2.8 Nervensystem

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Lernziele

Nach diesem Beitrag kennst Du

  • die Bestandteile des Nervengewebes und deren Aufgaben,
  • den grundlegenden anatomischen Aufbau des Nervensystems,
  • den Aufbau und die Funktion von Gehirn und Rückenmark,
  • die verschiedenen Hirnhäute,
  • die funktionelle Einteilung des Nervensystems,
  • die Bedeutung von Sympathikus und Parasympathikus,
  • den grundlegenden Ablauf der Signalübertragung an Synapsen,
  • die Adrenorezeptoren und ihre Funktion.

Abstract

Das Nervensystem repräsentiert nicht nur die Vitalfunktion „Bewusstsein“, sondern ist auch maßgeblich an der Steuerung und Beeinflussung anderer Körperfunktionen beteiligt.

In der anatomischen Einteilung wird zwischen dem zentralen und peripheren Nervensystem unterschieden, in der funktionellen Einteilung zwischen somatischen und vegetativen Nervensystem.

In letzterem Stellen Sympathikus und Parasympathikus Gegenspieler dar, welche gemeinsam für eine Vielzahl von physiologischen Funktionen relevant sind.

Die Signalübertragung erfolgt meist an chemischen Synapsen in einem Zusammenspiel von elektrischen Reizen, Neurotransmittern und entsprechenden Rezeptoren.

Inhaltsverzeichnis


Einleitung

Das Nervensystem repräsentiert die dritte, primäre Vitalfunktion – das Bewusstsein.

Es nimmt dabei eine Art Sonderstellung ein: es ist nicht nur die Stütze einer primären Vitalfunktion, sondern auch für die Steuerung und Beeinflussung anderer Vital- und Körperfunktionen essentiell.

Die eigentlichen Hauptaufgaben des Nervensystems sind die

  • Reizaufnahme
  • Reizverarbeitung und
  • Reizweiterleitung.

Durch diese Aufgaben ist das Nervensystem eng mit zahlreichen physiologischen Funktionen verwoben und das zugehörige Verständnis von Physiologie, Pathophysiologie und letztendlich der Therapie etwaiger Störungen sind Grundkenntnisse der Neuroanatomie und Neurophysiologie zwingend notwendig.

Die Komplexität des Nervensystems wird schon durch verschiedene Einteilungen – einmal anatomisch nach der Lage, einmal funktionell entsprechend der Funktion – deutlich.

Prüfungsrelevant

  • Hauptaufgaben des Nervensystems: Reizaufnahme, -verarbeitung und -weiterleitung

Nervengewebe

Grundlage für das Nervensystem als Ganzes bildet das Nervengewebe – man unterscheidet hier zwischen den Neuronen als Parenchym (dem eigentlichen Funktionsgewebe) und den Gliazellen als Stroma (Stützgewebe), welches verschiedene unterstützende Funktionen wahrnimmt.

Neuronen

Nervenzellen (Neuronen) sind hochgradig spezialisierte Zellen, welche die Reizaufnahme, Reizbildung und Reizweiterleitung – und damit die Informationsverarbeitung und Steuerung zahlloser Körperfunktionen – ermöglichen.

Im Vergleich zur „Standardzelle“ finden sich schon im Aufbau einige Besonderheiten:

  • Nervenzellen verfügen über Dendriten als „Ausläufer“, welche zur Reizaufnahme dienen – zum Beispiel über Rezeptoren oder andere Nervenzellen
  • Nervenzellen verfügen über ein Axon als „Ausläufer“ zur Reizweiterleitung; entweder auf andere Nervenzellen oder auf ein „Zielorgan“, z.B. einen Muskel

Die Reize werden innerhalb des Neurons grundsätzlich elektrisch mittels Ionenfluss weitergeleitet – die Überleitung an Verbindungsstellen zu anderen Nervenzellen oder Zielorganen (Synapsen) erfolgt vorwiegend chemisch (d.h. mittels Botenstoffen und Rezeptoren).

