„Kleines 1×1 des Rettungsdienstes“ – Teil 12: Strukturiertes Arbeiten und Schemata im Rettungsdienst

„Kleines 1×1 des Rettungsdienstes“ bietet eine Übersicht über Aufbau, Struktur und Gepflogenheiten des Rettungsdienstes in Deutschland. Hier geht es um das, was Interessenten und Neueinsteiger wissen sollten.

Zu „Teil 11 – Was muss ein Rettungssanitäter können?“ geht es hier.

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Teil 12 – Strukturiertes Arbeiten und Schemata im Rettungsdienst

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Schon in der Ausbildung – sei es zum Rettungssanitäter oder zum Notfallsanitäter – wird man merken, dass unheimlich großer Stellenwert auf „strukturiertes Arbeiten“ gelegt wird.

Das heißt im Wesentlichen: das Arbeiten im Rettungsdienst, ganz überwiegend die Arbeit am Patienten, orientiert sich an festgelegten Schemata, Handlungsanweisungen und Algorithmen.

Der einfache Grund dafür ist, dass eine strukturierte Arbeitsweise dem Patienten tatsächlich einen Benefit bringt – bedrohliche Störungen werden schneller erkannt (und behandelt) und das Risiko, schwerwiegende Störungen zu übersehen, wird minimiert.

Die Kehrseite der Medaille ist aber, dass es für so ziemlich alles irgendein mehr oder minder wichtiges Schema gibt, dass man beherrschen muss oder zumindest sollte.

In der Praxis führt das leider zu oft zu einer „Algorithmengläubigkeit“ – mit dem Problem, dass man den rettungsdienstlichen Alltag und die Arbeit am Patienten nicht in einem simplen Flussschema widerspiegeln kann.

Um den Bogen nicht zu überspannen: Schemata sind durchaus ein wichtiger und sinnvoller Bestandteil der rettungsdienstlichen Arbeitsweise, ersetzen aber nicht das Denkvermögen des Anwendenden.

Um es übersichtlicher zu halten, werde ich die großen Teilbereiche „Untersuchungsgänge“, große und kleinere Schemata unterteilen.

Untersuchungsgänge

Erstuntersuchung (Primary Survey)

Die Untersuchungsgänge werden in „erster Überblick“ und „fokussierte Untersuchung“ eingeteilt. Diese schließen wiederum verschiedene Schemata zur Diagnostik mit ein.

Das Primary Survey dient einem schnellen Erkennung und Behandeln lebensbedrohlicher Störungen. Was im Rahmen des Primary Survey erkannt wird, wird umgehend behandelt, erst danach wird fortgefahren.

Es ist auch möglich, zu „trichtern“ – heißt nichts anderes als: man definiert ein Leitsymptom und überlegt sich dazu passende Differentialdiagnosen, die im weiteren Verlauf ausgeschlossen werden.

Der Abschluss bildet die Einschätzung zwischen „kritisch“ und „nicht kritisch“ – bisweilen auch mit der Zwischenstufe „ernsthaft erkrankt“. Schon an dieser Stelle kann die Transportpriorität festgelegt werden.

Ein Primary Survey sollte – ohne Interventionen – nicht länger als 90 Sekunden dauern.

Fokussierte Untersuchung (Secondary Survey)

Nach erfolgten Primary Survey erfolgt eine – passend zu den festgestellten Problemen – fokussierte körperliche Untersuchung, eine gezielte apparative Diagnostik und eine gezielte Anamnese.

Noch nicht erhobene Messwerte werden nachgeholt und weniger dringliche Behandlungen werden durchgeführt. Abschluss des Secondary Survey bildet die Verdachtsdiagnose, die Auswahl der Zielklinik sowie – falls noch nicht im Primary Survey geschehen – die Festlegung der Transportpriorität.

