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Update vom 12.02.2021
Die Heilkunde für Notfallsanitäter ist beschlossene Sache.
Mehr dazu im Beitrag „Rechtssicherheit für Notfallsanitäter ist Gesetz: Heilkundliche Maßnahmen für Notfallsanitäter – Update Februar 2021„.
Spätestens seit zwei Tagen ist das hitzig diskutierte Thema „Heilkundliche Maßnahmen für Notfallsanitäter“ im Rettungsdienst wieder in aller Munde.
Der Grund: es gibt einen neuen Gesetzesentwurf, der genau dieses Thema umfasst. Und im Gegensatz zu dem vorherigen Entwurf (siehe Beitrag) scheint dieser wesentlich wohlwollender dem Rettungsdienst gegenüber zu sein.
Worum geht es bei der Diskussion?
„Soll der NotSan heilkundliche Maßnahmen offiziell durchführen sollen?“
und in weiterer Konsequenz
„Soll es für den NotSan eine Regelkompetenz bei der Anwendung heilkundlicher Maßnahmen geben?“
Notfallsanitäter haben aufgrund ihrer Stellung und ihrer Ausbildung die Aufgabe, das Leben und die Gesundheit der Patienten bestmöglich zu schützen, einer Verschlechterung vorzubeugen und möglichst eine zielgerichtete Therapie einleiten.
Das umfasst – da man mit Basismaßnahmen schnell am Ende ist – auch invasive Maßnahmen. In § 4 Abs. 2 NotSanG werden diese Maßnahmen auch als Ausbildungsziel definiert.
Das Problem: die Rechtsgrundlage regelt nur die Ausbildung, nicht aber die Anwendung im Einsatz.
Denn da gibt es ein anderes Gesetz: das Heilpraktikergesetz.
Die Quintessenz dessen ist einfach: wer heilkundlich tätig werden will, muss Arzt oder Heilpraktiker sein. An den Notfallsanitäter, der auch mal ohne Notarzt eine medikamentöse Therapie ergreifen muss, um den Patienten zu retten, wurde in den 1930ern einfach nicht gedacht.
Was war zuvor?
Neben zahlreicher Diskussionen zwischen Fachverbänden, Politikern und Vertretern der Ärzteschaft gab es Anfang 2020 – „dank“ der COVID-19-Pandemie – die ersten Fortschritte.
Das „Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ vom 27. März 2020“ war der erste Schritt in die richtige Richtung. Bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite dürfen Notfallsanitäter schon heute heilkundlich tätig werden.
Der sonst übliche Aufschrei der Ärzteschaft blieb hier vollends aus.
Wer in der Not kompetent ist, der müsse es auch im Regelfall sein.
SaniOnTheRoad, „Heilkunde für Notfallsanitäter ist Gesetz – im Ausnahmefall„
Scheinbar wurde dieser Maßgabe nun gefolgt.
Worum geht es nun?
Es geht nun um den „Entwurf eines Gesetzes zur Reform der technischen Assistenzberufe in
der Medizin und zur Änderung weiterer Gesetze„, kurz MTA-Reform-Gesetz.
Dieses behandelt in Artikel 12 auch das Notfallsanitätergesetz.
In genau dieses soll ein „§ 2a“ mit dem schönen Titel „Eigenverantwortliche Durchführung heilkundlicher Maßnahmen durch Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter“ eingefügt werden. Diesen möchte ich euch selbstverständlich nicht vorenthalten 😉
„(1) Bis zum Eintreffen der Notärztin oder des Notarztes oder bis zum Beginn einer
weiteren ärztlichen, auch teleärztlichen Versorgung, dürfen Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter heilkundliche Maßnahmen, einschließlich von heilkundlichen Maßnahmen invasiver Art, dann eigenverantwortlich durchführen, wenn1. sie diese Maßnahmen in ihrer Ausbildung erlernt haben und beherrschen,
2. die Maßnahmen jeweils erforderlich sind, um Lebensgefahr oder wesentliche Folgeschäden von der Patientin oder dem Patienten abzuwenden,
3. für die vorzunehmende Maßnahme in der konkreten Einsatzsituation standardmäßige Vorgaben für das eigenständige Durchführen von heilkundlichen Maßnahmen bei bestimmten notfallmedizinischen Zustandsbildern und -situationen nach § 4 Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe c
a) nicht vorliegen oder
b) zwar vorliegen, aber von der Notfallsanitäterin oder dem Notfallsanitäter nicht
eigenständig durchgeführt werden dürfen, und4. eine vorherige Abklärung durch eine Ärztin oder einen Arzt unter Berücksichtigung des Patientenwohles nicht möglich ist.
