Der Rettungsdienst & das Medizinstudium

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Aus der Uni – ein Rettungsdienstler berichtet vom Weg ins und aus dem Medizinstudium.

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Es ist eigentlich gar nicht so selten, dass man im Medizinstudium Kommilitonen findet, die gleichzeitig auch Kollegen sind – Rettungsdienstler sind meist gut vertreten, einerseits als Notfallsanitäter, und noch viel häufiger als Rettungssanitäter.

Unter den Notfallsanitätern finden sich gerne diejenigen, die entweder von langer Hand geplant hatten, Medizin zu studieren und auf diese Weise Punkte für AdH und ZEQ gesammelt haben (oder sich als beruflich Qualifizierte beworben haben); oder diejenigen, die nach dem Notfallsanitäter schlichtweg „noch einen draufsetzen“ wollen.

Bei den Rettungssanitätern ist das wiederum etwas inhomogener: manche kamen über ein FSJ in den Rettungsdienst, andere haben den Rettungssanitäter als Selbstzahler gemacht und eine einfache Möglichkeit zur Überbrückung gesucht, wieder andere planen sich langfristig damit das Studium zu finanzieren.

Nachdem das alles keine Seltenheit ist, kann man sich durchaus mal der Frage widmen: was bringt es einem?

Nutzen des Rettungsdienstes für das Studium

Nachdem der allergrößte Teil – alle Notfallsanitäter und die meisten Rettungssanitäter – vom Rettungsdienst in das Studium kommt, ist das die erste Betrachtung des Nutzens, die ich gerne anstellen würde.

Der erste Gedanke, der einem in den Sinn kommt, ist natürlich: Praxiserfahrung.

Auch wenn das Medizinstudium an sich durchaus praktische Inhalte – begonnen beim Krankenpflegepraktikum über Famulaturen bis zum praktischen Jahr – beinhaltet, kommen diese in Anbetracht der Masse an Theorie doch etwas kurz. Da kann eine Tätigkeit im Rettungsdienst durchaus zu Gute kommen.

Man sieht im Laufe der rettungsdienstlichen Tätigkeit durchaus eine Vielzahl unterschiedlicher Krankheitsbilder in unterschiedlichen Ausprägungen und muss mit sehr verschiedenen Patientengruppen interagieren – nicht unbedingt selten in Ausnahmesituationen.

Hieraus kann man gleich mehrfach einen Nutzen ziehen: einmal in Hinblick auf alle klinischen Fächer, und einmal in der Vorklinik in Hinblick auf alles, was mit Arzt-Patient-Interaktion zu tun hat. Gerade im letzteren Fall ist vieles eine Frage von Routine und Übung; und hier profitieren diejenigen mit größerer Praxiserfahrung deutlich.

Fachlich profitiert man darüber hinaus von einem gewissen Prinzipienverständnis. Das bedeutet: man hat viele Dinge schon einmal gehört und in den Grundzügen verstanden (Notfallsanitäter dann doch mehr als die Rettungssanitäter) und fängt in doch relativ vielen Fällen nicht bei Null an.

Lerntechnisch ist es dankbarer, neues Wissen mit bereits bekannten Inhalten zu verküpfen und die teilweise abstruse Menge an Details lernt sich doch wesentlich einfacher, wenn man zumindest mal grundlegend verstanden hat, worum es eigentlich geht.

Interessant ist natürlich auch der Punkt „vor dem Studium“…

Als Notfallsanitäter profitiert man durchaus von der abgeschlossenen Ausbildung und ggf. der Berufserfahrung im Auswahlverfahren für das Medizinstudium, sowohl in der AdH-, als auch der ZEQ-Quote – je nach Universität in unterschiedlichem Maße. Oder, man macht es wie ich, und bewirbt sich mit entsprechender Abschlussnote als beruflich Qualifizierter.

Oder man betrachtet es etwas pragmatischer unter dem Gesichtspunkt „Geld verdienen“...

Ein Studium kostet Geld – entweder durch direkte Ausgaben oder indirekt durch fehlendes Einkommen. Der Rettungsdienst bietet hier eine fast schon „ideale“ Möglichkeit für einen Haupt- oder Nebenerwerb.

