnvolle Mitschriften macht, bleiben doch wesentliche Punkte hängen.

Wer sich stundenlang geistesabwesend „berieseln“ lässt wird natürlich nicht viel davon haben.

Mit einer entsprechenden Nachbereitung – einfach nur das gedankliche „Revue passieren lassen“ des Unterrichts und das Überlegen, was man daraus für das eigene Lernen mitnimmt, kann dem Lernerfolg durchaus zuträglich sein. Sinnvoll ist es natürlich hieraus Konsequenzen für den Lernplan zu ziehen: Wo muss man vielleicht mehr Zeit investieren, als geplant? Und wo kann man vielleicht Zeit einsparen und anderweitig nutzen?

Eine Vorbereitung – auch nur als erster Überblick über das Thema – kann hilfreich sein, ist aber nicht unbedingt kriegsentscheidend.

Themenausarbeitung

Eine meiner persönlichen Lieblingstechniken ist die Themenausarbeitung. Das ist weder ein stumpfes Abschreiben, noch eine reine Zusammenfassung eines Themas.

Bei der Themenausarbeitung erstellt man sich „Lernzettel“ (das können problemlos mehrere Seiten sein), auf denen man das jeweilige Thema von A bis Z und vor allem für sich selbst verständlich (!) durcharbeitet.

Eine mögliche Struktur wäre zum Beispiel:

  • Anknüpfungspunkte – sprich: eine kurze Wiederholung relevanter anderer Themen, die die Grundlage für das eigentliche Thema bilden (Beispiel: „Anatomie Herz“ beim Thema „kardiale Notfälle)
  • Grundlagen des Themas – das sind beispielsweise Definitionen, Mechanismen und Maßnahmen, die für das Verständnis des Themas essentiell sind
  • Prüfungsrelevante Inhalte – über die Grundlagen hinausgehende Schwerpunktthemen und Besonderheiten, diese können zusätzlich hervorgehoben werden
  • Details – effektiv der Rest, der zum Thema gehört, aber nicht unmittelbar relevant ist

Der Fokus liegt hier auf der Verknüpfung mit bereits vorhandenem Wissen (und damit der Wiederholung und Festigung desselben) und ein logischer Aufbau, der das Verständnis höher gewichtet als das Auswendiglernen von Details.

Hinsichtlich der Details hat man hier wiederum den Vorteil: man hängt sich an ihnen beim Lernen weniger auf – und man begreift sie leichter, wenn man das notwendige Grundlagenverständnis hat.

All das kann – wo es sinnvoll ist – mit entsprechenden Schaubildern und Schemata ergänzt werden.

Empfehlenswert finde ich hierbei die „Drei-Quellen-Methode„: die Ausarbeitung muss sind mindestens drei unterschiedlicher Quellen bedienen. Der Hintergrund ist eigentlich simpel…

  • durch die Nutzung unterschiedlicher Quellen hat man wieder mehr aktive Auseinandersetzung mit dem Thema > Lernerfolg
  • fehlerhafte Angaben in einer Quelle fallen auf und
  • das Risiko, dass etwas wichtiges übersehen wird, wird reduziert

Eine Ausarbeitung…braucht Zeit. Je nachdem, wie routiniert man mit dieser Strategie ist, braucht man durchaus viel Zeit. Unterm Strich rechnet sich diese Vorgehensweise dennoch: wenn man ein Thema richtig durchgearbeitet hat, ist es schon halb gelernt und der Lernaufwand für’s Wiederholen sinkt oft deutlich.

„Von der Oberfläche in die Tiefe“

Ich bin generell ein Vertreter der These

„Undetailliert verstanden ist sinnvoller als jedes Detail auswendig gelernt, aber trotzdem keine Ahnung“

Der Erwerb von Wissen (und Fähigkeiten) als Definition des Lernens setzt letzendlich voraus, dass man die gelernten Inhalte versteht. Für die rettungsdienstlichen Ausbildungen (weniger für’s Medizinstudium) ist gerade das Prinzipienverständnis das A und O.

Dementsprechend empfehle ich das Lernen von der Oberfläche in die Tiefe (entsprechend gestalte ich auch meine Ausarbeitungen). Ein Grundverständnis der Thematik ist der erste Fokus beim Lernen, alles weitere baut darauf auf.