„Große Schemata“

xABCDE-Schema

Wohl am bekanntesten und verbreitetsten ist das xABCDE- bzw. <c>ABCDE-Schema. Dieses bildet in nahezu allen Algorithmen die Standardvorgehensweise – sowohl zur Ersteinschätzung als auch zur Reevaluation im Rahmen des Einsatzes.

Großer Vorteil: umfassend – das Risiko, schwerwiegende Störungen im Rahmen eines ordentlichen xABCDE zu übersehen, ist gering.

Nachteil: oft ist nicht klar, welche Untersuchungsgänge wirklich im Rahmen des xABCDE erfolgen müssen und welche optional sind. Oft kommt es hier zu Missverständnissen, die auf „möglichst viel machen“ hinauslaufen, ohne dass eine therapeutische Konsequenz abgeleitet werden kann.

Merke

Im Rahmen des Primary Survey ist ein schnelles xABCDE sinnvoller, als alle möglichen Untersuchungen durchzuführen.

Die Zeit ohne Interventionen sollte 90 Sekunden nicht überschreiten.

Wie läuft das xABCDE ab?

Ich stelle hier den standardisierten Ablauf mit notwendigen (fett gedruckt, meist schon im Primary Survey durchzuführenden) und optionalen Untersuchungen – je nach Patientenzustand – vor.

Dem xABCDE wird eine Ersteinschätzung „auf den ersten Blick“ vorangestellt, ggf. auch ein SSS-Schema.

UntersuchungsgängeMögliche Therapien
Exsanguination – kritische Blutung nach außenAuf den ersten Blick erkennbare starke Blutungen nach außen?Sofortige Blutungsstillung
Airway – AtemwegeAtemwege frei?
Schleimhautstatus?
Zyanose?

Zungenbiss?
Atemwegssicherung
Sauerstoffgabe
bei Trauma: ggf. HWS-Immobilisation
Breathing – BelüftungHalsvenenstauung?
Atemfrequenz?
Sauerstoffsättigung?
Auskultation
Thoraxstabilität
Atemexkursionen
Lagerung
Sauerstoffgabe
Assistierte Beatmung
Kontrollierte Beatmung
Medikamentöse Therapie
Nadeldekompression
Circulation – KreislaufHautstatus? Hautkolorit?
Rekapillarisierungszeit?
Periphere Pulse?

Große Blutungsräume?
EKG?
Blutdruck?
Lagerung
Venöser Zugang & Infusionstherapie
Medikamentöse Therapie
ggf. Festlegung Transportpriorität
Beckenschlinge

Wundversorgung
Disability – neurologischer StatusGlasgow Coma Scale?
Pupillenkontrolle

FAST?
Blutzuckerkontrolle
periphere DMS?
Lagerung
Festlegung Transportpriorität
Medikamentöse Therapie
Exposure/Environment – TraumauntersuchungEntkleiden
Suche nach weiteren Verletzungen (z.B. mittels „Log-Roll“)
Lagerung
Immobilisation
Wundversorgung
Wärmeerhalt

Wichtig

Regelmäßige Neubeurteilung (Reevalutation) mittels xABCDE!

Gelegentlich wird noch ein „F“ hinzugefügt – meist in der Bedeutung „Failure„. Heißt: Überprüfung des Therapieerfolgs und/oder übersehene Auffälligkeiten.

In der gängigen Fachliteratur und den Empfehlungen taucht dies nicht auf. Persönliche Meinung: es ist auch nicht sinnvoll.

Sowohl die Überprüfung des Therapieerfolgs als auch die erneute Untersuchung sind letztendlich Teil der Reevaluation. Und, dem aufmerksamen Leser wird aufgefallen sein: diese erfolgt ohnehin kontinuierlich – ein separater Punkt in dem Schema wäre somit überflüssig.

