„Nicht labern, machen!“

close up photo of screaming man

Bei „Aus dem Pflaster-Laster“ berichte ich von Einsätzen, dem Alltag auf der Rettungswache und von aktuellen Themen – von purer Routine bis zum Drama. Am Ende ziehe ich mein Fazit der Einsätze und zeige auf, was gut lief und was besser laufen könnte. Namen von Patienten, Orten und Kollegen lasse ich selbstverständlich aus.

Well, that escalated quickly…

Es gab und gibt tatsächlich erstaunlich wenige Einsätze, aus denen ich richtig unzufrieden herausgehe – selbst dann, wenn Fehler gemacht wurden oder es einfach nicht so wirklich „rund“ lief. An diesem Tag sollte es aber einer dieser Einsätze werden.

Und, zugegeben, an diesem hatte ich durchaus zu knabbern – obwohl es objektiv eher wenig Grund für mich dazu gab. Aber: der Reihe nach.

Einsatzdaten

Einsatzmeldung: VU – Motorrad.

Alarmierte Fahrzeuge: RTW + RTH, mit Sonder-/Wegerechte.


Es war schon der vierte Einsatz für uns an diesem Tag und wir hatten ein recht wildes Potpourri von internistisch über chirurgisch bis zum Kindernotfall. Eine Pause hatten wir bis dato noch nicht und auch dieser Einsatz versprach wenig Entspannung.

Wir waren auf der Autobahn auf dem Rückweg vom letzten Einsatz, als uns die Einsatzmeldung erreichte. Es ging mitten in die Peripherie, rund 15 Minuten Anfahrt. Kurz nach der Alarmierung dann die Meldung

„Im Moment ist kein RTH verfügbar, NEF kommt bodengebunden zu Ihnen“

Okay, erstmal kein Problem.

Ich bin mit einem zweiten Notfallsanitäter – seines Zeichens angehender Praxisanleiter – unterwegs und wir besprechen die Einsatzmodalitäten und setzen unsere Praktikantin (die ihren letzten Tag des Wachenpraktikums hat) so gut es geht in Kenntnis.

Mögliche Situationen werden besprochen und die Aufgabenverteilung. Alles recht entspannt.

Scene – Safety – Situation

Scene: Sommer, Nachmittag, ca. 15:00 Uhr, warm, Landstraße.

Safety: keine augenscheinlichen Gefahren, Verkehr steht, Polizei bereits vor Ort.

Situation: Der Patient (ca. 70 Jahre) liegt unmittelbar neben der Straße auf dem Boden, ein Polizist führt eine manuelle Inline-Stabilisierung durch, der Helm wurde bereits abgenommen. Der Patient sei mit dem Motorrad von der Straße abgekommen, hat einen Leitpfosten erwischt und sei daraufhin gestürzt.

Der Patient hat augenscheinlich starke Schmerzen, er ist bewusstseinsgetrübt und eine Eigenanamnese ist kaum möglich. Wir entscheiden uns für ein

Ersteinschätzung

Kritisch.

und starten in das Primary Survey, während der Polizist weiterhin am Kopf bleibt.

xABCDE

x – Exsanguination

Keine starke äußere Blutung.

A – Airway

Atemwege frei, Mundschleimhäute feucht, blass, Lippenyanose.

B – Breathing

Atemfrequenz 28/min, Thorax links instabil, paradoxe Atmung links, links deutlich absgeschwächtes Atemgeräusch, rechts vesikuläres Atemgeräusch, keine Halsvenenstauung, deutliche Dyspnoe. SpO2 85 %.

C – Circulation

Haut rosig, warm, schweißig, keine stehenden Hautfalten; Rekapillarisierungszeit ca. 2 Sekunden, periphere Pulse schlecht tastbar; Abdomen weich, keine Abwehrspannung, Schmerzen im Beckenbereich. Keine Angina pectoris-Beschwerden. RR 110/60 mmHg. EKG: Sinustachykardie, HF 130/min.