Die Neuronen können dabei sowohl untereinander kommunizieren (elektrisch oder chemisch) als auch Reize von „Zielorganen“ empfangen (z.B. Rezeptoren in der Körperperipherie) und senden (z.B. Muskelzellen).

Für die Reizverarbeitung ist der Nervenzellkörper (Perikaryon oder Soma) zuständig, welcher der „eigentlichen“ Zelle entspricht. Die Nervenzellkörper haben dabei sowohl ein sehr stark ausgeprägtes raues endoplasmatisches Retikulum (in Form so genannter „Nissl-Schollen“) sowie zahlreiche Mitchondrien, um den Energiebedarf zu decken.

Im Nervenzellkörper wird entschieden, ob und wohin ein Reiz ausgelöst wird – sprich: ein Einstrom positiv geladener Ionen erfolgt. Die Reizbildung selbst erfolgt am Axonhügel, also dem Beginn des Axons am Nervenzellkörper.

Die Nervenzellkörper selbst stellen sich, wegen ihrer gräulichen Färbung, als graue Substanz dar. Die Nervenfasern (Bündel mehrerer Axone) werden aufgrund ihrer weißen Färbung entsprechend als weiße Substanz bezeichnet.

Die hochgradige Spezialisierung hat allerdings auch gravierende Nachteile; einige Zellfunktionen gehen nämlich dadurch ganz oder teilweise verloren: zum Beispiel die Möglichkeit der Zellteilung.

Dadurch können sich beschädigte Neuronen nur schwer regenerieren und zerstörte Neuronen werden nicht ersetzt.

Prüfungsrelevant

  • Neuronen: bestehen aus Zellkörper (Perikaryon/Soma), Dendriten und Axon
  • Dendriten: dienen der Reizaufnahme
  • Axon: dient der Reizweiterleitung
  • graue Substanz: Ansammlung von Nervenzellkörpern
  • weiße Substanz: Nervenfasern
  • Beschädigte oder zerstörte Neuronen im zentralen Nervensystem werden nicht ersetzt

Gliazellen

Von den eigentlichen Nervenzellen werden die Gliazellen abgegrenzt. Diese werden wiederum in verschiedene Subtypen eingeteilt, die je nach Art und Lage unterschiedliche Funktionen wahrnehmen.

Zu den typischen Funktionen des Gliagewebes zählen

  • die Stützfunktion – durch Bildung eines „sternförmigen“ Netzes zur mechanischen Verbindung von Neuronen und Verbindungen zu Blutgefäßen
  • die Schutzfunktion – einerseits durch Bildung der Blut-Hirn-Schranke, andererseits durch Bereitstellung von Immunzellen und
  • elektrische Isolierung von Axonen zur schnelleren Erregungsleitung

Prüfungsrelevant

  • Aufgaben der Gliazellen: Stützfunktion, Schutzfunktion und elektrische Isolierung

Anatomische Einteilung des Nervensystems

Die anatomische Einteilung des Nervensystems richtet sich nach der Lage der einzelnen Strukturen – die grundlegende Unterscheidung wird hier zwischen dem zentralen Nervensystem (ZNS) und dem peripheren Nervensystem (PNS) getroffen.

Zentrales Nervensystem

Das Zentrale Nervensystem umfasst sowohl das Gehirn, als auch das Rückenmark. Als definitionsgemäße Abgrenzungen zum peripheren Nervensystem kommen dabei zwei Möglichkeiten in Betracht

  • die Hirn-/Rückenmarkshäute: alles, was von diesen umgeben ist, zählt zum ZNS oder
  • die Gliazellen: die Unterscheidung wird nach dem Zelltyp der umhüllenden Gliazellen der Nervenfasern festgemacht.

Gehirn

Das Gehirn bildet sozusagen das „Herzstück“ des ZNS und des Nervensystems insgesamt: es erfüllt nicht nur die Grundfunktionen der Reizbildung, -verarbeitung und -weiterleitung, sondern integriert verschiedene Reize und ermöglicht die bewusste Steuerung von Körperfunktionen wie auch die bewusste Wahrnehmung von Reizen.

