Bei „Aus dem Pflaster-Laster“ berichte ich von Einsätzen, dem Alltag auf der Rettungswache und von aktuellen Themen – von purer Routine bis zum Drama. Am Ende ziehe ich mein Fazit der Einsätze und zeige auf, was gut lief und was besser laufen könnte. Namen von Patienten, Orten und Kollegen lasse ich selbstverständlich aus.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Wo Menschen aufeinander treffen, wird „gemenschelt“. Und bei jedem Rettungsdiensteinsatz treffen Menschen aufeinander. In der typischen Konstellation von medizinischen Laien einerseits und Fachpersonal andererseits gibt es durchaus Konfliktpotential – und oft redet man aneinander vorbei.
Manche Einsätze werden erst deshalb „schwierig“, weil Rettungsdienst und Patient und Angehörige vollkommen unterschiedliche Einschätzungen, Vorstellungen und Ansprüche haben und das Endergebnis ist im schlechtesten Fall eine Beschwerde.
Vieles davon wäre wirklich vollends vermeidbar, wenn ein paar Grundsatzüberlegungen angestellt werden würden. Deshalb einmal dieser Beitrag und die Frage: was wünscht sich der Rettungsdienst von Patienten und Angehörigen?
Was sich der Rettungsdienst wünscht
Bereitet euch – wenigstens grundlegend – vor!
Das ist so ein wenig die Sache mit der Gesundheitskompetenz…
Die Überlegungen seitens der Patienten und Angehörigen fangen eigentlich schon lange vor dem Eintritt eines Notfalls an. Nicht nur, dass man sich auf Akutsituationen vorbereiten sollte gehört dazu, sondern sogar viel grundlegendere Dinge.
Eine von der Straße aus gut erkennbare (bestenfalls beleuchtete) Hausnummer hilft uns ungemein, den Einsatzort zu finden. Geh- und mit der Trage befahrbare Wege zum Haus machen uns (und dem Patienten) das Leben leichter.
Es wäre wirklich schick, wenn „Vollpflege-Oma Erna“ nicht im zweiten Stock mit Wendeltreppe liegen würde, wenn im Erdgeschoss sowieso das Gästezimmer leer steht. Und vielleicht sollte bei Patienten mit Sturzneigung doch mal überlegt werden, ob der seit fünfzig Jahren im Flur liegende Flokati-Teppich nicht doch weg kann…
Notwendige Informationen – Allergien, Medikamentenplan, letzter Arztbrief – sollten ohne große Suche auffindbar sein.
Eigentlich sind es wirklich simple Grundsatzüberlegungen und gesunden Menschenverstand, den wir uns an dieser Stelle wünschen.
Siehe auch
Überlegt euch, welche Hilfe ihr braucht
Die Aufgabenbeschreibung des Rettungsdienstes ist mit der Notfallrettung (und damit der Versorgung und dem Transport von Patienten mit akuter oder drohender Lebensgefahr) und dem qualifizierten Krankentransport, wenn eine medizinische Betreuung während des Transports notwendig ist, eigentlich recht klar definiert.
Wir sind weder ein kostenloses Taxi ins Krankenhaus (wer den Rettungsdienst als Taxi benutzt, bekommt es auch quasi so abgerechnet…nur teurer) noch ein Hausarzt-Ersatz.
Akute Atemnot, Bewusstlosigkeit, akute Brustschmerzen, Krampfanfälle, Lähmungen, Sprachstörungen, schwere Verletzungen oder Kreislaufstillstand? Ja, das sind definitiv Fälle für den Rettungsdienst.
Bauchschmerzen seit drei Wochen, Rückschmerzen seit einem halben Jahr, leichtes Fieber, kleiner Zeh angestoßen? Das ist nichts für den Rettungsdienst. Schon gar nicht, wenn der Gang zum Hausarzt prompt verneint wird.
Für Akutfälle unterhalb der Rettungsdienst-Schwelle ist der ärztliche Bereitschaftsdienst zuständig.
Es würde uns unglaublich freuen, wenn Patienten und Angehörige zumindest grundlegend in der Lage wären, Notfälle von Nicht-Notfällen zu unterscheiden.
Siehe auch
Ruft die richtige Nummer an…
Der Notruf von Feuerwehr, Rettungsdienst und Notarzt ist die 112 – ohne Vorwahl.
Wenn ein akuter Notfall vorliegt, ruft ihr genau diese Nummer an und keine andere. Nicht die Polizei über die 110, nicht irgendwelche Angehörigen am anderen Ende der Republik.
Mit dem Stille-Post-Prinzip stellt man nur sicher, dass garantiert relevante Informationen untergehen und am Ende nicht die Hilfe eintrifft, die man eigentlich braucht.
Heißt: ruft den Rettungsdienst, wenn ein akuter Notfall vorliegt – wenn kein akuter Notfall vorliegt, ruft bitte die dafür zuständige Stelle (Hausarzt oder ärztlicher Bereitschaftsdienst) an.