D – Disability

GCS 12, Orientierung nicht überprüfbar, Pupillen isokor, mittelweit, verzögerte Lichtreaktion; quick-FAST nicht durchführbar, pDMS nicht kontrollierbar, BZ 111 mg/dl. Der Patient ist unruhig.

E – Exposure/Environment

Atemabhängiger Thoraxschmerz, Kopfschmerzen, Schmerzen im Beckenbereich, nicht weiter konkretisierbar. Prellmarken an der Stirn, instabiler Thorax linksseitig mit V.a. Rippenserienfraktur, diverse Schürfwunden an den Extremitäten. Temp. 36,4°C.

Wir kommen schon während des Primary Survey zur Einschätzung

Einschätzung

Kritisch.

Der Patient erhielt eine großzügige Sauerstofftherapie (15 l/min über Maske) woraufhin sie Sauerstoffsättigung auf 90 % anstieg, zudem erhielt er einen i.v.-Zugang (17 G) am linken Unterarm. Noch bevor wir mit unserem Primary Survey fertig waren, traf auch der Notarzt ein.

…und das Chaos beginnt

Es gibt eine „fliegende Übergabe“ meinerseits, während Praktikantin und Kollege – der den Einsatz führt – weiter am Patienten arbeiten.

Es beginnt mit einem

„Warum ist noch nichts vorbereitet?“

seitens des Notarztes. Wir sind erstmal verdutzt – seit unserem Eintreffen sind keine vier Minuten vergangen, inklusive Überblick verschaffen, Primary Survey und der Basisversorgung. Aber gut.

Prompt ging es dann mit maschinengewehrartigen Anweisungen weiter…

„Beckenschlinge! Schaufeltrage! Vakuummatratze! Jetzt!“

– und leider waren die Anweisungen auch genauso konkret, wie ich sie wiedergebe. Nachfragen wurden abgetan oder ignoriert. Also begannen wir schließlich irgendwie an der Erfüllung der Anweisungen zu arbeiten – der NEF-Fahrer war mit dem Aufziehen der Medikamente und der Vorbereitung der Intubation beschäftigt, mein Kollege und die Praktikantin sind mit Trage und Immobilisationsmaterial beschäftigt, ich kümmere mich um die Beckenschlinge und der Polizist spielt weiter munter das Eichhörnchen und „hält die Nuss„.

Der Patientenzustand ist derweil unverändert – Sättigung stabil um die 90 % bei 15 l/min Sauerstoff, Herzfrequenz nun bei etwa 120/min, periphere Pulse etwas besser tastbar.

Als ich mit meinem Kollegen kurz die Aufgabenverteilung besprechen will und mit „Ich hole die Traumatasche“ zumindest mal meinen Part kommuniziere, kommt vom Notarzt nur ein barsches

„Lass‘ die verdammte Traumatasche, ich will eine Beckenschlinge!“

Blöd nur, dass die Beckenschlingen bei uns in der Traumatasche verlastet sind. Und zwar nur in der Traumatasche. Angesichts dieser widersprüchlichen Anweisung denke ich mir zum ersten Mal „Was geht denn hier ab?“ und ignoriere die Anweisung, um zehn Sekunden später mit der Beckenschlinge neben dem Notarzt zu stehen.

„Beckenschlinge direkt anlegen oder erst auf der Vakuummatratze?“

„Auf der Vakuummatratze natürlich! Umlagern“

Während dem Umlagern hatte dann mein Kollege die Laune des Notarztes abbekommen, die Vakuummatratze haben wir nur grob zugemacht, dann ging es auch schon in den RTW. Ich habe das restliche Material einfach nur grob zusammengesucht und ins Auto geworfen, dann ging es auch schon weiter. Der Notarzt beschloss, auch mit längerer Wartezeit einen RTH anzufordern – schließlich waren wir mitten auf dem „platten Land“.

Mein Kollege kümmerte sich um das Monitoring, ich mich um das Entkleiden, dann machten wir die Beckenschlinge zu, Notarzt und NEF-Fahrer waren mit der Intubation beschäftigt und die Praktikantin versuchte einigermaßen hilflos, irgendwo anzupacken.