Dadurch erhält man wiederum zwei Vorteile:

  • das Lernen ist gerade zu Beginn weniger frustrierend, weil man wesentlich schnellere Lernerfolge sieht und
  • das Lernen von Details fällt leichter, weil man bereits mehr Vorwissen hat, mit denen man das neue Wissen verknüpfen kann

Karteikarten & „45-Minuten-Runde“

Karteikarten. Es gibt wahrscheinlich keinen Lernratgeber, der ohne sie auskommt. Ich hatte mich lange gegen Karteikarten „gewehrt“, spätestens seit der NotSan-Ausbildung (und erst recht im Studium) sind sie zu meiner „Haupt-Lernmethode“ geworden.

Karteikarten kann man klassisch mittels Pencil & Paper als auch digital erstellen – für letzteres sind beispielsweise Anki oder Brainyoo übliche Programme/Apps.

Es ist ein wenig Geschmackssache (und von dem Stoffumfang) abhängig, was man nutzen möchte. Digitale Karteikarten empfinde ich als praktischer (auch, da man mit Single- oder Multiple-Choice-Fragen, Lückentexten und Grafiken arbeiten kann) und spätestens im Studium spricht oft die Stoffmenge schon gegen Papierkarteikarten.

Karteikarten sind mitunter die effektivste, als auch eine der effizientesten Lernmethoden – große Stoffmengen möglichst nachhaltig in kurzer Zeit lernen…geht fast nur mit Karteikarten.

Schon beim Erstellen – das man ebenfalls selbst machen sollte – hat man wieder die aktive Beschäftigung mit dem Thema. Was ist relevant? Was muss auf die Karteikarte drauf?

Vor allem kombinieren Karteikarten den sehr effektiven „Selbsttest“ als Lernstrategie mit der regelmäßigen Wiederholung der Themen, die wir zur Gedächtniskonsolidierung und damit zur Übertragung ins Langzeitgedächtnis brauchen. Typischerweise sind das zwischen 4 und 7 Wiederholungen.

Wie kann man das Lernen mit Karteikarten gestalten?

Ich bin ein sehr großer Fan von kurzen, knackigen Lerneinheiten – die dafür aber auch mehrmals am Tag, wenn es nötig ist. Eine Lerneinheit dauert bei mir maximal 45 Minuten, danach ist erstmal Pause (mind. 15 Minuten) angesagt.

Der Grund ist einfach: nach diesem Zeitraum braucht unser Gehirn erstmal Erholung. Die Aufnahmefähigkeit sinkt sonst ab und das Lernen wird ineffektiv. 45 Minuten konzentriertes Arbeiten ist aus Sicht der pädagogischen Psychologie das Maximum, was sinnvoll möglich ist.

Ob man diese Dreiviertelstunde einem Fach/Thema widmet oder mehrere Fächer/Themen anteilig in dieser Zeit durchgeht, ist Geschmackssache.

Klingt erstmal wenig – wenn man mit zwei bis vier Lerneinheiten pro Tag rechnet, relativiert sich das etwas. Um aber das Wesentliche mal hervorzuheben:

Stundenlange Lernmarathons sind einfach Zeitverschwendung. Punkt.

Und auch wenn Eigenlob sehr unredlich ist, finde ich es beeindruckend, dass (spätestens seit dem Beginn meines Studiums) ich mit meiner Methode nicht nur um Welten entspannter, sondern eigentlich durchgängig erfolgreicher durch die Prüfungen gekommen bin als die Kommilitonen, die sich von morgens bis abends in der Bibliothek verschanken und „lernen“.

Lerngruppen

Eine etwas andere Methode, die nicht im „stillen Kämmerchen“ stattfindet, sind die Lerngruppen.

Lerngruppen sind eine feine Sache – sie sorgen neben der aktiven Auseinandersetzung mit den Themen eben auch für einen meist sehr angenehmen sozialen Aspekt.

Gerade, wenn das Lernen über die Grundlagen hinausgeht, können die Diskussion, der Austausch, das gegenseitige Erklären und Abfragen sowie die Beschäftigung mit anderen Perspektiven nicht nur zu einem effektiven Lernen führen, sondern auch tatsächlich den Horizont erweitern.