SAMPLER(S)

Ebenso Standard ist die Notfallanamnese nach SAMPLER(S) – diese deckt, kurz und bündig, alle relevanten Punkte in einer Notfallsituation ab. Diese wird oft als Ergänzung zum xABCDE im Secondary Survey verwendet, gegebenenfalls werden auch Teile der Anamnese vorgezogen (z.B. bei beabsichtigter Medikamentengabe).

Bei im Einsatzverlauf möglicherweise drohenden Problemen muss die Anamnese allerdings durch den Anwender gegebenenfalls vervollständigt werden.

Ablauf einer SAMPLER(S)-Anamnese

BedeutungBeispiele
SSymptomeBeschwerden, die zum Ruf des Rettungsdienstes geführt haben, z.B. Schmerzen, Atemnot…
AAllergienBekannte Allergien und Unverträglichkeiten des Patienten
MMedikamenteAktuelle Dauer- und Bedarfsmedikation des Patienten (CAVE: regelmäßige Einnahme?)
Aktuell eingenommene andere Medikamente?
PPatientengeschichteVorerkrankungen des Patienten; insbesondere auch chronische Erkrankungen
LLetzte(r)…Wann letzte orale Aufnahme? Wann letzter Stuhlgang?
Wann letztes Mal Harnausscheidung?
EEreignis vor SymptombeginnMögliche Auslöser für die Beschwerden? Erkennbarer Trigger? Spontanes Auftreten?
RRisikofaktorenFaktoren, die Erkrankungen begünstigen (z.B. Alkohol-/Nikotinabusus, Adipositas, arterielle Hypertonie…)
SSchwangerschaftIst eine Schwangerschaft möglich oder sicher ausgeschlossen?

Wichtig

Gerade beim Punkt „Schwangerschaft“ sollte in einer großen Altersspanne aktiv nachgefragt werden. Abdominelle Beschwerden bei weiblichen Patienten im gebärfähigen Alter haben bis zum Beweis des Gegenteils eine Schwangerschaft als Differentialdiagnose.

MARCH-PAWS

MARCH-PAWS ist letztendlich das militärische Äquivalent zum zivilen xABCDE und wird – MARCH entspricht einem schnellen, traumatologischen Primary Survey nach xABCDE, PAWS einen zweiten, erweiterten Untersuchungs- und Behandlungsgang.

Untersuchungsgang Mögliche Therapien
Massive Hemorrhage
(massive Blutung)
Auf den ersten Blick erkennbare starke Blutungen nach außen? Sofortige Blutungsstillung
Airway
(Atemwege)
Atemwege frei?
Schleimhautstatus?
Zyanose?
Atemwegssicherung
Sauerstoffgabe
Respiration
(Atmung und Belüftung)
Halsvenenstauung?
Atemfrequenz?
Sauerstoffsättigung?
Auskultation
Thoraxstabilität
Atemexkursionen
Lagerung
Sauerstoffgabe
Assistierte/Kontrollierte Beatmung
Medikamentöse Therapie
Nadeldekompression
Circulation
(Kreislaufsituation)
Hautstatus? Hautkolorit?
Rekapillarisierungszeit?
Periphere Pulse?

Große Blutungsräume?
Lagerung
Venöser Zugang & Infusionstherapie
Medikamentöse Therapie
ggf. Festlegung Transportpriorität
Beckenschlinge
Head Injuries/Hypothermia
(Kopfverletzungen/Hypothermie)
Kopfverletzungen?
Glasgow Coma Scale?
Pupillenkontrolle

Temperaturmessung
Lagerung
Wärmeerhalt
ggf. Wundversorgung
ggf. Immobilisation

Untersuchungsgang/TherapienBemerkungen
Pain
(Analgesie)
Analgesie bei Bedarf
Antibiotics
(Antibiotika)
Antibiotikagabe bei allen offenen VerletzungenKeine Anwendung im zivilen Rettungsdienst
Wounds
(Wundversorgung)
Wundversorgung, sofern diese nicht im MARCH erfolgt ist (vollständiger Bodycheck)
Splinting
(Schienung)
Immobilisation und Schienung

Spätestens bei „PAWS“ wird deutlich, dass der Fokus eindeutig auf eher militärisch-traumatologisch ausgerichtet ist.

