Heilkundliche Maßnahmen für Notfallsanitäter – Update Oktober 2020

Rettungsdienst aktuell – Themen die den Rettungsdienst, seine Mitarbeiter und Interessierte beschäftigen. Von leitliniengerechter Arbeit bis zur gesellschaftskritischen Diskussion.

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Nun, leider muss ich die doch eher positiven Aussichten des September-Updates in einigen Teilen revidieren – die Empfehlungen der Bundesratsausschüsse lehnen die angestrebte Änderung des NotSanG in weiten Teilen ab.

Update vom 12.02.2021

Die Heilkunde für Notfallsanitäter ist beschlossene Sache.

Mehr dazu im Beitrag „Rechtssicherheit für Notfallsanitäter ist Gesetz: Heilkundliche Maßnahmen für Notfallsanitäter – Update Februar 2021„.

Was war zuvor?

Im „Entwurf eines Gesetzes zur Reform der technischen Assistenzberufe in
der Medizin und zur Änderung weiterer Gesetze
„, kurz MTA-Reform-Gesetz, aus dem September 2020 ging es in Artikel 12 um die Einführung eines „§ 2a“, der heilkundliche Maßnahmen durch Notfallsanitäter regeln sollte.

„(1) Bis zum Eintreffen der Notärztin oder des Notarztes oder bis zum Beginn einer
weiteren ärztlichen, auch teleärztlichen Versorgung, dürfen Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter heilkundliche Maßnahmen, einschließlich von heilkundlichen Maßnahmen invasiver Art, dann eigenverantwortlich durchführen, wenn

1. sie diese Maßnahmen in ihrer Ausbildung erlernt haben und beherrschen,

2. die Maßnahmen jeweils erforderlich sind, um Lebensgefahr oder wesentliche Folgeschäden von der Patientin oder dem Patienten abzuwenden,

3. für die vorzunehmende Maßnahme in der konkreten Einsatzsituation standardmäßige Vorgaben für das eigenständige Durchführen von heilkundlichen Maßnahmen bei bestimmten notfallmedizinischen Zustandsbildern und -situationen nach § 4 Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe c
a) nicht vorliegen oder
b) zwar vorliegen, aber von der Notfallsanitäterin oder dem Notfallsanitäter nicht
eigenständig durchgeführt werden dürfen, und

4. eine vorherige Abklärung durch eine Ärztin oder einen Arzt unter Berücksichtigung des Patientenwohles nicht möglich ist.


(2) Das Bundesministerium für Gesundheit entwickelt Muster für standardmäßige
Vorgaben für das eigenständige Durchführen von heilkundlichen Maßnahmen bei bestimmten notfallmedizinischen Zustandsbildern und -situationen nach § 4 Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe c. Bei der Entwicklung der Muster für standardmäßige Vorgaben sind die Länder zu beteiligen. Die entwickelten Muster für standardmäßige Vorgaben werden vom Bundesministerium für Gesundheit bis zum 31. Dezember 2021 im Bundesanzeiger bekannt gemacht.“

– § 2a NotSanG, Entwurf eines Gesetzes zur Reform der technischen Assistenzberufe in
der Medizin und zur Änderung weiterer Gesetze

Auch wenn diese verklausulierten Absätze nicht das Nonplusultra waren, so wären sie zumindest ein Schritt in die richtige Richtung gewesen – jedenfalls besser als der juristische Status quo und besser als andere Vorschläge.

Worum geht es nun?

Die Bundesratsausschüsse haben über den Gesetzentwurf beraten – und lehnen die verklausulierte Formulierung weitgehend ab (Drucksache 562/1/20 vom 26. Oktober 2020). Hierbei handelt es sich lediglich um eine Empfehlung, die in der Sitzung des Bundesrates am 6. November vorgetragen wird.

Das Ziel, Rechtssicherheit für Notfallsanitäter zu schaffen und die Arbeit im rechtfertigenden Notstand (§ 34 StGB) ad acta zu legen, werde mit dem vorliegenden Entwurf nicht erfüllt.

Wo liegen die Probleme?

„1c)“-Maßnahmen

Die grundsätzliche Genehmigung von den „1c)“-Maßnahmen wird sogar befürwortet, allerdings nicht wie vorgeschlagen.

Da akute Notsituationen derart komplex sind (oder sein können), wäre hier die Regelung über eine Vorabdelegation – sprich: standardisierte Vorgaben – nicht sinnvoll und würde die Notwendigkeit nicht korrekt abbilden.

„2c)“-Maßnahmen

Eine lebensbedrohliche Notfallsituation liegt bei diesen in aller Regel nicht vor – dementsprechend ist hier das unmittelbare Eingreifen des Notfallsanitäters mit invasiven Maßnahmen nicht notwendig.

Eine solche Freigabe kann im Sinne der Vorabdelegation durch die Ärztlichen Leiter Rettungsdienst erfolgen – in allen anderen Fällen ist es eine ärztliche Aufgabe.

Vorherige ärztliche Abklärung

Das dürfte die Notfallsanitäter (und den DBRD) freuen – § 2a Abs. 1 Nr. 4 fliegt raus.

Es wird begründet: in einer Notsituation ist die Nachforderung eines Notarztes ohnehin obligat, eine Dopplung der Forderung nach einer vorherigen ärztlichen Abklärung würde die Rechtsunsicherheit nur noch verstärken.