Das ist bestenfalls eine sehr umfangreiche Beschäftigung mit dem jeweiligen Thema und wird als weit weniger langweilig empfunden, als das dauerhafte Lernen als Einzelkämpfer.

Eine Lerngruppe kann ich – egal, ob es im RS-Fachlehrgang, der NFS-Ausbildung oder im Studium ist – wirklich empfehlen. Allerdings muss ich auch hinweisen: die Chemie in der Gruppe sollte stimmen, die Gruppe sollte nicht zu groß sein (max. 5 Personen) und man sollte fachlich ähnlich stark sein.

Gedächtnis- und Mnemotechniken

So ein wenig im Trend sind „Gedächtnistechniken“ (Mnemotechniken). Diese haben den Zweck, gerade die Abrufbarkeit der Informationen aus dem Langzeitgedächtnis zu verbessern.

Mnemotechniken beruhen in der Regel auf der Verbindung von reinem Faktenwissen und Bildern, Orten oder Geschichten. Die Fakten werden dadurch auch außerhalb des semantischen Gedächtnisses verknüpft und dadurch leichter zugänglich – und oft benötigt man weniger Wiederholungen, um das Wissen langfristig zu speichern.

Die Techniken können bisweilen sehr einfach sein, so zum Beispiel die in der Medizin recht häufig vorkommenden Merksprüche (wie Onkel Otto und seine Hirnnerven).

Etwas komplexer sind Techniken wie die Loci-Methode. Hierbei wird ein realer oder fiktiver Weg oder Ort genommen, welchen man in Gedanken abgeht und Fakten mit dort befindlichen Gegenständen („Ankerpunkte“) verknüpft. Diese Technik habe ich beispielsweise im Rahmen meines TMS verwendet.

Noch komplexer – und eigentlich eine Erweiterung der Loci-Methode – sind Gedächtnispaläste (Memory Palaces). Ähnlich wie bei der Loci-Methode wird ein Ort mit genügend Ankerpunkten mit Fakten versehen, aber zusätzlich in eine Erzählung, Handlung oder Geschichte mit eingebunden. Diese Methode habe ich zum Beispiel das ein oder andere Mal in Anatomie genutzt.

Die Techniken können zwar durchaus sehr hilfreich sein (und das Lernen wirklich erleichtern) – sie eigenen sich allerdings nicht für jedes Thema gleich gut. Und: sie müssen trainiert werden und kosten durchaus Zeit.

Einen Wermutstropfen gibt es darüber hinaus: so ein wenig Kreativität ist bei vielen Mnemotechniken einfach vonnöten. Wer die Vorstellungskraft eines Baumstamms hat, wird mit dieser Lernmethode vermutlich nicht glücklich werden.

Lernen, ohne zu lernen

Lernen, ohne eigentlich zu lernen – wer möchte das nicht?

Die Grundlage hierfür ist die Beschäftigung mit den Lerninhalten, ohne das Lernen selbst zum Ziel zu haben. Man beschäftigt sich mit anderen Dingen, die die Nutzung von (meist schon gelernten) Themen beinhaltet.

Das können Diskussionen auf der Rettungswache oder mit Kommilitonen sein, oder oder oder…

Oder, wie in meinem Falle: Beiträge wie dieser.

Letztendlich musste ich hierfür gedanklich meine Lerntechniken, Erfolge, Misserfolge seit der Schulzeit durchgehen, überlegen, was davon relevant ist und was ich anderen raten würde; die „Lerntheorie“ aus Psychologie-Soziologie wieder herausholen, Sachen nachschlagen, Recherchieren und das alles halbwegs zielführend strukturieren.

Auch das ist Lernen – ohne eigentlich zu lernen – hier in Form eines Hobbys. Das funktioniert recht gut, um das Wissen zu vertiefen und Wissen langfristig zu erhalten („Nicht genutztes Wissen verfällt“) – zum grundlegenden Erwerb neuen Wissen taugt es nur eingeschränkt.

Der Lernerfolg ist hier nicht planbar und meist geringer als beim „eigentlichen“ Lernen – aber es soll für den ein oder anderen einfach eine Anregung sein, dass Lernen nicht zwangsläufig mühseliges „vor den Büchern hocken“ sein muss.