MARCH kann bei einem zivilen Traumapatienten durchaus gleichwertig zum xABCDE im Primary Survey angewendet werden – ansonsten ist die Anwendung eben eher im Rahmen von taktischen Lagen (für die diese Schemata entwickelt wurden) sinnvoll.

BASICS

Im Gegensatz zu xABCDE und MARCH-PAWS ist das BASICS-Schema für unkritische Patienten konzipiert – dementsprechend ist es eher ein Check, ob alles erledigt wurde, denn ein Handlungsleitfaden.

Ich hatte tatsächlich gehadert, dieses Schema mit aufzunehmen: es wird kaum gelehrt und noch weniger angewendet, die tatsächliche Relevanz in der rettungsdienstlichen Praxis ist eher gering.

Bemerkungen
Beruhigen
Atmung optimierenLagerung, beengende Kleidung öffenen, Sauerstoffgabe
Stabiler BlutdruckRRsys > 80-90 mmHg
Immobilisation/Lagerung
Check-up/BasismonitoringKörperliche Untersuchung, Atemfrequenz, EKG, Pulsoxymetrie, Blutdruck, Blutzucker, Temperatur
Schutz vor äußeren EinflüssenWärmeerhalt

Kleinere Schemata

SSS-Schema

An für sich ist das ein rein „schulisches“ Schema während praktischen Fallbeispielen – und somit stark von Übungskünstlichkeit geprägt. Im Realeinsatz sind dies Dinge, die augenscheinlich auffallen und oft schlicht „registriert“ werden.

BedeutungBeispiel
SceneEinsatzszenerie/SzenarioUm welche Einsatzstelle handelt es sich (Einfamilienhaus, Park, Autobahn…)?
Wie lautet die Einsatzmeldung?
Welche Kräfte sind mitalarmiert?
Wie ist die Kliniklandschaft?
SafetySicherheitIst die Einsatzstelle sicher? Sind Gefahren erkennbar oder werden vermutet? Eigenschutz!
SituationGenaue Situation an der EinsatzstelleAuffindesituation des Patienten? Augenscheinliche Auffälligkeiten (Sehen, hören, riechen)? Weitere Personen an der Einsatzstelle?

Gelegentlich wird ein viertes „S“ für „Support“ – also die unmittelbare Nachforderung weiterer Kräfte, die Information welche Kräfte mitalarmiert sind sowie ggf. die Kliniklandschaft – hinzugefügt. Dies ist in der expliziten Form allerdings optional, wenn entsprechende Punkte bereits vorher genannt bzw. erfragt wurden.

OPQRST

OPQRST ist ein spezifisches Schema zur Symptombeschreibung und wird oft mit der Symptomanamnese des SAMPLER(S) verknüpft.

Wie man aus der Bedeutung der Buchstaben (siehe unten) herauslesen kann: das Schema wurde ursprünglich für Schmerzzustände entwickelt. Die lassen sich auch hervorragend damit beschreiben – bei sämtlichen anderen Beschwerden ist das Schema aber unzureichend und eher wenig detailliert.

BedeutungBeispiel
OnsetSymptombeginnWann sind die Beschwerden erstmalig aufgetreten?
Palliation/ProvocationVerstärkung/Linderung der Symptome Wodurch lassen sich die Beschwerden verstärken oder lindern? Gibt es einen Einfluss darauf?
QualitySchmerzqualitätStechende, brennende, drückende oder ziehende Schmerzen?
RadiationAusstrahlungStrahlen die Schmerzen in andere Körperregionen aus?
SeveritySchmerzstärkeSchmerzstärke, mittels visueller Analogskala (VAS) oder numerischer Rating-Skala (NRS) ermittelt
TimeZeitlicher VerlaufWie haben sich die Beschwerden seit Symptombeginn verändert?