Das Gehirn schafft damit die Grundlage für das Bewusstsein (u.a. der Sinneseindrücke Sehen, Hören und Fühlen) und kognitive Funktionen wie Gedächtnis, Emotionen und Sprache wie auch die (Mit)Regulation der Körperhomöostase.

Aufgrund seiner elementaren Wichtigkeit liegt es gut geschützt im knöchernen Schädel – von wenigen Durchtrittsstellen von Hirnnerven und Gefäßen bildet lediglich das große Hinterhauptsloch (Foramen magnum), wo das verlängerte Mark in das Rückenmark übergeht, die Verbindungen zum Rest des Körpers.

Abgesehen von dem Schutz des knöchernen Schädels wird das Gehirn zusätzlich durch die Hirnhäute geschützt (dazu später mehr) und ist von Hirn-Rückenmarks-Flüssigkeit (Liquor cerebrospinalis) als „Nährlösung“ und Stoßdämpfer umgeben.

Die genaue neuroanatomische Einteilung des Gehirns ist komplex – als Rettungssanitäter sollte man sich dementsprechend auf die wichtigsten Grundlagen konzentrieren:

  • das Großhirn
  • das Zwischenhirn
  • der Hirnstamm
  • das Kleinhirn

Das Großhirn (auch: Endhirn) ist der größte der Hirnabschnitte – es beinhaltet graue Substanz insbesondere in der Großhirnrinde (Cortex cerebri) und in tiefer gelegenen Kerngebieten. Das Großhirn wird aus zwei längsgeteilten Hälften, den Hemisphären, gebildet, welche unterschiedliche Funktionen wahrnehmen und über den Balken (Corpus callosum) miteinander verbunden.

Die Großhirnrinde ist zudem von diversen Furchen (Sulci) durchzogen, welche die Windungen (Gyri) der Großhirnrinde bilden.

Das Großhirn wird zudem in verschiedene „Lappen“ (Lobi) nach entsprechender Lage eingeteilt, welche bestimmte Hirnfunktionen wahrnehmen.

Hinsichtlich der Lokalisation der einzelnen Hirnfunktionen auf die verschiedenen Lappen des Großhirns kann mit folgenden Vereinfachungen gearbeitet werden:

  • Stirn-/Frontallappen: Bewegungssteuerung/Motorik – auch motorische Sprachproduktion (Broca-Areal)
  • Scheitel-/Parietallappen: bewusste sensorische Wahrnehmung
  • Hinterhauptlappen/Okzipitallappen: Verarbeitung visueller Impulse, Sehzentrum
  • Schläfen-/Temporallappen: Hören, Sprachverständnis (Wernicke-Areal)

Das Zwischenhirn (Diencephalon) liegt, wie der Name schon suggeriert, zwischen zwei Strukturen des Gehirns – nämlich zwischen dem Großhirn und dem Hirnstamm. Es verfügt insbesondere über eine „Filterfunktion“ der Informationsweiterleitung, spielt bei Lernen, Gedächtnis und Emotionen eine große Rolle und bildet über die Hypophyse und Epiphyse die Schnittstelle zwischen Hormon- und Nervensystem.

Der Hirnstamm, welcher aus Mittelhirn, Brücke und verlängertem Mark gebildet wird, beherbergt vor allem die Steuerung von Vitalfunktionen – er beherbergt insbesondere die Zentren für Atem- und Kreislaufregulation.

Das Kleinhirn liegt zwischen Okziptiallappen und Hirnstamm und hat insbesondere für die Motorik eine große Bedeutung: unbewusste Bewegungsabläufe, die unbewusste Interpretation von Muskelarbeit und Gelenkstellungen oder die Feinmotorik werden maßgeblich durch das Kleinhirn gesteuert.

