Ein Blick auf’s Ehrenamt: Herausforderungen der Einsatzfrequenz

Bei „Aus dem Pflaster-Laster“ berichte ich von Einsätzen, dem Alltag auf der Rettungswache und von aktuellen Themen – von purer Routine bis zum Drama. Am Ende ziehe ich mein Fazit der Einsätze und zeige auf, was gut lief und was besser laufen könnte. Namen von Patienten, Orten und Kollegen lasse ich selbstverständlich aus.

Wie viel leistet das Ehrenamt wirklich?

Die „weiße Schiene“ des Katastrophenschutzes läuft in der Berichterstattung unter ferner liefen – in den allermeisten Fällen wird sie gar nicht erwähnt, und wenn, dann oft nur in einem Nebensatz.

Ob das nun am eigenen PR-Management und der Öffentlichkeitsarbeit liegt oder daran, dass die Wirkungen und Effekte der eigenen Arbeit einfach weniger eindrücklich sind, als die der Feuerwehrseite: es entsteht einfach der Eindruck, dass das Ehrenamt des medizinischen Katastrophenschutzes entweder nicht existent ist – oder nichts macht.

Das ist natürlich nicht richtig und wird auch den Leistungen (und den Herausforderungen) dieses Bereichs meines Erachtens einfach nicht gerecht. Und dementsprechend soll der folgende Beitrag sich mal ganz dem Einsatz im Rahmen des Ehrenamtes widmen.

Wer meinen Blog schon etwas länger liest, mag sich vielleicht an das Konzept „Bereitstellungs-RTW“ erinnern, worüber ich vor einem guten Jahr berichtet habe.

Nachdem der Bereitstellungs-RTW zumindest im Falle unseres Ortsvereins das „Zugpferd“ der Einsätze im Ehrenamt ist, soll auch der Fokus auf diesem liegen. Flächendeckend verbreitet ist das Konzept nicht und in der deutlichen Mehrzahl der Ortsvereine dürften hingegen First-Responder-Einsätze den Großteil der Tätigkeit ausmachen.

Ein Rückblick auf anstrengende Wochen

Der Wetterumschwung mit Abkühlung und Regen tut nicht nur der Natur und dem eigenen Befinden gut, sondern schafft auch einsatztechnisch im Ehrenamt etwas Ruhe.

Die wochenlange Trockenheit und anhaltend hohen Temperaturen hatten in unserer sehr ländlich geprägten Gegend für ein hohes Einsatzaufkommen gesorgt: Feld- und Flächenbrände waren tatsächlich an der Tagesordnung und hielten nicht nur die Feuerwehr in Atem, sondern auch unser Ehrenamt, welches zur sanitätsdienstlichen Absicherung der Brandeinsätze jeweils in Bereitstellung ging.

Regulär stehen hierfür in unserem Landkreis zwei Bereitstellungs-RTWs zur Verfügung, die jeweils für bestimmte Gebietskörperschaften alarmiert werden. Zudem wurde ein dritter RTW eines weiteren Ortsvereins in Betrieb genommen, welcher derzeit als „Ausfallreserve“ und Unterstützung fungiert und mittelfristig als dritter Bereitstellungs-RTW regulär in Dienst genommen werden soll.

All diese Fahrzeuge werden komplett ehrenamtlich besetzt – in unserem Ortsverein mit Mindestqualifikation Rettungshelfer und Rettungssanitäter, in den beiden anderen nach dem aktuellen HiK-Konzept 3.0 mit Sanitäter und Rettungssanitäter.

Allein im Juli 2023 wurde der Bereitstellungs-RTW bis heute 24 mal alarmiert – teilweise mehrfach am Tag, teilweise liefen mehrere Einsätze parallel oder folgten Schlag auf Schlag. Nachdem einer der B-RTWs aus technischen Gründen einige Zeit außer Dienst war, blieb ein nicht unerheblicher Teil der Einsätze gerade an unserem Ortsverein hängen.