Die fettgedruckten Anteile sind diejenigen, die auch außerhalb einer Schmerzanamnese abgefragt werden sollten.

WASB/AVPU

Beide Schemata bedeuten genau das gleiche – sie werden beide zur Grobeinschätzung des Bewusstseinsstatus eingesetzt.

Im Vergleich zur Glasgow Coma Scale sind diese jedoch deutlich undifferenzierter und im Realgebrauch kaum anzutreffen.

ZustandWASBAVPU
Wach, ansprechbar, orientiertWachAlert
Reaktion nur auf laute AnspracheAnsprechbarVoice
Reaktion nur auf SchmerzreizSchmerzreizPain
Keine Reaktion auf SchmerzreizBewusstlosUnconcious

Glasgow Coma Scale (GCS)

Die GCS, bzw. der daraus ermittelte Score, ist sowohl klinisch als auch präklinisch der Standard zur Beurteilung des Bewusstseins. Ursprünglich rein für die Einteilung der Schweregrade beim Schädel-Hirn-Trauma genutzt, ist sie mittlerweile genereller Standard – mit Sonderformen für Kinder.

Problematisch ist gerade bei Patienten mit neurologischen Vorerkrankungen jedoch die fehlende Unterscheidung zwischen „akut“ und „vorbestehendes Defizit“.

Einteilung der GCS

PunkteAugen öffnenVerbale KommunikationMotorische Reaktion
6– entfällt – – entfällt – befolgt Aufforderungen
5– entfällt – konversationsfähig, orientiertgezielte Schmerzabwehr
4Spontankonversationsfähig, desorientiertungezielte Schmerzabwehr
3Auf Aufforderungunzusammen-hängende Worte („Wortsalat“)Beugesynergismen bei Schmerzreiz
2Auf Schmerzreizunverständliche LauteStrecksynergismen bei Schmerzreiz
1Keine ReaktionKeine verbale Reaktionkeine Reaktion auf Schmerzreiz

Die Punkte der drei Kategorien werden addiert und ergeben den entsprechenden Score – von 15 (Normalbefund) bis 3 (tief bewusstlos).

quick-FAST

quick-FAST ist eine sehr grob orientierende neurologische Untersuchung bei primär neurologisch unauffälligen Patienten.

Ablauf

Der Patient wird gebeten, eine bestimmte Anzahl an Fingern einer bestimmten Hand zu zeigen. Ist dies möglich, ist das quick-FAST unauffällig.

Bei auffälligen quick-FAST oder bei anderweitig neurologisch auffälligen Patienten muss unmittelbar eine Untersuchung nach FAST bzw. BE-FAST erfolgen.

(BE-)FAST

Das FAST-Schema und die Erweiterung BE-FAST sind Standarduntersuchungen bei neurologisch auffälligen Patienten zur Erhärtung der Verdachtsdiagnose Schlaganfall.

Bei allen neurologisch auffälligen Patienten muss zeitnah – d.h. möglichst im Primary Survey – eine Untersuchung nach dem FAST-Schema erfolgen.

BE-FAST stellt eine Erweiterung dar, die allerdings nur im Rahmen eines sorgfältigen Clinical Reasoning und Differentialdiagnostik einen Vorteil bringt – ein mögliches Ablaufschema findet ihr in diesem Beitrag.