Die Möglichkeit, an Wochenenden, Feiertagen oder nachts zu arbeiten und bisweilen einen „Wunschdienstplan“ zu bekommen, der entsprechend zu Pflichtveranstaltungen und Zeit passt, ist da durchaus attraktiv. Je nachdem, für welche Beschäftigungsform man sich entscheidet, kann man durchaus für studentische Verhältnisse gutes Geld verdienen.

Nutzen des Studiums für den Rettungsdienst

Die komplette Betrachtung kann man natürlich auch aus Sicht des leidenschaftlichen Rettungsdienstlers betrachten und sich die Frage stellen, was einem das Medizinstudium unmittelbar für die rettungsdienstliche Arbeit bringt 😉

Der aus meiner Sicht größte Nutzen des Medizinstudiums für den Rettungsdienst ist: es erweitert den Horizont. Und das erheblich. Gerade zu Beginn des Studiums wird einem sehr schnell klar, wie wenig man tatsächlich weiß – und wie groß das Spektrum der Medizin tatsächlich ist. Das ist zwar erstmal ernüchternd bis frustrierend, sorgt aber recht schnell dafür, dass man einige eher fragwürdige rettungsdienstliche Ansichten tatsächlich infrage stellt.

Die ein oder andere Sache, die man im Rahmen der Rettungsdienstausbildung bestenfalls auswendig gelernt hat, ohne sie zu verstehen, wird im Studium dann doch klarer. Das gilt insbesondere auch für relativ komplexe Zusammenhänge.

Der berühmt-berüchtigte Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase-Mangel, der sich bei den Kontraindikationen für Paracetamol in den alten SOPs in Rheinland-Pfalz gefunden hat, wird dann doch mehr als ein auswendig gelernter Begriff, wenn man realisiert, dass a) es ihn wirklich gibt und b) er tatsächlich zu lebensbedrohlichen Konsequenzen für den Patienten führen kann.

Es kommt durchaus vor, dass man in der Lage ist, in der Uni mühselig erlerntes Wissen und Fähigkeiten tatsächlich im Einsatz anzuwenden; gerade in den Fällen, in denen die rettungsdienstliche Ausbildung eigentlich nicht weit genug geht, so z.B. im Rahmen der Patientenkommunikation.

Man kann sich auch einfach besser „verkaufen“, insbesondere dann, wenn man eher rettungsdienstunfreundlichen Ärzten gegenübersteht – eine fachlich korrekte und präzise Beschreibung kann durchaus einen Unterschied machen.

Und im Gegenzug versteht man auch, warum manche Ärzte so handeln, wie sie handeln – oder warum sie so sind, wie sie sind. Selbst das Thema „Standesdünkel“ relativiert sich zum Teil, wenn man selbst mal ein paar Semester hinter sich gebracht hat und realisiert, was wirklich von einem (angehenden) Arzt gefordert wird.

Wie kriegt man das hin?

Einstieg in den Rettungsdienst

Im Prinzip kann man hier auf alle üblichen Varianten zum Einstieg in den Rettungsdienst verweisen – und den Hinweis geben: geht das Vorhaben, wenn ihr es habt, frühzeitig und vor dem Studium an.

Es ist zwar durchaus möglich, die Qualifikation zum Rettungssanitäter verteilt während der Semesterferien zu erwerben; das macht aber durchaus zusätzlich Arbeit und die Motivation zum Lernen ist zwischen den Semestern traditionell…weniger hoch.

Kommen dann noch Pflegepraktika hinzu, wird es nicht nur stressig, sondern schnell „nicht mehr sinnvoll möglich“.

Für diejenigen, die noch Punkte für das Auswahlverfahren der Hochschulen oder die zusätzliche Eignungsquote sammeln wollen (oder müssen), ist ein Freiwilligendienst im Rettungsdienst durchaus eine sinnvolle Alternative.

Arbeiten neben dem Studium

Auch wenn ich das anders sehe, scheint es viele Leute regelrecht zu faszinieren, wie man regelmäßig neben dem Studium arbeiten kann.

