Heilkunde für Notfallsanitäter ist Gesetz – im Ausnahmefall

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© 2022 SaniOnTheRoad. Quelle: eigenes Werk.

Man könnte meinen, dass COVID-19 die Gesellschaft nicht nur vollends im Griff hat, sondern dass es deswegen auch keine guten Nachrichten mehr gibt.

Und dabei gibt es einen Gesetzesbeschluss, der vollkommen überraschend ist – und dabei bislang kaum Beachtung gefunden hat. Ohne einen Tipp, der mich zu einem Beitrag des Deutschen Berufsverbands Rettungsdienst e.V. geführt hat, wüsste ich es jetzt vermutlich auch nicht. Auch wenn es per se nur um eine Sonderlage geht, die wir hoffentlich selten bis gar nicht erleben, steht es nun fest

„Im Rahmen einer epidemischen Lage nationaler Tragweite werden Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitätern die Ausübung heilkundlicher Tätigkeiten gestattet.“

Sinngemäß aus „Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ vom 27. März 2020 (BGBl. I S. 587)

Was bedeutet das?

Erstmals seit dem Aufbau des deutschen Rettungsdienstes gibt es einen solchen Satz – Rettungsfachpersonal wird, wenn auch nur im Ausnahmefall, die Ausübung heilkundlicher Tätigkeiten im Rahmen der Fähigkeiten gestattet.

Das ist ein absolutes Novum – und es geschah unbemerkt von fast allen Betroffenen. Vor allem geschah es vollkommen ohne Aufstände und fachlich grausame Stellungnahmen verschiedener Ärzteverbände, die ein solches Gesetz im Normalfall um jeden Preis hätten verhindern wollen.

Dazu liefert nun ein das Infektionsschutzgesetz die Grundlage – nicht das naheliegende Notfallsanitätergesetz und nicht das viel diskutierte Heilpraktikergesetz.

Sicher, eine vollkommene Revolution ist es nicht. Es ist allerdings ein wesentlicher Schritt für die Gemeinschaft der Notfallsanitäter. Ein Schritt, der die Argumentation gegen Zugeständnisse einer „Regelkompetenz“ in Zukunft wesentlich schwerer macht. Ein Schritt, der dem Ärztelobbyismus zu einem gewissen Teil den Wind aus den Segeln nimmt.

Denn: schon zu Zeiten der „Notkompetenz“ wurde eine Maßgabe laut…

Wer in der Not kompetent ist, der müsse es auch im Regelfall sein.

Weitreichende Maßnahmen in einer Situation der Überforderung, dem Ausfall von Schulungen und Fortbildungen freizugeben, aber in einem beherrschbaren Normalzustand nicht, ist inkonsequent. Und vor allem unglaubwürdig.

Was vor ein paar Monaten noch „zum Schutz der Bevölkerung“ vehement abgelehnt und torpediert wurde, ist genau jetzt „zum Schutz der Bevölkerung“ eingeführt worden. Nein, keine Diskussion, kein „vielleicht“ oder „man könnte erwägen“ – nein, es ist Gesetz.

Persönliche Meinung: ein wenig freut mich der Sieg des Verstandes über den Lobbyismus ja schon 😉

Warum wir diesen Beschluss als Chance sehen sollten

Es ist eigentlich die Gelegenheit, im Fall der Fälle zu zeigen, dass Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter dieser Aufgabe gewachsen sind.

Das wäre auch genau die Grundvoraussetzung für eine Regelkompetenz, wie ich sie in einem meiner früheren Beiträge erläutert habe.

Die Änderung des IfSG bietet uns also nicht nur die Chance einer günstigeren Argumentation für unser Anliegen in der Zukunft, sondern auch die Chance, uns zu beweisen.

Ich gebe zu bedenken…

Wir haben in diesem Falle einfach noch keinerlei Praxiserfahrungen und sollten, gerade in Anbetracht der durchaus heiklen Lage im Gesundheitswesen, auch in diesem Falle äußerst bedacht vorgehen.

Es ist eine grandiose Chance, unseren Berufsstand auch auf bundespolitischer Ebene zu positionieren und zu etablieren – aber auch eine grandiose Chance, als unqualifizierte, übereifrige Heißdüsen abgetan zu werden.

Es liegt somit an uns, wie wir mit dieser Situation umgehen.

Den Auszug aus dem Bundesgesetzblatt

…möchte ich Euch natürlich nicht vorenthalten:

Update vom 12.02.2021

Die Heilkunde für Notfallsanitäter ist beschlossene Sache.

Mehr dazu im Beitrag „Rechtssicherheit für Notfallsanitäter ist Gesetz: Heilkundliche Maßnahmen für Notfallsanitäter – Update Februar 2021„.

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Über SaniOnTheRoad

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SaniOnTheRoad

Notfallsanitäter, Teamleiter und Administrator des Blogs. Vom FSJler über Ausbildung bis zum Haupt- und Ehrenamt im Regelrettungsdienst und Katastrophenschutz so ziemlich den klassischen Werdegang durchlaufen. Mittlerweile beruflich qualifizierter Medizinstudent im vorklinischen Abschnitt. Meine Schwerpunkte liegen auf Ausbildungs- und Karrierethemen, der Unterstützung von Neueinsteigern, leitliniengerechten Arbeiten sowie Physiologie, Pathophysiologie, Pharmakologie und EKG für den Rettungsdienst. Mehr über mich hier.


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