Siehe auch
…und ruft erneut an, wenn sich etwas verändert
Notfälle sind dynamisch und der Zustand des Patienten kann sich verbessern oder verschlechtern. Das ist für uns wichtig.
Wenn der Ohnmachtsanfall nach fünf Minuten immer noch bewusstlos ist, müssen wir das wissen. Wenn der Bewusstlose nicht mehr atmet, müssen wir das wissen. Wenn die „akuten Bauchschmerzen“ nach einmal kräftig…furzen verschwunden sind, wollen wir das auch wissen.
Es ist ja schön, wenn man als Angehöriger feststellt, dass der Patient nicht mehr atmet – gut wäre es dann aber doch noch einmal anzurufen und das mitzuteilen. Noch besser wäre es, wenn man spätetens jetzt auch selbst etwas machen würde.
Nehmt uns in Empfang!
Wir möchten kein Empfangskommitee und keine Parade – aber wir freuen uns, wenn uns jemand abholt und mitnimmt. Mehr ist es nicht.
Ihr braucht nicht panisch zu winken, Bengalos zu zünden oder mit Leuchtstäben zu wedeln. Wir sehen euch auch so. Haustür auf und hinstellen reicht völlig.
Erzählt uns, was los ist – und nicht die Lebensgeschichte
Der Rettungsdienstler wirkt oftmals kurz angebunden, was durchaus ruppiger rüberkommen kann, als es eigentlich gemeint ist.
Der Grund ist aber simpel und eigentlich nachvollziehbar: wir müssen entscheiden, ob das Problem kritisch ist oder nicht. Dafür brauchen wir so schnell wie möglich sachdienliche Informationen.
Uns interessiert: Was ist passiert? Was sind die Beschwerden? Wann haben sie angefangen? Haben Sie so etwas schon einmal gehabt? Was haben Sie bislang dagegen getan? Allergien, Medikamente, Vorerkrankungen?
Uns interessiert nicht: das verstauchte Handgelenk vor zehn Jahren, wenn wir wegen akuter Atemnot vor Ort sind, die Lebensgeschichte des Schwagers, der so etwas ähnliches hatte oder die Kopfschmerzen, die seit Monaten bestehen, abgeklärt wurden und nichts mit dem aktuellen Geschehen zu tun haben..
Nehmt es uns nicht übel, wenn wir bei zu großem Abschweifen unterbrechen.
Und: bleibt ehrlich und bei einer Schilderung. Wenn ihr uns während unseres Einsatzes fünfmal etwas völlig anderes erzählt, kommen wir uns auch veralbert vor und werden dementsprechend reagieren.
Seid umsichtig!
Steht uns bitte nicht im Weg rum, während wir eure Angehörigen versorgen. Ihr müsst auch nicht für eure vollkommen orientierten und erwachsenen Angehörigen antworten.
Nehmt uns unsere teilweise sehr direkte Art nicht allzu krumm. Wenn es dem Patienten schlecht geht und wir handeln müssen, hat das immer Vorrang vor euren Befindlichkeiten und Höflichkeitsfloskeln.
Wir wissen, was wir tun. Die Erklärung unserer Arbeit mag zwar keine böse Absicht sein, sie nervt allerdings, ist oft genug falsch und einfach unangebracht.
Werdet keine „Stammkunden“
Wenn ihr in guter Regelmäßigkeit die Notfallrettung in Anspruch nehmt bzw. nehmen müsst…dann läuft etwas schief.
Das bedeutet sicherlich, dass ihr Unterstützung und Hilfe benötigt; diese muss allerdings an der passenden Stelle geholt werden, und nicht im Rettungsdienst.
Wir sagen euch gerne, an welche Stelle ihr euch wenden könnt – das solltet ihr dann aber auch bitte tatsächlich tun.
Was Patienten und Angehörige wissen sollten
Wir sind Menschen.
Hinter unserer Uniform stecken Menschen mit allen Macken, die Menschen so haben können. Wir haben genauso schlechte und stressige Tage und auch das kann unsere Arbeit beeinflussen…auch wenn es das nicht sollte.
Wir machen unsere Arbeit trotz allem meist sehr gerne. Ein Funken Idealismus gehört für uns einfach zum Beruf.
Nachts um drei ist allerdings auch für uns nachts um drei – und in unseren 12-Stunden-Schichten haben wir meist genug zu tun. Bedenkt, dass wir in den meisten Fällen schon Patienten vor euch hatten und nach euch haben werden – irgendwann leidet auch unsere „Energie“.
Wir sind keinesfalls fehlerfrei – wir arbeiten oft genug unter Zeit- und Handlungsdruck mit eingeschränkten Möglichkeiten und einem steten Informationsdefizit. Eine komplette Vermeidung von Fehlern wäre zwar schön, aber utopisch. Ihr könnt euch sicher sein, dass uns unsere Fehler mindestens genauso beschäftigen wie euch – und wir daran arbeiten, diese zu vermeiden.
