Akademisierung des Rettungsdienstes: ein Kommentar

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Rettungsdienst aktuell – Themen die den Rettungsdienst, seine Mitarbeiter und Interessierte beschäftigen. Von leitliniengerechter Arbeit bis zur gesellschaftskritischen Diskussion.

Inhaltsverzeichnis

Der Hintergrund

Die Diskussion um das Reformkonzept des Rettungsdienstes, welches im Herbst letzten Jahres seitens des Bundesgesundheitsministeriums vorgestellt wurde, hat in der Welt des Rettungsdienstes durchaus hohe Wellen geschlagen.

Die rettungsdienstliche Arbeit als eigenständige medizinische Leistung statt nur als „Transportaufgabe“, einheitliche Qualitätsstandards, Änderung der Finanzierung und Schaffen von mehr Gesundheitskompetenz in der Bevölkerung waren hier durchaus Punkte, die viel Zuspruch erhalten haben.

Umstrittener war hingegen das Thema der Akademisierung des Notfallsanitäterberufs – siehe auch meinen Beitrag dazu – und die damit verbundene Umstrukturierung des Rettungsdienstes.

Der Stand der Dinge

Passiert ist bislang…nichts. Um das Reformkonzept ist es still geworden – bis vor einigen Tagen das Bündnis Pro Rettungsdienst gerade das Thema der Akademisierung, bei dem sich die Geister scheiden, nochmals in einem Beitrag aufgegriffen hat.

Der O-Ton ist hier überraschenderweise kritisch und es wird eine relativ deutliche Prioritätensetzung kommuniziert:

„In den Empfehlungen zur Kompetenzausweitung der Notfallsanitäter fokussiert die Regierungskommission einseitig auf Bachelor- und Masterstudiengänge mit der Absicht der Substitution des Notarztes. Dies allein erscheint uns nicht zielführend. […] In Frage steht in diesem Zusammenhang auch, ob die angedachten Studiengänge allein geeignet sind, diejenigen kritischen Fähigkeiten, die für eine Kompetenzausweitung jenseits der Umsetzung des Pyramidenprozesses notwendig wären, überhaupt zu vermitteln.“

Bündnis Pro Rettungsdienst

Selbst unter den „progressiveren“ Kreisen des Rettungsdienstes ist also irgendwie die Erkenntnis gewachsen, dass ein B.Sc. oder M.Sc. hinter dem Namen erstmal zu keiner besseren Versorgung führt – und keines der bestehenden Probleme des Rettungsdienstes löst.

Persönliche Meinung

Mich hat dieses Statement durchaus überrascht, gerade in Anbetracht dessen, dass bei dem Bündnis durchaus starke Befürworter einer Akademisierung mitwirken.

Die Feststellungen, dass…

  • …der alleinige Fokus auf die Akademisierung nicht zielführend ist,
  • …ein Studium allein nicht pauschal die Kompetenzen erweitert (und schon gar nicht langfristig erhält),
  • …eine Vereinheitlichung der bereits bestehenden Studiengänge dringend geboten wäre,
  • …die Notwendigkeit eines Studiums für Notfallsanitäter durchaus infrage gestellt werden kann.

…sind durchaus Dinge, die ich eins zu eins unterschreiben würde. Hier haben wir eine sachliche, kritisch-differenzierte Betrachtung, welche die rettungsdienstliche Realität ohne jede Polemik und ohne Profilneurose widerspiegelt.

Der Clou ist: ich halte das nicht für eine Erkenntnis von Welt – und auch für keine neue Erkenntnis.

Mehr oder weniger die selben Schlussfolgerungen habe ich in einem Beitrag zu dem Thema bereits im September 2023 gezogen:

„Flächendeckende Vereinheitlichung befürworte ich unbedingt – bevor wir aber noch mehr machen sollen, muss erstmal sichergestellt werden, dass wir das sicher beherrschen, was wir schon heute können sollen. Das ist einfach nicht der Fall. Hier fehlen sinnvolle Konzepte der laufenden Fortbildung und Sicherung des Kompetenzniveaus, über die man sich durchaus zuerst Gedanken machen müsste. […] Man sollte sich von dem Gedanken befreien, dass die Akademisierung jedes Problem löst – gerade in Berufen, wo die praktische Handlungskompetenz im Vordergrund steht (wie eben im Rettungsdienst), bringt es keine relevanten Vorteile, ob ein „B.Sc.“ hinter dem Namen prangt oder nicht.“

SaniOnTheRoad (2023): Zur Diskussion: Reformkonzept des Rettungsdienstes

Das soll unter keinen Umständen eine Häme à la „Hab ich doch schon lange vorher gesagt“ sein; das wäre der Sache an sich weder zuträglich, noch guter Stil. Zumal ich das Statement des Bündnisses absolut unterschreiben würde…

Die offene Frage bleibt am Ende des Tages allerdings, weshalb meine Wenigkeit – als Einzelperson ohne große Bedeutung in der Welt des Rettungsdienstes – zu jener Erkenntnis bereits vor einem Dreivierteljahr kam. Oder besser: warum ein Bündnis aus großen, aktiven Organisationen mit durchaus sehr bekannten Namen in der Welt des Rettungsdienstes ein Dreivierteljahr länger braucht, um die selben Schlüsse zu ziehen.

Quellen

Bündnis Pro Rettungsdienst (2024): Akademisierung im Rettungsdienst, abgerufen unter https://pro-rettungsdienst.org/2024/akademisierung-im-rettungsdienst/ am 02.05.2024

SaniOnTheRoad (2023): Zur Diskussion: Reformkonzept des Rettungsdienstes, abgerufen unter https://saniontheroad.com/zur-diskussion-reformkonzept-des-rettungsdienstes/ am 02.05.2024

SaniOnTheRoad (2022): Der studierte Notfallsanitäter, abgerufen unter https://saniontheroad.com/der-studierte-notfallsanitaeter/ am 02.05.2024

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Über SaniOnTheRoad

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SaniOnTheRoad

Notfallsanitäter, Teamleiter und Administrator des Blogs. Vom FSJler über Ausbildung bis zum Haupt- und Ehrenamt im Regelrettungsdienst und Katastrophenschutz so ziemlich den klassischen Werdegang durchlaufen. Mittlerweile beruflich qualifizierter Medizinstudent im vorklinischen Abschnitt. Meine Schwerpunkte liegen auf Ausbildungs- und Karrierethemen, der Unterstützung von Neueinsteigern, leitliniengerechten Arbeiten sowie Physiologie, Pathophysiologie, Pharmakologie und EKG für den Rettungsdienst. Mehr über mich hier.

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