COVID-19 – Arbeit zwischen Unbehagen, Unvernunft und Unverständnis

Rettungsdienst aktuell – Themen die den Rettungsdienst, seine Mitarbeiter und Interessierte beschäftigen. Von leitliniengerechter Arbeit bis zur gesellschaftskritischen Diskussion.

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Die Lage hat sich seit dem Frühjahr doch massiv geändert – wir haben täglich Neuinfektionen im fünfstelligen Bereich, täglich zwischen 500 – 1000 Todesfälle und nun doch einen „harten Lockdown“.

Das Arbeitsleben hat sich ebenfalls massiv geändert – wo einst vereinzelte (Verdachts-)Fälle im KTW transportiert wurden, sind mittlerweile Reihen- und Sammeltransporte gesicherter Positivfälle die Regel. Wo einst die pneumologische Station der Maximalversorger einziger Ansprechpartner war, sind mittlerweile fast ganze Krankenhäuser zur Heimat von COVID-Patienten geworden.

Mittlerweile sind auch RTW- und NAW-Verlegungen keine Seltenheit mehr – die Lage ist angespannt, die Stimmung gereizt.

Unbehagen

Man fühlt sich schlicht und ergreifend unwohl, je nachdem, welche Einsatzmeldung kommt – zu oft haben sich vermeintlich harmlose Meldungen doch als Verdachtsfälle entpuppt und zu oft waren diese positiv. Man befürchtet bei jedem Einsatz, erstmal unbemerkt ins Messer zu laufen – FFP2-Maske ist Standard, Vollschutz nicht.

Mittlerweile weiß man, wie „schlecht“ COVID-Patienten werden können – eine Sättigung im 70%igen Bereich und zum Teil massive Atemnot lassen eigentlich keine Zweifel an der Gefährlichkeit. Und nein, es sind eben nicht nur Alte und Kranke betroffen. Wenn urplötzlich gesunde Dreißigjährige beatmungspflichtig auf der Intensivstation landen, macht man sich schon seine Gedanken.

Man weiß um die Langzeitfolgen, die auch ein klinisch milder Verlauf mit sich bringen kann. Das Thema ist allgegenwärtig, man kann sich ihm gar nicht entziehen – und trotzdem versuchen es manche.

Viele kennen Leute, die infiziert wurden, aus dem Familien-, Bekannten- und Kollegenkreis stammen. Einige kennen auch Leute, die an COVID-19 verstorben sind. Kurzum:

„Die Einschläge kommen näher“

und das kann man schlicht nicht verleugnen. Seit einigen Wochen ist jeder Einsatz einfach mit einer deutlich erhöhten Grundangespanntheit verbunden.

Unvernunft

Trotz der mehr als alarmierenden Situation gibt es immer noch (zu) viele Menschen, die den Ernst der Lage verkennen.

Da sind zum einen diejenigen, die glauben, dass das Tragen einer Maske für 30 Minuten beim Einkaufen sie umbringt, über diejenigen, die wegen der wirtschaftlichen Lage Schutzvorkehrungen ablehnen bis hin zu den Verschwörungsideologen, die sich ihre eigene Realität kreieren,

Trotz hunderten unnötigen Toten täglich wird von einigen Personenkreisen – gerne unter Zuhilfenahme von rechten Kräften – eine Coronadiktatur skandiert. Tja, für all diejenigen, die im Sozialkundeunterricht immer nur Kreide holen waren: in einer Diktatur würde es euch schlicht nicht geben – ihr wärt entweder niedergeknüppelt, mundtot oder im Gefängnis. Stattdessen könnt ihr ziemlich frei eure sinnfreie, weil falsche, Meinung äußern und verbreiten.

Auch wenn man jede Schutzmaßnahme mit AHA+L+C stark vereinfachen kann, scheinen zu viele Menschen damit überfordert. Noch immer gibt es Menschen, die keine Vorstellung von den Ausmaßen von 1,50 m haben, Händehygiene für Hexerei halten oder einen Mund-Nasen-Schutz sonstwie im Gesicht tragen. Obwohl eine Studie mittlerweile herausgefunden hat, dass die Nasenlöcher tatsächlich eine Verbindung zur Lunge haben…

Es werden lauthals „Wahrheiten“, welche quasi jede Erkenntnis der modernen Medizin und des evidenzbasierten wissenschaftlichen Arbeitens ad acta legen.

Unverständnis

Ehrlich – auch wenn sich definitiv viele Menschen nicht angesprochen fühlen müssen, bei vielen anderen kann man schlicht und ergreifend nur noch mit dem Kopf schütteln. Ich frage mich, ob die Zahl der HWS-Schleudertraumata im Jahre 2020 über dem bundesweiten Durchschnitt der vorherigen Jahre liegt. Narkosearzt unterwegs und die pin-up-docs haben dazu sehr schöne Beiträge geliefert.

Und ich muss ehrlich sagen – Achtung, persönliche Meinung – bei vielen Punkten hört nach der Akzeptanz auch meine Toleranz auf. Nein, man muss nicht jede „Meinung“ oder „Wahrheit“ der Alumni der YouTube-Universitäten und der wissenschaftlichen Gremien von Facebook, Twitter, Telegram und Co. tolerieren. Man muss offen sagen, dass Bullshit Bullshit ist. Man muss offen sagen, dass Leute, die Epidemiologie nicht mal korrekt buchstabieren können, vielleicht nicht gerade besonders qualifiziert für die Interpretation wissenschaftlicher Studien sind.