Wenig überraschend war es angesichts der Wetterlage, dass ein Großteil der Einsätze auf Feld-, Flächen- und zwei Waldbrände entfiel. Lediglich jeweils ein Einsatz bezog sich auf einen LKW-Brand und einem Gefahrstoffeinsatz.

Im Rahmen der sanitätsdienstlichen Absicherung kommt es eher begrenzt zu unvorhersehbaren Notfällen – typische Notfallbilder umfassen hier Atembeschwerden (und den Ausschluss einer Rauchgasintoxikation), kleinere Verletzungen und angesichts der Temperaturen Orthostasen, Synkopen und Hitzeerschöpfungen, welche betreut, erstversorgt und nach Notwendigkeit an den Regelrettungsdienst übergeben werden.

Gleichzeitig zeigt sich hier allerdings auch die Daseinsberechtigung und sogar die Notwendigkeit dieses Konzepts: in einem Landkreis, welcher lediglich fünf RTWs der Regelrettung bereit hält, würden mehrere, üblicherweise mehrstündige Bereitstellungseinsätze tagtäglich zu einem Komplettausfall der Regelrettung führen. Insofern stellen die ehrenamtlichen B-RTWs eine erhebliche Entlastung für die Regelrettung dar.

Herausforderungen und Probleme

Vierundzwanzig Einsätze innerhalb eines Monats klingt erstmal nicht nach „viel“ – betrachtet man allerdings die Strukturen, die rein auf Ehrenamtlichkeit und Freiwilligkeit beruhen und zugleich vergleichsweise hohe „Einstiegsvoraussetzungen“ haben, sieht es schon anders aus.

Gerade die Erforderlichkeit von mindestens einer Person mit rettungsdienstlicher Qualifikation – als Rettungssanitäter – stellt das Ehrenamt durchaus vor ein Problem. Es gibt in den meisten Ortsvereinen eher wenige Rettungssanitäter, die ausschließlich im Bereich des Katastrophenschutzes unterwegs sind.

Ein nicht unerheblicher Teil arbeitet hauptamtlich im Rettungsdienst und steht dementsprechend nicht permanent zur Verfügung – analog verhält es sich bei den Mitgliedern, die z.T. weit außerhalb des Landkreises tätig sind und nicht in einer vertretbaren Zeit vor Ort sein können.

Im Endeffekt fallen dem Ehrenamt hier fehlende personelle Redundanzen auf die Füße – es kann nicht jeder eingesetzt werden, es will auch nicht jeder eingesetzt werden, nicht alle, die prinzipiell können und wollen, haben immer die Möglichkeit.

Wenn von 40 Aktiven nur fünf Leute wirklich „aktiv aktiv“ sind, bleibt ein Großteil der Einsätze an diesen hängen. Und wenn sie nicht können, muss durchaus mal kreativ und unkonventionell improvisiert werden. Oder das Fahrzeug bleibt stehen, was leider im Rahmen der Einsatzschwemme auch mal vorgekommen ist.

Trotz meiner mehr oder weniger zeitgleich stattfindenden bzw. bevorstehenden Klausurenphase habe ich mich dann bereit erklärt, doch noch den ein oder anderen Einsatz zu übernehmen – es hat dem Ergebnis zwar keinen Abbruch getan, hat aber durchaus einiges an „Lernzeit“ gekostet und es war durchaus auch manchmal frustrierend, „allein auf weiter Flur“ zu stehen.

Das Konzept stößt gerade hier einfach an die typischen Probleme des Ehrenamts – nämlich den Mangel an Freiwilligen. Das finde ich durchaus sehr schade, zumal keiner der Aktiven (unabhängig davon, wie aktiv sie tatsächlich sind) die Mitwirkung bereut.

Was kann man tun?

Generell kommt die Diskussion nahezu jedes Jahr im Sommer auf und die Lösungsansätze sind eher…unspektakulär.

