Qualitätsmanagement im Rettungsdienst

Rettungsdienst aktuell – Themen die den Rettungsdienst, seine Mitarbeiter und Interessierte beschäftigen. Von leitliniengerechter Arbeit bis zur gesellschaftskritischen Diskussion.

Qualitätsmanagement – oder kurz QM – ist im Rettungsdienst spätestens seit Einführung des Berufsbilds „Notfallsanitäter“ und den entsprechenden Ergänzungsprüfungen für Rettungsassistenten ein Schlagwort.

Nur zu oft geht dabei unter, dass es hierbei nicht um bunte DIN EN ISO 9001-Aufkleber auf den Fahrzeugen oder Zertifikaten im Eingangsbereich der Wache geht.

Für viele Kollegen ist „QM“ ein missliebiges Thema – beim rheinland-pfälzischen DRK wird es oft auch fälschlicherweise synonym für die „QM-Plattform“ genutzt.

Was ist Qualitätsmanagement?

Qualitätsmanagement kommt in seiner ursprünglichen Fassung aus der Industrie, genauer aus der Produktion. Ging es zunächst um das bloße Erkennen von Fehlern und die Kontrolle der Produkte (= Qualitätssicherung), wurden die entsprechenden Maßnahmen und Vorgaben im Laufe der Zeit immer umfangreicher, schlossen auch andere Unternehmensbereiche mit ein und vor allem den Prozess der kontinuierlichen Verbesserung – einer Steigerung der Qualität.

Mittlerweile ist es möglich, Qualitätsmanagementsysteme (QMS) auch in gänzlich anderen Bereichen und vollkommen ohne physische Produkte (d.h. auch bei Dienstleistungen) zu etablieren.

Im Bereich des Gesundheitswesens spielt die Entwicklung des Qualitätsmanagements eng mit dem Namen Avedis Donabedian (Evaluating the Quality of Medical Care, 1966) zusammen.

Was ist Qualität?

Für das Qualitätsmanagement ist der Begriff der Qualität von herausragender Bedeutung – nur, wer weiß, wie man „Qualität“ definiert, kann auch bei einer Verbesserung mitwirken.

„Qualität ist der Grad, in dem ein Satz inhärenter Merkmale eines
Objekts Anforderungen erfüllt.“

– sinngemäß nach DIN EN ISO 9000

Wenn man es auf das Wesentliche (und verständliche) herunterbricht, kommt man zu dem Ergebnis:

Qualität

Qualität ist das Maß, wie gut ein Produkt oder eine Dienstleistung vorher festgelegte Anforderungen erfüllt.

Die Qualität hängt somit unmittelbar mit den gesteckten Anforderungen zusammen – im Falle des Rettungsdienstes ist das am Ende des Tages die Patientenversorgung.

Qualität im Rettungsdienst

Die Qualität im Rettungsdienst ist das Ausmaß, in dem die tatsächliche Versorgung mit den festgelegten Kriterien für eine gute Versorgung übereinstimmt.

Und diese Qualität hängt von mehreren „Dimensionen“ ab…

Dimensionen des QM

Quelle: eigenes Werk.

Strukturqualität

Platt ausgedrückt könnte man die Strukturqualität als „Was hat man an Ressourcen?“ beschreiben. Es sind die Ressourcen, die notwendig sind, um die Dienstleistung überhaupt erbringen zu können.

Das umfasst im Falle des Rettungsdienstes z.B.

  • der Norm entsprechende Fahrzeuge in ausreichender Anzahl,
  • „State-of-the-art“-Medizintechnik,
  • Rettungswachen an den richtigen Standorten,
  • gut ausgebildetes Personal,
  • eine 24-Stunden-Erreichbarkeit der Leitstelle mit Alarmierungsmöglichkeiten,
  • finanzielle Voraussetzungen für den Betrieb,

Prozessqualität

Die Prozessqualität beschreibt „Was macht man?“. Es handelt sich hierbei um alle Tätigkeiten des Personals, egal ob sie unmittelbar im medizinischen oder im administrativen Bereich stattfinden.

Das ist z.B.

  • die Versorgung entsprechend Leitlinien und SOPs,
  • die Erfassung der Prozesse selbst,
  • Dienstplanung,
  • Beschwerde- und Fehlermanagement,
  • Dokumentation,
  • Abrechnung,
  • der kontinuierliche Verbesserungsprozess,

Ergebnisqualität

Die Ergebnisqualität ist die Betrachtung „Was hat man erreicht?“ – eben genau der Ist-Soll-Vergleich, den die Qualitätsdefinition verlangt.

Es wird betrachtet, wie die Patientenversorgung aussieht. Dafür bedient man sich meist standardisierter Register, da die Erfassung der medizinischen Dienstleistung auf „Kundenbasis“ viel zu unzuverlässig ist.

Was sind Normen?

Im Bereich des Qualitätsmanagements spielen Normen eine recht große Rolle, und das nicht nur, weil es selbst in einer Norm festgeschrieben ist.

Normen sind ganz allgemein freiwillige Standards – ihnen ist gemeinsam, dass sie den Stand der Technik abbilden sollen. Die Einhaltung von Normen ist grundsätzlich freiwillig, sie haben für sich genommen nur einen „Empfehlungscharakter“.

Es besteht allerdings die Möglichkeit, dass Normen verpflichtend werden – nämlich dann, wenn der Gesetzgeber in einem Gesetz oder einer Verordnung die Einhaltung des „Stands der Technik“ fordert. Und das ist mit den entsprechenden Normen gleichbedeutend.