KriteriumBedeutungUntersuchung/Maßnahme
BalanceGleichgewichtsstörungen
Fallneigung (auf eine Seite)
Gangstörungen
Beinbetonte Hemiparese
Anamnese, Patienten ggf. einige Schritte laufen lassen (nur mit Unterstützung und permanenter Bereitschaft, einzugreifen!)
EyesSehstörungen
Sehverlust/Erblindung
Anamnese, grob orientierende Sehkraftprüfung („Wie viele Finger zeige ich?“)
FaceFazialisparesen
„hängender Mundwinkel“
Patienten bitten, zu lächeln/Backen aufzupusten/Pfeifen/Stirn runzeln
ArmsArmhalteversuchArme nach vorne ausstrecken mit Handflächen nach oben, Augen schließen, mind. 10 s halten lassen (positiv, wenn Innenpronation/Absinken erfolgt)
SpeechSprachePatient bitten, einen Testsatz nachzusprechen – verwaschene Sprache, motorische/sensorische/globale Aphasie?
TimeZeitSeit wann die Symptome (Onset!)? Änderung im zeitlichen Verlauf?
Wenn andere Punkte zutreffend: Time is brain!

CG-FAST

Ein fokussierteres FAST-Schema ist die „Conveniently-Grasped Field Assessment Stroke Triage“, kurz CG-FAST.

Sie dient – im Gegensatz zu FAST und BE-FAST – nicht primär zur Detektion eines Schlaganfalls an sich, sondern zur Detektion von Schlaganfällen, bei denen ein großes Gefäß betroffen ist, die so genannte „large vessel occlusion“. Eine Konsequenz für die Präklinik hat dies bei der Auswahl der Zielklinik: Schlaganfallpatienten mit einer „large vessel occlusion“ können vom Transport in eine Einrichtung mit Thrombektomie-Möglichkeit profitieren – auch bei längeren Transportzeiten.

KriteriumBedeutungPunkte
Level of Conciousness-QuestionsFragen zur Orientierung (zeitlich, örtlich, situativ, zur Person)voll orientiert: 0 Punkte
nicht voll orientiert: 1 Punkt
GazeBlickdeviation?keine Blickdeviation: 0 Punkte
Blickdeviation: 1 Punkt
Facial PalsyGesichts-/Facialisparese?keine: 0 Punkte
vorhanden: 1 Punkt
Arm WeaknessArmschwäche? Armvorhalteversuch?unauffällig oder Absinken, ohne das Bett zu berühren: 0 Punkte
deutliche Schwäche oder fehlende Bewegung: 1 Punkt
Speech Problems Sprachstörungen?Keine: 0 Punkte
Aphasie oder Dysarthrie: 1 Punkt

Entsprechend der Punktzahlen kann die Wahrscheinlichkeit eines großen Gefäßverschlusses abgeschätzt werden: bei ≥ 4 Punkten liegt der positive Vorhersagewert bei 78,5 % (Originalstudie).

Los Angeles Motor Scale (LAMS)

Ein weiteres Schema neben CG-FAST zur Detektion von Schlaganfällen mit Verschluss großer Gefäße („large vessel occlusion“) ist die Los Angeles Motor Scale, kurz LAMS, welche sich ausschließlich auf motorische Beeinträchtigungen fokussiert und daher etwas einfacher in der Anwendung (und im Rettungsdienst verbreiteter) ist.

KriteriumPunkte
Facialisparese?Nein: 0 Punkte
Ja: 1 Punkt
Griffstärke?Normal: 0 Punkte
Schwacher Griff: 1 Punkt
kein Zugreifen: 2 Punkte
Armvorhalteversuch?Normal: 0 Punkte
langsames Absinken: 1 Punkt
schnelles Absinken: 2 Punkte

Ähnlich wie beim CG-FAST sind auch hier 4 Punkte der „Grenzwert“. Bei LAMS ≥ 4 Punkte beträgt die Wahrscheinlichkeit eines großen Gefäßverschlusses 79 % (positiver Vorhersagewert).

(p)DMS

Die periphere Durchblutung, Motorik und Sensibilität ergänzt die sowohl den neurologischen als auch traumatologischen Untersuchungsgang.

Insbesondere bei Verletzungen ist die pDMS-Kontrolle vor und nach der Schienung obligatorisch. CAVE: die Untersuchung erfolgt immer im Seitenvergleich!