Prüfungsrelevant

  • Zentrales Nervensystem (ZNS) wird durch Gehirn und Rückenmark gebildet
  • Einteilung des Gehirns: Großhirn, Zwischenhirn, Hirnstamm, Kleinhirn
  • Liquor cerebrospinalis: klare, zellarmes Ultrafiltrat aus Blutplasma, dient als „Stoßdämpfer“

Praxisrelevant

  • Schädigung des Broca-Areals: abhackte, stockende Sprache bei erhaltenem Sprachverständnis (motorische Aphasie)
  • Schädigung des Wernicke-Areals: flüssige Sprachproduktion, unsinnige Wörter/Neologismen, gestörtes Sprachverständnis (sensorische Aphasie)

Hirnhäute (Meningen)

Auch wenn die faktische Bedeutung der einzelnen Hirnhäute und „wie sie das Gehirn umgeben“ im Falle der Rettungssanitäterausbildung eher gering ist, werden diese zu gerne geprüft.

Die äußerste Schicht, die unser Gehirn umgibt, ist die Kopfschwarte, welche außen auf dem knöchernen Schädel, der Kalotte, aufliegt.

Unterhalb der Kalotte findet sich die harte Hirnhaut (Dura mater) als erste der Hirnhäute. Zwischen der Schädelkalotte und der Dura mater kann sich der Epiduralraum ausbilden – z.B. im Falle einer Blutung – physiologisch ist dieser im Hirnschädel nicht vorhanden. Die Dura mater beinhaltet vor allem venöse Gefäße, welche sich sammeln und das Blut in das venöse System abtransportieren.

Der Dura mater schließt sich die Arachnoidea (Spinngewebshaut) als mittlere Hirnhaut an. Zwischen Dura mater und Arachnoidea befindet sich der physiologisch ebenfalls sehr schmale Subduralraum. Unterhalb der Arachnoidea befindet sich der Subarachnoidalraum, welcher mit Liquor cerebrospinales gefüllt ist und ebenfalls Arterien beinhaltet.

Die untere Grenze – und zugleich dritte Hirnhaut – bildet die weiche Hirnhaut (Pia mater), die dem Gehirn selbst unmittelbar aufliegt.

Quelle: Wikimedia Commons, gemeinfrei.

Prüfungsrelevant

  • Umgebende Strukturen des Gehirns von außen nach innen: Kopfschwarte – Kalotte – Epiduralraum (nur pathologisch im Gehirn vorhanden) – Dura mater – Subduralraum – Arachnoidea – Subarachnoidalraum – Pia mater – Gehirn

Rückenmark

Über das verlängerte Mark geht das Gehirn praktisch nahtlos in das Rückenmark über, welches den zweiten Teil des zentralen Nervensystems darstellt. Das Rückenmark verläuft als Strang von kranial nach kaudal gut geschützt innerhalb des Wirbelkanals der Wirbelsäule. Auf Höhe der Lendenwirbelkörper (meist L2) endet das Rückenmark als solches und teilt sich in einzelne Nervenfasern (Cauda equina, Pferdeschweif) auf.

Wie das Gehirn wird auch das Rückenmark von mehreren Häuten umgeben, welche genau den Hirnhäuten entsprechen – aufgrund der Lage wird hier, wer hätte es gedacht, jedoch von den Rückenmarkshäuten gesprochen. Im Gegensatz zum Gehirn ist der Epiduralraum zwischen Dura mater und Arachnoidea hier allerdings mit Fettgewebe und Venen gefüllt und physiologisch vorhanden.

Wie im Gehirn gibt es ebenfalls eine Unterteilung von grauer und weißer Substanz, d.h. Nervenzellkörpern und Nervenfasern. Die graue Substanz des Rückenmarks verläuft als schmetterlingsförmige Struktur im inneren des Rückenmarks und ist außen von weißer Substanz umgeben.