Interessenkonflikte

Der Autor gibt an, dass es sich bei den verlinkten Büchern um Affiliate-Links handelt. Es entstehen keine zusätzlichen Kosten bei der Bestellung über den Link. Eine Einflussnahme bei der Auswahl der Literatur ist dadurch nicht erfolgt. Siehe auch: Hinweise zu Affiliate-Links.

Der Autor gibt an, dass keine Interessenkonflikte bestehen.

Quellen

AMBOSS (2023): Limbisches System und Gedächtnis, Stand 22.11.2023, abgerufen unter https://next.amboss.com/de/article/U60b4S?q=ged%C3%A4chtnis#Z834cd450a7f1ece43162d8d994bd9e5c am 19.02.2024

AOK (2021): Prokrastination: 15 Tipps gegen das ständige Aufschieben, abgerufen unter https://www.aok.de/pk/magazin/wohlbefinden/motivation/wie-sie-sich-vom-prokrastinieren-verabschieden/ am 18.02.2024

Faller H., Lang H. (2019): Medizinische Psychologie und Soziologie, 5. überarbeitete Auflage. Springer-Verlag Berlin. ISBN: ‎978-3-662-57971-8. DOI: 10.1007/978-3-662-57972-5. Hier erhältlich: https://amzn.to/3OJLQT2 Affiliate-Link

Karrierebibel (2020): Lerntypentest – Welcher Lerntyp bin ich?, abgerufen unter https://karrierebibel.de/lerntypentest/ am 18.02.2024

Lernquadrat (2024): Lernturbos und Lernkiller, abgerufen unter https://www.lernquadrat.at/fileadmin/LernQuadrat/Dokumente/Lerntipps/broschuere-lernturbos-lernkiller-lernquadrat.pdf am 18.02.2024

Pluntke S. (2021): Der Praxisanleiter im Rettungsdienst, 2. Auflage. Springer-Verlag GmbH, Berlin. ISBN 978-3-662-62461-6. Hier erhältlich: https://amzn.to/3T3tOgY Affiliate-Link

viamedici (2023): Gedächtnis (Stand 12.10.2023). Lernmodul in viamedici.thieme.de. ©2024 Georg Thieme Verlag KG. Abgerufen unter https://viamedici.thieme.de/lernmodul/552299/538787/ged%C3%A4chtnis am 17.02.2024

viamedici (2023): Lernmodelle und Kognition: Überblick (Stand 11.10.2023). Lernmodul in viamedici.thieme.de. ©2024 Georg Thieme Verlag KG. Abgerufen unter https://viamedici.thieme.de/lernmodul/552254/538786/lernmodelle+und+kognition+%C3%BCberblick am 18.02.2024

Westsächsiche Hochschule Zwickau (2024): Übersicht zu Lerntechniken und Lernmethoden, abgerufen unter https://www.fh-zwickau.de/hochschule/service/hochschuldidaktik/studierkompetenz/lerntechniken/ am 19.02.2024

Wild E., Möller J. (2020): Pädagogische Psychologie, 3. Auflage. Springer-Verlag GmbH. ISBN ISBN 978-3-662-61402-0. DOI 10.1007/978-3-662-61403-7. Hier erhältlich: https://amzn.to/3OJMO1C Affiliate-Link

YouTube (2024): HappyHippocampus, abgerufen unter https://www.youtube.com/@HappyHippocampus am 19.02.2024

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Über SaniOnTheRoad

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SaniOnTheRoad

Notfallsanitäter, Teamleiter und Administrator des Blogs. Vom FSJler über Ausbildung bis zum Haupt- und Ehrenamt im Regelrettungsdienst und Katastrophenschutz so ziemlich den klassischen Werdegang durchlaufen. Mittlerweile beruflich qualifizierter Medizinstudent im vorklinischen Abschnitt. Meine Schwerpunkte liegen auf Ausbildungs- und Karrierethemen, der Unterstützung von Neueinsteigern, leitliniengerechten Arbeiten sowie Physiologie, Pathophysiologie, Pharmakologie und EKG für den Rettungsdienst. Mehr über mich hier.


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