Ja, es macht durchaus zusätzlich Arbeit und geht entweder auf Kosten der Lernzeit oder der Freizeit – belastend empfinde ich es allerdings nicht. Man muss sich zwangsläufig vorher Gedanken machen, wie viel Arbeit während des Semesters realistisch möglich ist; zumindest in der Vorklinik halte ich eine 25-%-Teilzeitstelle (oder ein entsprechendes Äquivalent in anderen Beschäftigungsformen) auch für die Grenze dessen, was man dauerhaft leisten kann.

Insgesamt kommt es allerdings sehr auf die Umstände an, wie „gut“ das funktioniert; sowohl hinsichtlich Uni (Pflichtveranstaltungen, Lernaufwand, Zeitmanagement), als auch die Arbeit (Stadt- oder Landrettung, Einsatzaufkommen, Dienstplanung) als auch auf andere Verpflichtungen, Hobbys und Freizeit, die man hat oder haben will.

Wenn die Konstellation passt, ist es allerdings kein Problem – aus meiner persönlichen Sichtweise. Ich empfinde meine Arbeit im Rettungsdienst nicht als zusätzliche Belastung, sondern eher als Ausgleich. Das werden vermutlich nicht alle so empfinden.

Eine sinnvolle Vorabplanung und entsprechende Absprachen mit Wachenleitung, Rettungsdienstleitung und Dienstplanern sind unbedingt notwendig und die eigene Bereitschaft, diesen auch mal entgegen zu kommen.

Unmittelbare Wechsel „von der Arbeit in die Uni“ oder umgekehrt sollte man im Idealfall vermeiden. Die Bereitschaft, auch an Wochenenden, Feiertagen und nachts zu arbeiten muss definitiv vorhanden sein. Ansonsten ist vieles Verhandlungssache und zumindest ein wenig von gegenseitiger Kompromissbereitschaft abhängig.

Interessenkonflikte

Der Autor gibt an, dass keine Interessenkonflikte bestehen.

Quellen

SaniOnTheRoad (2022): Das Auswahlverfahren für das Medizinstudium, abgerufen unter https://saniontheroad.com/auswahlverfahren-medizinstudium/ am 21.03.2024

SaniOnTheRoad (2022): Mein Weg ins Medizinstudium, abgerufen unter https://saniontheroad.com/mein-weg-ins-medizinstudium/ am 21.03.2024

SaniOnTheRoad (2022): Rettungsdienst und Studium: ideale Überbrückung und Nebenerwerb?, abgerufen unter https://saniontheroad.com/rettungsdienst-und-studium-ideale-uberbruckung-und-nebenerwerb/ am 21.03.2024

SaniOnTheRoad (2020): „Kleines 1×1 des Rettungsdienstes“ – Teil 22: Freiwilligendienste im Rettungsdienst, abgerufen unter https://saniontheroad.com/kleines-1×1-des-rettungsdienstes-teil-22/ am 21.03.2024

SaniOnTheRoad (2019): „Kleines 1×1 des Rettungsdienstes“ – Teil 4: How to get started?, abgerufen unter https://saniontheroad.com/kleines-1×1-des-rettungsdienstes-teil-4/ am 21.03.2024

SaniOnTheRoad (2019): „Kleines 1×1 des Rettungsdienstes“ – Teil 2: Ausbildungen im Rettungsdienst, abgerufen unter https://saniontheroad.com/kleines-1×1-des-rettungsdienstes-teil-2/ am 21.03.2024

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Über SaniOnTheRoad

Der Rettungsdienst & das Medizinstudium

SaniOnTheRoad

Notfallsanitäter, Teamleiter und Administrator des Blogs. Vom FSJler über Ausbildung bis zum Haupt- und Ehrenamt im Regelrettungsdienst und Katastrophenschutz so ziemlich den klassischen Werdegang durchlaufen. Mittlerweile beruflich qualifizierter Medizinstudent im vorklinischen Abschnitt. Meine Schwerpunkte liegen auf Ausbildungs- und Karrierethemen, der Unterstützung von Neueinsteigern, leitliniengerechten Arbeiten sowie Physiologie, Pathophysiologie, Pharmakologie und EKG für den Rettungsdienst. Mehr über mich hier.


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