Wofür Nervenzellkörper im Rückenmark? Das Rückenmark hat zwar die Erregungsweiterleitung von und zum Gehirn hin als eine Hauptaufgabe, jedoch werden dort auch Impulse zwischen Nervenzellen umgeschaltet und selbst Reaktionen ausgelöst.

Zahlreiche Reflexe – nämlich alles, was schnell gehen muss – werden auf Rückenmarksebene gesteuert und die Reaktion eingeleitet, bevor diese überhaupt im Großhirn verarbeitet wird.

Prüfungsrelevant

  • Rückenmark: bestehend aus grauer und weißer Substanz, von Rückenmarkshäuten umgeben, zieht vom großen Hinterhauptsloch bis in den oberen LWS-Bereich
  • Funktion des Rückenmarks: Reizleitung in die Körperperipherie und zurück, Steuerung von Reflexen

Peripheres Nervensystem

Wo es ein zentrales Nervensystem gibt, muss es auch ein peripheres Nervensystem (PNS) geben – und als genau umgekehrte Definition fällt darunter alles, was nicht von Hirnhäuten umgeben ist.

Im Wesentlichen umfasst das die Hirnnerven, die Spinalnerven und periphere Ganglien.

Der Mensch verfügt über zwölf Hirnnerven, die unmittelbar vom Gehirn (meist dem Hirnstamm) abgehen und für elementare Funktionen des Kopfbereichs (z.B. Sehen, Hören, Riechen) verantwortlich sind. Lediglich der zehnte Hirnnerv (Nervus vagus) innerviert bis in den Thorax.

„Nice to know“

Die ersten beiden Hirnnerven Nervus olfactorius (I, Riechnerv) und Nervus opticus (II, Sehnerv) sind de facto keine peripheren Nerven, sondern Teile des Gehirns. Traditionell werden sie allerdings dennoch den Hirnnerven zugerechnet.

Vom Rückenmark gehen wiederum paarige Spinalnerven (meist 31 Stück) ab, welche die Verbindung vom ZNS zum restlichen Körper darstellen und sich entsprechend in ihrem Innervationsgebiet weiter verzweigen.

Ganglien (Singular: Ganglion) sind nichts anderes als Anhäufungen von Nervenzellkörpern außerhalb des ZNS, welche häufig von Bindegewebe umgeben sind.

Prüfungsrelevant

  • Peripheres Nervensystem: 12 Hirnnerven, meist 31 Spinalnerven, periphere Ganglien

Funktionelle Einteilung des Nervensystems

Die zweite, große Einteilung des Nervensystems erfolgt als funktionelle Einteilung – also eine Unterscheidung nach „was steuert was“. Inbesondere die Unterscheidung zwischen dem willkürlichen und dem unwillkürlichen Nervensystem sind dabei relevant.

Dabei ist insbesondere das unwillkürliche (vegetative) Nervensystem für die Steuerung und (Mit-)Beeinflussung zahlreicher Körperfunktionen sowie das Verständnis hinsichtlich der Wirkweise verschiedener Medikamente hochgradig relevant – und wird dementsprechend gerne geprüft 😉

Willkürliches (somatisches) Nervensystem

Das somatische Nervensystem ist – vereinfacht ausgedrückt – für alle „bewussten“ Vorgänge verantwortlich.

Das umfasst zum einen die bewusste Wahrnehmung von Sinnesreizen (z.B. Sehen, Hören, Fühlen), zum anderen natürlich auch die willentliche Steuerung von Bewegungen, z.B. der Skelettmuskulatur. Bei diesen Vorgängen ist letztendlich stets die Großhirnrinde die maßgebliche Steuerungszentrale – ggf. nach mehrfacher Umschaltung der Reize.

Unwillkürliches (vegatatives) Nervensystem

Das Gegenstück zu allen willkürlichen Steuerungen stellt das unwillkürliche Nervensystem dar, welches entsprechend eine große Anzahl von Körperfunktionen unbewusst steuert oder beeinflusst.