Nach der Intubation sollte dann auch prompt die Thoraxdrainage erfolgen, eine vorherige Entlastungspunktion wurde nicht durchgeführt – und auch nicht angesprochen. Ich machte mich an das Richten, nur um festzustellen: zwei von drei Modultaschen, die wir brauchen, fehlen.

Rückmeldung an den Notarzt. Keine Reaktion. Nochmal. Keine Reaktion.

„Wo ist die Thoraxdrainage?“

Letztendlich hat sich der NEF-Fahrer erbarmt, das Thoraxdrainageset aus dem NEF geholt und mir beim Richten geholfen, während mein Kollege einen zweiten i.v.-Zugang am rechten Arm gelegt hat.

Patientenzustand

Intubiert und beatmet ohne PEEP, Frequenz 12/min, SpO2 97 % mit FiO2 1,0, RR 110/70 mmHg nach 1 ml Akrinor.

Schaut insofern also gar nicht so schlecht aus.

Nachdem die Thoraxdrainage fertig gerichtet war, machte sich der Notarzt – kontinuierlich weiter fluchend – ans Werk. Desinfektion, Abdecken, Schnitt, Präparieren, Pleura eröffnen, Drainage vorschieben, nähen, abdecken, Erfolgskontrolle. Bei dem munteren Treiben beschlossen wir, die Praktikanten mal außen vor zu lassen, um etwas mehr Platz zu gewinnen.

Irgendwann fiel auch der Satz

„Ich schreibe keine Stellungnahme, wenn der Patient stirbt!“

Spätestens jetzt hatte der Notarzt jede Form der Professionalität abgelegt – und ich jeden guten Willen. Zumal es für diese Aussage bei einem mittlerweile halbwegs stabilen und versorgten Patienten keinen Grund gab.

Unsere Praktikantin wirft in einem ruhigen Moment einen Blick in den RTW und präsentiert uns die zwei fehlenden Modultaschen für die Thoraxdrainage. Die haben unbeiirt noch auf der Straße gelegen und ich hatte sie beim hastigen Einpacken nicht gesehen.

Nach endlich langer Wartezeit kam auch der RTH an – Übergabe an den Hubschrauberdoc in einer maximal freundlichen Art und Weise. Ich dachte, ich falle vom Glauben ab. Gemeinsam entschieden sie sich, für den Flug nun doch auch auf der rechten Seite eine Thoraxdrainage zu legen. Total unkompliziert, entspannt, freundlich.

Wir verbringen den Patienten mit der Trage an den RTH, nur um beim Drehen der Fahrtrage den Satz zu hören

„Macht doch einfach!“

als wir uns absprechen wollen, um unseren Notarzt nicht umzufahren. Beim Herablassen der Trage ebenfalls der Versuch der Absprache mit meinem Kollegen, dann der verheißungsvolle Satz des Notarztes

Nicht labern, machen!

Ich war heilfroh, dass der Patient übergeben wurde und dieser Einsatz ein Ende hatte. Eine Einsatznachbesprechung hat der Notarzt nicht angefordert – und er ist am Ende kommentarlos gefahren, wir blieben mit den beiden Polizisten und unserer Praktikantin an der Einsatzstelle zurück und machten uns mal an das grobe Aufräumen…

Ein kleines Follow-up

Wir waren uns ziemlich schnell einig, dass dieser Einsatz murks war. Er war maximal schlecht gelaufen – obwohl der Patient am Ende alles hatte, was er brauchte. Die Unzufriedenheit stand meinem Kollegen und mir förmlich ins Gesicht geschrieben.