Und dass der Volksschulabsolvent Karl-Heinz, der sein Leben lang als Bauhilfsarbeiter ohne Ausbildung gearbeitet hat, nicht durch die „Schule des Lebens“ auf einmal zur Professur in der Virologie berufen ist…

Es schockiert mich, für wie viele Menschen die heutige Welt zu komplex geworden ist, um logische und nachprüfbare Zusammenhänge zu verstehen. Das sind erstaunlicherweile diejenigen, die sich gerne ihre eigene Logik aufbauen.

Das Problem sind nicht diejenigen, die sich vernünftig und umsichtig verhalten – das Problem sind Hetzer und Leugner, die mit bekennenden Demokratiefeinden Seit an Seit marschieren und rechte Parolen zumindest tolerieren. Querdenker, die viel tun, außer zu denken. Und die vielen Verunsicherten, die sich von den unqualifizierten, aber lauten Schreiern beeinflussen lassen.

Noch im Frühjahr wurde nach einer Impfung geschrieen: nun steht sie vor der Tür, und nur die Hälfte der Bevölkerung will sie. Kopfschütteln.

„Es sollen sich alle Impfen lassen – ich warte aber noch“

ist ein Konzept, welches nicht funktioniert. Es liegt an jedem selbst, etwas für die Eindämmung der Pandemie zu tun. Und ein wesentlicher Schritt wäre eine Impfung, ganz ohne Chips von Bill Gates und Co. – und zwar möglichst flächendeckend.

Das Impfen war in der Vergangenheit und ist immer noch die Präventionsmaßnahme mit dem besten Risiko-Nutzen- und besten Kosten-Nutzen-Verhältnis. Die Bevölkerung muss dafür aber erstmal wieder ernsthaft wachgerüttelt werden und die allgemeine Impfmüdigkeit ablehnen.

Meine persönliche Meinung: man soll tatsächlich kritisch denken und überprüfen – allerdings entsprechend wissenschaftlicher Standards, und nicht sinnfreien Schwurblern hinterherrennen.

Im Prinzip ist jeder, der sich an

nicht hält, einer derjenigen, der sich für viele Tote mitverantwortlich macht.

„Nice to know“

Deutscher Ethikrat (2020): Wie soll der Zugang zu einem COVID-19-Impfstoff geregelt werden?, abgerufen unter https://www.ethikrat.org/fileadmin/Publikationen/Ad-hoc-Empfehlungen/deutsch/gemeinsames-positionspapier-stiko-der-leopoldina-impfstoffpriorisierung.pdf am 16.12.2020

Katchanov J. (2020): Sonder-NERDfacts: Impfen!, abgerufen unter https://nerdfallmedizin.blog/2020/12/09/sonder-nerdfacts-impfen/ am 16.12.2020

Polack et al. (2020): Safety and Efficacy of the BNT162b2 mRNA Covid-19 Vaccine, N ENGL J MED 2020, abgerufen unter https://www.nejm.org/doi/pdf/10.1056/NEJMoa2034577?articleTools=true am 16.12.2020. DOI: 10.1056/NEJMoa2034577

Robert-Koch-Institut (2020): Nationale Impfstrategie COVID-19, Stand 06.11.2020, abgerufen unter https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/ImpfungenAZ/COVID-19/Impfstrategie_Covid19_Ueberblick.pdf?__blob=publicationFile am 16.12.2020

Robert-Koch-Institut (2020): COVID-19 und Impfen: Antworten auf häufig gestellte Fragen (FAQ), Stand 15.12.2020, abgerufen unter https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/COVID-Impfen/gesamt.html am 16.12.2020

Quellen

Narkosearzt unterwegs (2020): CORONAIMPFUNG? JA! ÄH NEIN, ICH MEIN… JEIN., abgerufen unter https://narkosearzt.wordpress.com/2020/12/11/coronaimpfungja-aeh-nein-ich-mein-jein/ am 16.12.2020

pin-up-docs – don’t panic (2020): Sonderfolge – DANMASK 19 mit Felix Lorang, abgerufen unter http://pin-up-docs.de/2020/12/13/danmask/ am 16.12.2020

Sand R. (2020): Study Confirms Nose Holes Connect to Lungs, abgerufen unter https://medium.com/muddyum/study-confirms-nose-holes-connect-to-lungs-f8117bcd8c52 am 16.12.2020

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Über SaniOnTheRoad

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SaniOnTheRoad

Notfallsanitäter, Teamleiter und Administrator des Blogs. Vom FSJler über Ausbildung bis zum Haupt- und Ehrenamt im Regelrettungsdienst und Katastrophenschutz so ziemlich den klassischen Werdegang durchlaufen. Mittlerweile beruflich qualifizierter Medizinstudent im vorklinischen Abschnitt. Meine Schwerpunkte liegen auf Ausbildungs- und Karrierethemen, der Unterstützung von Neueinsteigern, leitliniengerechten Arbeiten sowie Physiologie, Pathophysiologie, Pharmakologie und EKG für den Rettungsdienst. Mehr über mich hier.

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