„Wir brauchen mehr Mitglieder“

…ist wahrscheinlich die häufigste Feststellung und wenig überraschend. Mehr aktive Aktive tragen selbstverständlich zu einer Entlastung bei – aber hier muss man langfristig denken. Bis ein Neumitglied „einsatzbereit“ ist, geht durchaus einige Zeit ins Land. Nicht alle können oder wollen angesichts der notwendigen Zeit eine rettungsdienstliche Qualifikation erwerben.

Es wird allerdings seit einiger Zeit verstärkt Öffentlichkeitsarbeit und Mitgliederwerbung betrieben – gerade auch auf sozialen Medien – die durchaus erste Früchte trägt. Als alleinige Problemlösung und vor allem kurzfristig dürfte die Wirkung aber beschränkt sein.

Hinterfragen muss man natürlich auch die Mindestbesetzung – zumindest im Falle unseres Ortsvereins. Auch wenn wir einen sehr hohen Anteil an Rettungsdienstlern haben, könnte die Personalreserve durchaus größer sein, wenn man auch Mitglieder mit „nur“ sanitätsdienstlicher Ausbildung zum Einsatz freigeben würde.

Zugleich wird – immer wieder – hinterfragt, ob die „Pauschalalarmierung“ zu jedem Feld- und Flächenbrand sinnvoll ist oder ob ein Einsatz auf Anforderung der Feuerwehr vor Ort eine bessere Option darstellt.

Die eine Lösung gibt es hier nicht und man kann auch nicht auf unendlich große andere Erfahrungswerte zurückgreifen – einfach, weil das Konzept nicht so sehr verbreitet ist. Nichtsdestotrotz zeigt es die Notwendigkeit, Sinnhaftigkeit und einfach das Potential des Sanitätsdienstes zwischen Regelrettungsdienst und SEG-Einsatz.

Interessenkonflikte

Der Autor gibt an, dass keine Interessenkonflikte bestehen.

Quellen

Arbeitsgemeinschaft der Hilfsorganisationen im Katastrophenschutz (2018): Katastrophenschutz-Strukturen des Sanitäts-, Betreuungs- und Verpflegungsdienstes in Rheinland-Pfalz, Version 3.0, abgerufen unter https://www.hik-rlp.de/fileadmin/downloads/Fuehrungs-_und_Leitungskraefte_der_Bereitschaften/Fuehrungskraefteausbildungen/HiK-Konzept_3.0_final_Endversion.pdf am 30.07.2023

SaniOnTheRoad (2022): Ein Blick auf’s Ehrenamt: der Bereitstellungs-RTW, abgerufen unter https://saniontheroad.com/ein-blick-aufs-ehrenamt-der-bereitstellungs-rtw/ am 30.07.2023

SaniOnTheRoad (2020): „Kleines 1×1 des Rettungsdienstes“ – Teil 20: Ein Blick auf das Ehrenamt, abgerufen unter https://saniontheroad.com/kleines-1×1-des-rettungsdienstes-teil-20/ am 30.07.2023

SaniOnTheRoad (2020): „Kleines 1×1 des Rettungsdienstes“ – Teil 18: First Responder, abgerufen unter https://saniontheroad.com/kleines-1×1-des-rettungsdienstes-teil-18/ am 30.07.2023

SaniOnTheRoad (2019): „Kleines 1×1 des Rettungsdienstes“ – Teil 2: Ausbildungen im Rettungsdienst, abgerufen unter https://saniontheroad.com/kleines-1×1-des-rettungsdienstes-teil-2/ am 30.07.2023

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Über SaniOnTheRoad

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SaniOnTheRoad

Notfallsanitäter, Teamleiter und Administrator des Blogs. Vom FSJler über Ausbildung bis zum Haupt- und Ehrenamt im Regelrettungsdienst und Katastrophenschutz so ziemlich den klassischen Werdegang durchlaufen. Mittlerweile beruflich qualifizierter Medizinstudent im vorklinischen Abschnitt. Meine Schwerpunkte liegen auf Ausbildungs- und Karrierethemen, der Unterstützung von Neueinsteigern, leitliniengerechten Arbeiten sowie Physiologie, Pathophysiologie, Pharmakologie und EKG für den Rettungsdienst. Mehr über mich hier.


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