Pause. Durchatmen. Dass wir unzufrieden waren, fiel definitiv auf – der Polizist, der unseren „Kopfhelfer“ gespielt hat, stelle von sich aus fest

„Das wurde ganz schön hektisch und unstrukturiert, als der Notarzt auftauchte“

Wir kommen ins Gespräch und stellen fest, dass der Kollege in Blau selbst seine Erfahrungen im Rettungsdienst gesammelt hat und dementsprechend auch gehandelt hat – wir bedanken uns jedenfalls für die sehr gut geleisteten EH-Maßnahmen und die Untersützung beim Einsatz.

Von unserer Praktikantin kam die schlichte Feststellung

„Ich bewundere euch, dass ihr so ruhig geblieben seid“

Innerlich kochte ich allerdings. Was war denn das für eine Aktion? Wir begannen, den Einsatz auseinanderzutüfteln. Es lief ziemlich entspannt – und keinesfalls „langsam“ – bis der Notarzt auftauchte.

Wir brauchen nicht zu diskutieren, dass unsererseits Fehler gemacht wurden – im Sinne des CRM stellten wir uns allerdings die Frage nach dem „Warum?„.

Es war auf einen Schlag die aufgebaute Arbeitsstruktur weg – was prinzipiell kompensierbar ist. Es war allerdings auch auf einem Schlag jegliche Aufgabenverteilung weg und unserer sonst wie ein Zahnrad ineinandergreifenden Kommunikation wurde – ich kann es nicht anders ausdrücken – ein Bordsteinkick verpasst. Die Führung wurde meinem Kollegen zwar „abgenommen“, aber geführt wurde nicht.

Daraus resultiert noch nicht zwangsläufig ein Problem. Das kam letztendlich erst im Verlauf auf: de facto nicht erfüllbare Anforderungen und ein enormer postulierter Handlungs- und Zeitdruck.

Am Ende waren das unseres bzw. meines Erachtens die ausschlaggebenden Faktoren, die in dieser Nicht-Routinesituation zu Fehlern geführt haben. Und ein Fehler hat irgendwann den nächsten Fehler getriggert – was zu wesentlich mehr Verzögerungen geführt hat, als eine saubere Abarbeitung in Ruhe je gekostet hätte. Und ein „Ausbrechen“ aus dem Fehlerkreis war nicht mehr möglich, da jegliches CRM und Kommunikation unterbunden wurde. Zum größten Teil wusste ich nicht, was der Rest des Teams gemacht hatte – der Überblick war letztendlich nicht mehr vorhanden.

Schließlich herrschte nur noch Chaos, Hektik und Fehlerkorrekturen – und eine absolut miserable, gereizte Grundstimmung.

Und die Frage ist hier auch ein: wozu?

Den Zeit- und Handlungsdruck des Notarztes konnte ich in dieser Form weder im Einsatz, noch retrospektiv betrachtet wirklich sinnvoll nachvollziehen.

Wir hatten zweifellos ein Polytrauma, wir hatten zweifellos einen zeitkritischen Patienten – wir hatten allerdings auch absolut keinen Grund zur Hektik.

Zur Betrachtung: der Patient lag de facto 15 Minuten unversorgt auf der Straße, er war bei Eintreffen „nicht kurz vor’m ausgehen„, es gab keinerlei Verschlechterung während der Erstversorgung und schon die Basismaßnahmen hatten zu einer deutlichen Zustandsverbesserung geführt. Dass „eine halbe Minute“ hier einen Unterschied gemacht hätte, unterschreibe ich eindeutig nicht.

Insofern muss man auch die angenommene Arbeitdiagnose des Spannungspneumothorax als führendes Verletzungsmuster zumindest mit Vorsicht genießen.

Und wenn man die Handlungsdringlichkeit, die der Notarzt eingefordert hat, als tatsächliches Maß der Notwendigkeit nimmt, wäre die Versorgung auch wider die geltenden Leitlinien gewesen:

„Die Verdachtsdiagnose Spannungspneumothorax sollte gestellt werden bei einseitig fehlendem Atemgeräusch bei der Auskultation der Lunge (nach Kontrolle der korrekten Tubuslage) und dem zusätzlichen Vorliegen von typischen Symptomen, insbesondere einer schweren respiratorischen oder zirkulatorischen Störung.“

– S3-Leitlinie Polytrauma/Schwerverletzten-Versorgung

Eine „schwere respiratorische Störung“ kann man angesichts einer SpO2 von 97 % nach der Intubation ohne vorherige Entlastung zumindest mal zur Debatte stellen, eine schwere zirkulatorische Störung lag nicht vor – hier war lediglich die Tachykardie (die auch genauso gut schmerzinduziert gewesen sein kann) führend.