Gesetzgebungskompetenz

Wie ich gerne erwähne

„Rettungsdienst ist Ländersache“

Und die Meinung vertreten auch die Ausschüsse des Bundesrates. „Wie“ der Rettungsdienst in den einzelnen Ländern ablaufen soll, ist Sache der Bundesländer. Auch die angesprochenen Muster-Empfehlungen für delegationsfähige Maßnahmen sind Sache der Länder (und der ÄLRDs)

Status des Gesetzes

Das Notfallsanitätergesetz ist ein Berufsausbildungsgesetz, kein Berufsausübungsgesetz – und das soll auch so bleiben. Der Paragraph wird schlicht als „Fremdkörper“ im Gesamtkonstrukt gesehen.

Prinzipiell wird hier auf die Änderung anderer Gesetze hingewiesen – allen voran des Heilpraktikergesetzes (HeilprG).

Was heißt das für die Praxis?

Abwarten, wie der Bundesrat am 6. November entscheiden wird.

Die Ausschüsse empfehlen quasi nur eine „verkürzte“ Form des Entwurfs zu § 2a – nämlich

„(1) Bis zum Eintreffen der Notärztin oder des Notarztes oder bis zum Beginn einer
weiteren ärztlichen, auch teleärztlichen Versorgung, dürfen Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter heilkundliche Maßnahmen, einschließlich von heilkundlichen Maßnahmen invasiver Art, dann eigenverantwortlich durchführen, wenn

1. sie diese Maßnahmen in ihrer Ausbildung erlernt haben und beherrschen,

2. die Maßnahmen jeweils erforderlich sind, um Lebensgefahr oder wesentliche Folgeschäden von der Patientin oder dem Patienten abzuwenden.

– § 2a NotSanG, Entwurf eines Gesetzes zur Reform der technischen Assistenzberufe in
der Medizin und zur Änderung weiterer Gesetze

um letztendlich die Ausbildungsziele des § 4 NotSanG auch in der Berufsausübung wiederzuspiegeln.

Eine Änderung anderer Gesetze – wie z.B. die Aufnahme des Notfallsanitäters in das Heilpraktikergesetz – würde eine ebenso tragbare Lösung darstellen

Es bleibt derzeit nur das aggressive Zuwarten, welche Lösungsvorschläge sich durchsetzen. Und welche in der Praxis eine reelle Verbesserung bringen.

Empfehlungen der Bundesratsausschüsse

Update vom 12.02.2021

Die Heilkunde für Notfallsanitäter ist beschlossene Sache.

Mehr dazu im Beitrag „Rechtssicherheit für Notfallsanitäter ist Gesetz: Heilkundliche Maßnahmen für Notfallsanitäter – Update Februar 2021„.

Quellen

SaniOnTheRoad (2020); Der NotSan, das Heilpraktikergesetz und die Regelkompetenz, abgerufen unter https://saniontheroad.com/der-notsan-das-heilpraktikergesetz-und-die-regelkompetenz/ am 03.02.2022

SaniOnTheRoad (2020); Heilkunde für Notfallsanitäter ist Gesetz – im Ausnahmefall, abgerufen unter https://saniontheroad.com/heilkunde-fur-notfallsanitater-ist-gesetz-im-ausnahmefall/ am 03.02.2022

SaniOnTheRoad (2020); Gesetzesentwurf zur Änderung des NotSanG 2020 – Vom Regen in die Traufe?, abgerufen unter https://saniontheroad.com/gesetzesentwurf-zur-anderung-des-notsang-2020-vom-regen-in-die-traufe/ am 03.02.2022

SaniOnTheRoad (2020): Heilkundliche Maßnahmen für Notfallsanitäter – Update September 2020, abgerufen unter https://saniontheroad.com/heilkundliche-masnahmen-fur-notfallsanitater-update-september-2020/ am 30.10.2020

Bundesgesundheitsministerium (2020): Entwurf eines Gesetzes zur Reform der technischen Assistenzberufe in der Medizin und zur Änderung weiterer Gesetze (MTA-Reform-Gesetz); https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/GuV/M/MTA-Reform-Gesetz_Kabinettsvorlage.pdf, abgerufen am 30.10.2020

Bundesrat (2020): Empfehlungen der Ausschüsse zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform der technischen Assistenzberufe in der Medizin und zur Änderung weiterer Gesetze (MTA-Reform-Gesetz) vom 26. Oktober 2020; Drucksache 562/1/20; https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2020/0501-0600/562-1-20.pdf?__blob=publicationFile&v=1, abgerufen am 30.10.2020

S+K-Verlag (2020): Rechtsunsicherheit durch Ausnahme vom Heilpraktikergesetz für Notfallsanitäter?, abgerufen unter https://www.skverlag.de/rettungsdienst/meldung/newsartikel/rechtsunsicherheit-durch-ausnahme-vom-heilpraktikergesetz-fuer-notfallsanitaeter.html am 30.10.2020

Bundesamt für Justiz (2020): Gesetz über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (HeilprG), abgerufen unter http://www.gesetze-im-internet.de/heilprg/ am 30.10.2020


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Heilkundliche Maßnahmen für Notfallsanitäter – Update Oktober 2020

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Notfallsanitäter, Teamleiter und Administrator des Blogs. Vom FSJler über Ausbildung bis zum Haupt- und Ehrenamt im Regelrettungsdienst und Katastrophenschutz so ziemlich den klassischen Werdegang durchlaufen. Mittlerweile beruflich qualifizierter Medizinstudent im klinischen Abschnitt des Studiums. Meine Schwerpunkte liegen auf Ausbildungs- und Karrierethemen, der Unterstützung von Neueinsteigern, leitliniengerechten Arbeiten sowie Physiologie, Pathophysiologie, Pharmakologie und EKG für den Rettungsdienst. Mehr über mich hier.


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