Modelle im Rahmen des Qualitätsmanagements

Planung, Prüfung und letztendlich Entscheidungsfindung im Sinne einer kontinuierlichen Verbesserung die „Hauptaufgaben“ des Qualitätsmanagements. Hierfür haben sich verschiedene Modelle entwickelt, die auch eine fortlaufende Überprüfung vorsehen.

PDCA-Zyklus nach Deming

Plan – es erfolgt eine Analyse des Ist-Zustands, des Problems oder des Prozesses. Es werden Ziele festgelegt und Vorgaben gemacht, die erreicht werden sollen (man erinnere sich an die Qualitätsdefinition).

Do – der Plan wird allen Beteiligten kommuniziert und, sofern möglich, „in kleinerem Maßstab“ ausprobiert. Das ist quasi ein Testlauf.

Check – die Ergebnisse werden überprüft. Wurden die Anforderungen im kleinen Maßstab erfüllt? Wurde die Zielsetzung erreicht?

Act – es wird auf das „Check“ reagiert. Bei erfüllten Anforderungen kann die Veränderung im großen Maßstab umgesetzt werden, andernfalls wird sie verworfen und der Zyklus beginnt mit einem neuen „Plan“.

FORDEC

Ursprünglich aus der Luftfahrt stammend, bietet FORDEC eine dem PDCA-Zyklus ähnliches Vorgehen zur Entscheidungsfindung und Evaluierung.

  • Facts – Analyse des Ist-Zustands, des Problems oder des Prozesses
  • Options – welche Optionen gibt es zur Verbesserung oder Problembehebung?
  • Risks – welche Risiken tragen die einzelnen Optionen?
  • Decision – Wahl einer Handlungsoption auf Grundlage der bestehenden Informationen
  • Execution – Ausführung
  • Check – Reevaluation des Ergebnisses

Instrumente des QM für den Rettungsdienst

QM-Handbuch

Das QM-Handbuch ist die Grundlage für das QM-System – Prozesse, Abläufe und Ziele werden festgelegt und dokumentiert. Die Zugänglichkeit für Mitarbeiter muss dabei gewährleistet sein.

Richtig genutzt fungiert es als transparentes, tagesaktuelles betriebliches Informationssystem.

Audits

Werden auf einmal Kombistopfen und Tupfer abgezählt weiß man – ein Audit steht bevor.

Audits sind stichprobenartige Kontrollen, bei denen die Einhaltung der im QM-Handbuch festgelegten Prozesse, Abläufe und Vorschriften überprüft sowie Schwachstellen und Verbesserungspotential erkannt werden sollen.

Diese erfolgen sowohl „intern“ durch geeignete Mitarbeiter als auch „extern“ durch die Prüfer der zertifizierenden Organisation.

Kontinuierlicher Verbesserungsprozess

Ist die Kernaufgabe des QM und zudem Überbegriff für Fehlermeldewesen, Beschwerdemanagement und Vorschlagswesen.

Hier gilt es sowohl, Fehler zu erkennen und zeitnah zu beheben, wie auch einen konstruktiven Umgang mit internen und externen Beschwerden sowie eine systematische Erfassung und ggf. Umsetzung nützlicher Vorschläge.

Fazit

QM-Systeme bieten – unter der Voraussetzung, dass sie „gelebt“ werden, und zwar von Mitarbeitern und Führung gleichermaßen – tatsächlich Benefits. Das gilt sowohl für die Mitarbeiter, wie auch die Führung des Rettungsdienstes und die Patienten.

Es ist zum „Funktionieren“ eines solches Systems allerdings die Teilnahme aller Beteiligten und vor allem die Akzeptanz seines solchen Systems notwendig. Die Chance zur nachhaltigen Verbesserung bietet das System selbst auf jeden Fall.

Ein „Auswendiglernen für’s Examen oder die EP“ wird am Ende des Tages keine Verbesserung, die man ja anstrebt, bewirken.

Wie praxisnah QM gelebt werden kann, sieht man z.B. am Konzept der Field Supervisor.

Literaturempfehlung

Luxem J., Runggaldier K., Karutz H., Flake F. (2020): Notfallsanitäter Heute, 7. Auflage. Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH

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Über SaniOnTheRoad

Qualitätsmanagement im Rettungsdienst

SaniOnTheRoad

Notfallsanitäter, Teamleiter und Administrator des Blogs. Vom FSJler über Ausbildung bis zum Haupt- und Ehrenamt im Regelrettungsdienst und Katastrophenschutz so ziemlich den klassischen Werdegang durchlaufen. Mittlerweile beruflich qualifizierter Medizinstudent im klinischen Abschnitt des Studiums. Meine Schwerpunkte liegen auf Ausbildungs- und Karrierethemen, der Unterstützung von Neueinsteigern, leitliniengerechten Arbeiten sowie Physiologie, Pathophysiologie, Pharmakologie und EKG für den Rettungsdienst. Mehr über mich hier.


5 Kommentare zu diesem Beitrag:

QM eins meiner absoluten Lieblingsthemen dieses Feld ist so riesig und voller Möglichkeiten. Schade nur dass die allermeisten das nicht sehen sondern „dieses QM“ als eine Last oder notwendiges Übel ansehen. Ich denke, dass viele Organisationen ein Top Qualitätsmanagement haben es aber an der Mitarbeiterorienterung im Sinne einer Beteiligung hapert. Da ist noch viel Luft nach oben da.

Sorry, dass ich erst jetzt zu einer Antwort komme ^^

„QM muss gelebt werden“ – das fängt bei der Führung schon an. Und ein gutes QMS muss einfach praxisnah sein; je einfacher und niedrigschwelliger die Beteiligung, desto eher kann man Mitarbeiter zur Mitwirkung motivieren.

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