„Ein klinisch vermuteter Spannungspneumothorax soll umgehend dekomprimiert werden.“

– S3-Leitlinie Polytrauma/Schwerverletzten-Versorgung

Und spätestens hier wäre man raus aus dem leitliniengerechten Arbeiten – es wurde nämlich noch alles mögliche weitere gemacht, von Umlagern über Entkleiden über Beckenschlinge über die Intubation, bis dann die Entlastung mittels Thorakotomie und Thoraxdrainage erfolgte.

Wenn man den Weg „Spannungspneumothorax“ korrekt gehen will, wäre die Entlastungspunktion – und zwar sofort, vor allen anderen Maßnahmen – die Variante der Wahl gewesen und sie hätte einfach „Zeit zum Handeln“ verschafft. Nicht die Thoraxdrainage nach einer Viertelstunde Versorgung vor Ort.


Auch die spätere Besprechung mit anderen Kollegen und anderen Notärzten zeichnete ein eindeutiges Bild: so hätte der Einsatz nicht ablaufen dürfen.

Von „Der Notarzt hatte selbst Stress“ über „Er wollte unbedingt ein Schulterklopfen vom Hubschraubernotarzt“ bis zu „einfach schlechter Stil“ war ziemlich viel dabei.

Nichtsdestotrotz finde ich das Verhalten bis heute fragwürdig und die zweifellos auch sehr persönliche Kritik – die sich mit etwas mehr Distanz zum Geschehen auch jeder Grundlage entbehrt – hat mich durchaus getroffen.

Fazit

Was fand ich gut?

  • sehr gute Ersthelfermaßnahmen durch den Polizisten und Unterstützung im Einsatzverlauf
  • am Ende wurde ein vollständig versorgter Patient übergeben

Was fand ich nicht gut?

  • Crew Resource Management-Grundsätze wurden vorsätzlich missachtet – dies führte letztendlich zu unnötigen Stress, Hektik und absolut vermeidbaren Fehlern; eine Führung im eigentlichen Sinne fand nicht statt
  • Kommunikation – die Teamkommunikation wurde bewusst unterbunden und damit ein Ausbrechen aus dem Fehlerkreislauf unmöglich gemacht; Anweisungen waren unklar oder gar widersprüchlich; eine Einsatznachbesprechung gab es nicht
  • Struktur – eine sinnvolle Struktur fehlte ab einem gewissen Zeitpunkt völlig, dementsprechend fragwürdig erscheint rückblickend auch das Vorgehen

Was ist mir wichtig? – Take-home-Message

Dieser Einsatz ist mit Abstand einer der schlechtesten, die ich jemals erlebt habe – und er ist mein Nummer-1-Beispiel, wenn Azubis das Thema „CRM“ oder „Kommunikation“ haben. Und es ist auch tatsächlich einer der wenigen Einsätze, die ich auch nach Dienstende noch im Kopf hatte.

Dieser Einsatz lässt sich eigentlich nur mit dem Wort „Katastrophe“ umschreiben – auch wenn am medizinischen Ende des Einsatzes ein stabiler und umfassend versorgter Patient stand.

Schlecht lief es nicht wegen dem medizinischen, sondern wegen unglaublich schlechten CRM und fehlender Kommunikation – und jeder Versuch unsererseits, irgendwie wieder dorthin zu kommen, schlug fehl.