Unter diese Funktionen fallen beispielsweise die Herzkraft und die Herzfrequenz, die glatte Muskulatur im Magen-Darm-Trakt, den Gefäßen oder den Bronchien sowie die Schweiß- und Speichelproduktion.

Das vegetative Nervensystem besteht aus zwei „Gegenspielern“, welche entgegengesetzte Reaktionen des Körpers vermitteln: den Sympathikus und den Parasympathikus.

Die Wirkung des Sympathikus ist dabei „anregend“, um eine „Fight oder Flight“-Reaktion vorzubereiten und aufrecht zu erhalten – also die Vorbereitung auf Kampf oder Flucht. Dementsprechend werden verstärkt die Körperfunktionen aktiviert, welche für eine große körperliche Leistungsfähigkeit notwendig sind.

Das bedeutet, dass Herzfrequenz, Herzkraft und Blutdruck (Engstellung der peripheren Arteriolen) steigen, die Bronchien weiten sich; wohingegen die Speichelproduktion und die Peristaltik (Bewegung) des Magen-Darm-Traktes abnimmt.

Der entsprechende Neurotransmitter, welcher die Aktivierung des Sympathikus zur Folge hat, ist Noradrenalin.

Umgekehrt repräsentiert der Parasympathikus den „entspannten Grundzustand“ des Körpers („Rest & Digest“) – während Verdauungsvorgänge durch den Parasympathikus angeregt werden, hat er auf andere Körperfunktionen wie Blutdruck, Bronchienweite und Herzfrequenz eine normalisierende bis hemmende Wirkung.

Der Neurotransmitter des Parasympathikus ist Acetylcholin, welcher insgesamt einer der häufigsten Neurotransmitter ist.

Prüfungsrelevant

  • Vegetatives Nervensystem: unwillkürliche Steuerung von Körperfunktionen, Unterscheidung zwischen Sympathikus und Parasympathikus als funktionelle Gegenspieler
  • Sympathikus: aktivierende Wirkung, „Fight or Flight“, Neurotransmitter Noradrenalin
  • Parasympathikus: entspannende/normalisierende Wirkung, „Rest and Digest“, Neurotransmitter Acetylcholin

Rezeptoren & Signalübertragung

Damit Zellen überhaupt auf Reize entsprechend reagieren können (und letztendlich das tun, was sie tun sollen), braucht es eine entsprechende „Empfangseinrichtung“ und einen „Überträger der Information“. Das stellen im Falle der Zelle die Rezeptoren (als Empfangseinrichtung) sowie die verschiedenen Neurotransmitter (als Überträgerstoffe) dar.

Rezeptoren selbst sind dreidimensionale Proteine, die mehr oder weniger selektiv bestimmte Liganden (Botenstoffe) binden können und damit aktiviert werden. Je nach Zelle können Rezeptoren eine erregende oder hemmende Wirkung haben – auch bei „aktivierenden“ Neurotransmittern.

Die „Wirkung“ hängt somit maßgeblich davon ab, an welchen Rezeptor der Neurotransmitter bindet. Die unterschiedlichen Wirkungen von Sympathikus und Parasympathikus in verschiedenen Geweben des Körpers hängen also damit zusammen, dass man jeweils unterschiedliche Rezeptoren dort findet.

Rezeptoren und Neurotransmitter (oder allgemeiner Ligand) funktionieren nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip – eine Interaktion kommt nur dann zustande, wenn Neurotransmitter/Ligand räumlich zueinander passen.

Darstellung des Schlüssel-Schloss-Prinzips. Quelle: eigenes Werk. © 2022 SaniOnTheRoad.