Wir schätzen Eure Leistungen.
Das betrifft sowohl Erste-Hilfe-Maßnahmen, die ihr einleitet, wie auch die solide Vorbereitung auf Notfälle oder die häusliche Pflege.
Wir wissen, wie anstrengend gerade letzteres ist und wir wissen, dass man hierbei irgendwann an die Grenzen der Möglichkeiten stößt.
Wir wissen, dass ihr nicht mit dem gleichen Background oder dem gleichen Material arbeiten könnt und trotzdem das Beste aus der gegebenen Situation holt.
Wir versuchen, Eure Wünsche zu berücksichtigen.
…was aber einfach nicht immer geht. Auch wir haben schlichtweg Vorgaben, an die wir uns halten müssen.
Wenn wir irgendeinen Wunsch nicht erfüllen, hat das in aller Regel einen triftigen Grund. Wenn das „Wunschkrankenhaus“ voll ist, können wir es nicht anfahren – wenn es nicht die passende Fachabteilung für die Behandlung des jeweiligen Problems hat, auch nicht.
Das ist keine Provokation unsererseits, sondern der Anspruch, eine gute Patientenversorgung zu leisten.
Wir behandeln üblicherweise nicht ambulant.
Eine Alarmierung des Rettungsdienstes hat typischerweise den Transport ins Krankenhaus zur Folge – einfach, weil die Gründe für „Alarmierung des Rettungsdienstes“ und „Krankenhausbehandlung“ ziemlich identisch sind.
Wenn ihr von vornherein wisst, dass ihr unter gar keinen Umständen ins Krankenhaus wollt: wendet euch bitte an die dafür zuständigen Stellen, sprich den Hausarzt oder den ärztlichen Bereitschaftsdienst.
Wir sind keine Lakaien.
Klingt hart – und ist auch so.
Die wenigsten von uns haben Probleme damit, auch außerhalb unserer Kerntätigkeit mal mit anzupacken. Wir sind aber kein ambulanter Pflegedienst, kein Psychotherapeut, keine Haushaltshilfe und kein Hausarzt-Ersatz.
Wir kennen unsere Zuständigkeiten und Pflichten und auch deren Grenzen. Wir verstehen uns als Teil der staatlichen Daseinsvorsorge und der Gefahrenabwehr, nicht als Universaldienstleister im Gesundheitswesen.
Und wir werden Grenzen deutlich machen, wenn es notwendig ist.
Fazit
Nun, was sollte man aus diesem zugegebenermaßen plumpen bis flapsigen Beitrag mitnehmen?
Wir wünschen uns eigentlich, dass ihr ein paar Grundsatzüberlegungen anstellt und nicht völlig hilflos dasteht, wenn wir zum Zuge kommen. Wir wünschen uns einen normalen, respektvollen Umgang miteinander und einfach die Möglichkeit, unsere Arbeit zu erledigen.
Ein paar Dinge erfordern wirklich den ein oder anderen gezielten Gedanken – andere hingegen eher etwas gesundem Menschenverstand.
Wenn ihr diese paar Punkte beherzigt, wird ein Einsatz für beide Seiten angenehmer und zielführender.
Auch wenn es schwer ist, kann ein Wechsel der Perspektive durchaus für etwas mehr Verständnis und weitere, sinnvolle Überlegungen bringen.
Interessenkonflikte
Der Autor gibt an, dass keine Interessenkonflikte bestehen.
Quellen
SaniOnTheRoad (2024): Gesundheitskompetenz, abgerufen unter https://saniontheroad.com/gesundheitskompetenz/ am 07.03.2024
SaniOnTheRoad (2022): Welche Notrufnummer ist die richtige?, abgerufen unter https://saniontheroad.com/notrufnummern/ am 07.03.2024
SaniOnTheRoad (2020): Der ärztliche Bereitschaftsdienst, abgerufen unter https://saniontheroad.com/der-arztliche-bereitschaftsdienst/ am 07.03.2024
SaniOnTheRoad (2020): Einen Notfall erkennen, abgerufen unter https://saniontheroad.com/einen-notfall-erkennen/ am 07.03.2024
SaniOnTheRoad (2020): Persönliche Erste-Hilfe-Ausrüstung und Notfallvorsorge, abgerufen unter https://saniontheroad.com/personliche-erste-hilfe-ausrustung-und-notfallvorsorge/ am 07.03.2024
Folgt meinem Blog!
Du möchtest nichts mehr verpassen? Neuigkeiten von mir gibt es auch per Mail!
Es gelten unsere Datenschutz– und Nutzungsbestimmungen.
Genau das vermittle ich auch den Teilnehmenden meiner Kurse: Seht zu dass der Rettungsdienst euch findet, vertraut drauf dass die ihren Job machen und wenn ihr gar nicht ins Krankenhaus wollt, sucht euch entspanntere Wege….
Hallo Jens,
vielen Dank für Deine Arbeit!
PS: Du hast eine E-Mail bekommen.
LG