KriteriumUntersuchung
DurchblutungDurchblutung distal der Verletzung sichergestellt? Recap < 2s oder peripherer Puls tastbar?
MotorikBewegung distal der Verletzung möglich?
SensibilitätGefühl distal der Verletzung vorhanden oder verändert?

qSOFA

Der „quick Sepsis-related organ failure assessment score“, kurz qSOFA, hat erst vor vergleichsweise kurzer Zeit Einzug in den Rettungsdienst gefunden.

Es soll dabei helfen, potentielle Sepsis-Verdachtsfälle schon präklinisch zu identifizieren und einer zielgerichteten Versorgung zuzuführen. Hierfür werden die drei Parameter Atemfrequenz, GCS sowie systolischer Blutdruck ermittelt – für jedes erfüllte Kriterium gibt es einen Punkt.

KriteriumWertPunktzahl
Atemfrequenz>= 22/min1
GCS< 151
systolischer Blutdruck<= 100 mmHg1

Bei einem qSOFA von 2 oder 3 Punkten soll die Suche nach einem möglichen Infektherd erfolgen; das können neben augenscheinlich sichtbaren Entzündungen auch akute gastrointestinale oder pulmonale Erkrankungen sein, häufig sind auch Harnwegsinfekte (insbesondere bei Dauerkatheter > Urosepsis).

Ist neben einem positiven qSOFA ein Infektherd oder allgemeine Entzündungszeichen (Fieber…) vorhanden, sollte der Sepsis-Verdacht gestellt und vor allem an die Klinik übergeben werden. Als Ergänzung bieten sich hierfür z.B. die SIRS-Kriterien an.

SIRS-Kriterien

Das Systemische inflammatorische Response-Syndrom ist eine systemische Entzündungsreaktion des gesamten Organismus – dies kann infektiöse Ursachen haben (wie bei der Sepsis), allerdings auch andere nicht-infektiöse Genesen (z.B. schwere Verbrennungen) beinhalten.

SIRS macht vor allem in Kombination mit qSOFA zur Erhärtung oder zum Ausschluss der Verdachtsdiagnose Sepsis Sinn – qSOFA sucht das Organversagen, SIRS die Inflammation.

KriteriumVoraussetzung
AtemfrequenzAtemfrequenz ≥ 20/min
HerzfrequenzHF > 90/min
KörpertemperaturT < 36,0°C oder T > 38,0°C
Leukozyten
(im RD nicht ermittelbar)
Leukozytose oder
Leukopenie oder
> 10 % unreife Granulozyten im Differentialblutbild

Treffen ≥ 2 Punkte zu, sind die SIRS-Kriterien positiv.

KISS

Das KISS-Schema ist für die Anlage der Beckenschlinge essentiell – es überprüft nämlich genau die Kriterien, bei deren Vorliegen eine Beckenstabilisierung erfolgen soll.

KriteriumVoraussetzung
KinematikUnfallmechanismus mit entsprechender Wahrscheinlichkeit einer Beckenverletzung
InspektionSichtbare Verletzung, Hämatome, Fehlstellung im Beckenbereich
SchmerzenSchmerzangabe im Beckenbereich
StabilisierungMind. einer der Punkte „Kinematik, Inspektion, Schmerz“ erfüllt -> Anlage einer Beckenschlinge

Die Palpation des Beckens – wenn, nur durch laterale Kompression – darf nur dann erfolgen, wenn keiner der Punkte „Kinematik, Inspektion, Schmerz“ erfüllt ist. Die präklinische Prüfung der Beckenstabilität ist unzuverlässig, hat kaum einen Benefit für den Patienten und birgt das Risiko einer Zustandsverschlechterung – im Zweifelsfall ist also auf diese zu verzichten.