Das Fehlerpotential in einer solchen Situation, in der schlichtweg keine Routine besteht (Anmerkung: es war tatsächlich nach einigen Jahren im Hauptamt die erste Thoraxdrainage, die ich in der Präklinik gesehen habe), ist enorm und kann schwerwiegende Folgen für den Patienten haben – und ihm im Zweifelsfall das Leben kosten.

Dieser Brisanz muss sich jeder, unabhängig von der Qualifikation, unabhängig von der Erfahrung, bewusst sein.

Crew Resource Management muss gelebt werden, Kommunikation muss laufen wie ein Uhrwerk – und man sollte keinesfalls leichtfertig auf strukturiertes und vor allem leitliniengerechtes Arbeiten verzichten.

Die Situation zeigt auch, dass Einsätze nicht unbedingt wegen einem „schlimm zugerichteten Patienten“ belastend sein müssen – sondern auch die Gesamtumstände dazu beitragen oder selbst die Ursache sein können.

In diesem Falle sollte man das Gespräch mit Kollegen und Vertrauenspersonen suchen und die Situation aufarbeiten – so wie wir es in Form von Feedback getan haben. Psychohygiene ist unglaublich wichtig, wenn man nicht selbst zum Patient werden will.

Abschließend: fordert eine Einsatznachbesprechung ein – auch, wenn von dem Höchstqualifizierten nichts kommt, auch wenn die Situation angespannt und die Laune schlecht ist. Rückblickend ärgere ich mich darüber, dass ich es nicht getan habe.

Interessenkonflikte

Der Autor gibt an, dass keine Interessenkonflikte bestehen.

Quellen

Böhmer R., Schneider T., Wolcke B. (2020): Taschenatlas Rettungsdienst, 11. Auflage. Böhmer & Mundloch Verlag, Mainz. ISBN 978-3-948320-00-3. Hier erhältlich: https://amzn.to/3I9E1Ap

Deutscher Berufsverband Rettungsdienst e.V. (2022): Musteralgorithmen 2022 zur Umsetzung des Pyramidenprozesses im Rahmen des NotSanG, Version 7.1, abgerufen unter https://www.dbrd.de/images/algorithmen/DBRGAlgo0522_Web1.pdf am 19.06.2022

Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (2016): S3-Leitlinie Polytrauma/Schwerverletzten-Behandlung, AMWF-Registernummer 012/019, abgerufen unter https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/012-019l_S3_Polytrauma_Schwerverletzten-Behandlung_2017-08.pdf am 19.06.2022

Luxem J., Runggaldier K., Karutz H., Flake F. (2020): Notfallsanitäter Heute, 7. Auflage. Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH, München. ISBN 978-3437462115. Hier erhältlich: https://amzn.to/3s8KEh5

SaniOnTheRoad (2022): Kommunikation im Rettungsdienst, abgerufen unter https://saniontheroad.com/kommunikation-im-rettungsdienst/ am 19.06.2022

SaniOnTheRoad (2022): CRM im Rettungsdienst, abgerufen unter https://saniontheroad.com/crm-im-rettungsdienst/ am 19.06.2022

SaniOnTheRoad (2019): „Kleines 1×1 des Rettungsdienstes“ – Teil 12: Strukturiertes Arbeiten und Schemata im Rettungsdienst, abgerufen unter https://saniontheroad.com/kleines-1×1-des-rettungsdienstes-teil-12/ am 24.05.2022

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Über SaniOnTheRoad

„Nicht labern, machen!“

SaniOnTheRoad

Notfallsanitäter, Teamleiter und Administrator des Blogs. Vom FSJler über Ausbildung bis zum Haupt- und Ehrenamt im Regelrettungsdienst und Katastrophenschutz so ziemlich den klassischen Werdegang durchlaufen. Mittlerweile beruflich qualifizierter Medizinstudent im vorklinischen Abschnitt. Meine Schwerpunkte liegen auf Ausbildungs- und Karrierethemen, der Unterstützung von Neueinsteigern, leitliniengerechten Arbeiten sowie Physiologie, Pathophysiologie, Pharmakologie und EKG für den Rettungsdienst. Mehr über mich hier.