– § 2a NotSanG, Entwurf eines Gesetzes zur Reform der technischen Assistenzberufe in
(2) Das Bundesministerium für Gesundheit entwickelt Muster für standardmäßige
Vorgaben für das eigenständige Durchführen von heilkundlichen Maßnahmen bei bestimmten notfallmedizinischen Zustandsbildern und -situationen nach § 4 Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe c. Bei der Entwicklung der Muster für standardmäßige Vorgaben sind die Länder zu beteiligen. Die entwickelten Muster für standardmäßige Vorgaben werden vom Bundesministerium für Gesundheit bis zum 31. Dezember 2021 im Bundesanzeiger bekannt gemacht.“
der Medizin und zur Änderung weiterer Gesetze
Insgesamt scheint dies eine Verbesserung um Welten zu sein – sowohl für die Berufsausübung, und noch mehr im Vergleich zu anderen „Vorschlägen“.
Das Bundeskabinett hat dem Gesetzesentwurf bereits zugestimmt (Quelle) – jetzt liegt es am Bundesrat, das Gesetz zu beschließen. Da dieser in der Vergangenheit sich deutlich für eine solche Regelung eingesetzt hat, wird die Zustimmung hier sogar recht sicher sein.
Was heißt das für die Praxis?
Wird der Gesetzesentwurf so angenommen, fällt für Notfallsanitäter das ständige Agieren im rechtfertigenden Notstand (§ 34 StGB) endlich weg.
Bei drohender Gefahr für Leib und Leben dürfen erlernte und beherrschte Maßnahmen angewendet werden, wenn diese notwendig sind und eine vorherige ärztliche Abklärung nicht möglich ist. Das sind die „1c)-Maßnahmen„.
Zudem darf auch bei weiteren Notfallbildern und -situationen eigenveranwortlich gearbeitet werden, die sonst nur im Rahmen der Delegation möglich sind – die „2c)-Maßnahmen“ – wenn eine vorherige ärztliche Abklärung nicht möglich ist.
Insgesamt heißt es: die gelebte Praxis seit Jahrzehnten bekommt endlich eine passende Rechtsgrundlage.
Und, auch wenn ich sonst ein wenig zu gerne bei diesem Thema nörgel – ich bin mit dem Entwurf tatsächlich sehr zufrieden.
Update vom 12.02.2021
Die Heilkunde für Notfallsanitäter ist beschlossene Sache.
Mehr dazu im Beitrag „Rechtssicherheit für Notfallsanitäter ist Gesetz: Heilkundliche Maßnahmen für Notfallsanitäter – Update Februar 2021„.
Quellen
SaniOnTheRoad (2020); Der NotSan, das Heilpraktikergesetz und die Regelkompetenz, abgerufen unter https://saniontheroad.com/der-notsan-das-heilpraktikergesetz-und-die-regelkompetenz/ am 03.02.2022
SaniOnTheRoad (2020); Heilkunde für Notfallsanitäter ist Gesetz – im Ausnahmefall, abgerufen unter https://saniontheroad.com/heilkunde-fur-notfallsanitater-ist-gesetz-im-ausnahmefall/ am 03.02.2022
SaniOnTheRoad (2020); Gesetzesentwurf zur Änderung des NotSanG 2020 – Vom Regen in die Traufe?, abgerufen unter https://saniontheroad.com/gesetzesentwurf-zur-anderung-des-notsang-2020-vom-regen-in-die-traufe/ am 03.02.2022
Bundesgesundheitsministerium (2020); Entwurf eines Gesetzes zur Reform der technischen Assistenzberufe in der Medizin und zur Änderung weiterer Gesetze (MTA-Reform-Gesetz), abgerufen unter https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/GuV/M/MTA-Reform-Gesetz_Kabinettsvorlage.pdf am 24.09.2020
S+K-Verlag (2020); Bundeskabinett erlaubt Ausnahme vom Heilpraktikergesetz für Notfallsanitäter, abgerufen unter https://www.skverlag.de/rettungsdienst/meldung/newsartikel/bundeskabinett-erlaubt-ausnahme-vom-heilpraktikergesetz-fuer-notfallsanitaeter.html am 24.09.2020
Bundesamt für Justiz (2020); Gesetz über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (HeilprG), abgerufen unter http://www.gesetze-im-internet.de/heilprg/ am 24.09.2020
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Dieser Beitrag ist Teil des Themen-Bundles „Notfallsanitätergesetz“.
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