PPP-Schema

Ebenfalls in Zusammenhang mit der Beckenschlinge steht das PPP-Schema. „Pulse, Penis, Pockets“ sind die Dinge, die nach der Indikationsstellung vor der Anlage überprüft und ggf. korrigiert werden.

KriteriumUntersuchung/Maßnahme
PulseKontrolle der peripheren und zentralen Pulse
PenisPenis liegt mittig
PocketsHosentaschen sind leer

Strukturierte Patientenübergabe

Die strukturierte Patientenübergabe wird in einem eigenen Beitrag behandelt.

Literaturempfehlungen

Weiterführende Literatur

Böhmer R., Schneider T., Wolcke B. (2020): Taschenatlas Rettungsdienst, 11. Auflage. Böhmer & Mundloch Verlag.

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Luxem J., Runggaldier K., Karutz H., Flake F. (2020): Notfallsanitäter Heute, 7. Auflage. Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH

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Thieme (2023): retten – Notfallsanitäter, 1. Auflage. Georg Thieme Verlag KH.

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Interessenkonflikte

Der Autor gibt an, dass es sich bei den verlinkten Büchern um Affiliate-Links handelt. Es entstehen keine zusätzlichen Kosten bei der Bestellung über den Link. Eine Einflussnahme bei der Auswahl der Literatur ist dadurch nicht erfolgt. Siehe auch: Hinweise zu Affiliate-Links.

Der Autor gibt an, dass keine Interessenkonflikte bestehen.

Quellen

Böhmer R., Schneider T., Wolcke B. (2020): Taschenatlas Rettungsdienst, 11. Auflage. Böhmer & Mundloch Verlag, Mainz. ISBN 978-3-948320-00-3. Hier erhältlich: https://amzn.to/3I9E1Ap Affiliate-Link

Diener H.-C. (2021): Nutzen von präklinischen Schlaganfallskalen, InFo Neurologie 23, 27 (2021). Abgerufen unter https://link.springer.com/article/10.1007/s15005-021-1935-3 am 27.09.2024. DOI: 10.1007/s15005-021-1935-3

Gong X. et al. (2019): Conveniently-Grasped Field Assessment Stroke Triage (CG-FAST): A Modified Scale to Detect Large Vessel Occlusion Stroke. Front Neurol. 2019 Apr 17;10:390. Abgerufen unter https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6478663/ am 27.09.2024. DOI: 10.3389/fneur.2019.00390

Luxem J., Runggaldier K., Karutz H., Flake F. (2020): Notfallsanitäter Heute, 7. Auflage. Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH, München. ISBN 978-3437462115. Hier erhältlich: https://amzn.to/3s8KEh5 Affiliate-Link

Knapp J. (2018): Los Angeles Motor Scale, abgerufen unter https://news-papers.eu/?p=7515 am 27.09.2024

SaniOnTheRoad (2021): Die strukturierte Patientenübergabe im Rettungsdienst, abgerufen unter https://saniontheroad.com/die-strukturierte-patientenubergabe-im-rettungsdienst/ am 29.04.2022

SaniOnTheRoad (2021): Schlaganfall: Aus FAST wird BE-FAST?!, abgerufen unter https://saniontheroad.com/schlaganfall-aus-fast-wird-be-fast/ am 04.04.2022

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Notfallsanitäter, Teamleiter und Administrator des Blogs. Vom FSJler über Ausbildung bis zum Haupt- und Ehrenamt im Regelrettungsdienst und Katastrophenschutz so ziemlich den klassischen Werdegang durchlaufen. Mittlerweile beruflich qualifizierter Medizinstudent im klinischen Abschnitt des Studiums. Meine Schwerpunkte liegen auf Ausbildungs- und Karrierethemen, der Unterstützung von Neueinsteigern, leitliniengerechten Arbeiten sowie Physiologie, Pathophysiologie, Pharmakologie und EKG für den Rettungsdienst. Mehr über mich hier.


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