Praxisrelevant

  • Rezeptoren sind meist spezifisch für bestimmte Stoffe/Stoffgruppen (Schlüssel-Schloss-Prinzip)
  • Die Wirkung eines Neurotransmitters hängt von dem Rezeptor ab, an dem er andockt

Signalübertragung an Synapsen

Synapsen sind nichts anderes als Verbindungsstellen zwischen zwei Zellen – das können sowohl zwei verschiedene Nervenzellen sein, wie auch die Verbindung von Nervenzelle zur Zielzelle eines Organs. In der Funktion werden elektrische Synapsen – bei denen die Reizübertragung mittels Ionenfluss erfolgt – und chemische Synapsen, welche Neurotransmitter und Rezeptoren nutzen, unterschieden.

Chemische Synapsen stellen die häufigste Form dar und sollen deshalb im Folgenden zumindest in ihren Grundzügen betrachtet werden.

Siehe auch

Eine Synapse besteht aus der Präsynapse, der Postsynapse und dem dazwischenliegenden synaptischen Spalt.

Die Präsynapse repräsentiert dabei das Axonende der Nervenzelle, von der der ursprüngliche Reiz ausgeht. In ihr befinden sich typischerweise kleine, mit Neurotransmittern gefüllte Bläschen (Vesikel), die bei Eintreffen eines elektrischen Reizes mit der Membran der Präsynapse verschmelzen und die Neurotransmitter in den synaptischen Spalt freisetzen.

Dort diffundieren die Neurotransmitter zur Postsynapse – also entweder einer weiteren Nervenzelle oder der Zielzelle – und binden an die dort befindlichen Rezeptoren, wodurch eine Reaktion ausgelöst wird (z.B. Fortleitung des Signals durch Ioneneinstrom, Aktivierung intrazellulärer Signalkaskaden). Schließlich wird der Neurotransmitter abgebaut und zum Teil zurück in die Präsynapse transportiert.

Relevante Rezeptoren

Im Rahmen der Rettungssanitäterausbildung spielen vor allem die Adrenorezeptoren (= Rezeptoren, welche auf Adrenalin/Noradrenalin reagieren), eine große Rolle. Sowohl Adrenalin als auch Noradrenalin gehören zur Gruppe der Katecholamine.

Insgesamt werden drei Arten von adrenergen Rezeptoren mit diversen Subtypen unterschieden; für den Rettungsdienst ist die Beschränkung auf alpha-1-, beta-1- und beta-2-Rezeptoren jedoch völlig ausreichend.

α1-Adrenorezeptoren finden sich vorwiegend in den Blutgefäßen, insbesondere an den Arteriolen in der Körperperipherie. Sie sind insbesondere wichtig für die Blutdruckregulation: bindet Adrenalin oder Noradrenalin (oder ein anderes Katecholamin) an diese, führt es zu einer Kontraktion der glatten Gefäßmuskulatur (Vasokonstriktion) und dadurch zu einer Erhöhung des Blutdrucks (bei gleichzeitig abnehmender Durchblutung der Körperperipherie).

β1-Adrenorezeptoren findet sich vorwiegend am Herzen und haben ebenfalls eine aktivierende Wirkung. Bei der Bindung von Katecholaminen an die Rezeptoren wird die „Herzleistung“ gesteigert – das äußert sich in einer Erhöhung der Herzfrequenz (positiv chronotrope Wirkung), einer Erhöhung der Erregungsleitgeschwindigkeit (positiv dromotrope Wirkung), eine Herabsenkung der Reizschwelle (positiv bathmotrope Wirkung) sowie eine Steigerung von Kontraktionskraft (positiv inotrope Wirkung) bei gleichzeitig schnellerer Entspannung des Herzmuskels (positiv lusitrope Wirkung).

Die β2-Adrenorezeptoren haben gleich mehrere Funktionen; rettungsdienstlich ist allerdings vor allem die Wirkung auf die Bronchien relevant – hier sorgen die Rezeptoren bei der Bindung von Katecholaminen für eine Erschlaffung der glatten Bronchialmuskulatur und damit für eine Erweiterung der Bronchien (Bronchodilatation), sodass die Belüftung der Lunge verbessert wird.

„Nice to know“

Neben dieser „Hauptfunktion“ spielen die beta-2-Rezeptoren auch noch an anderen Stellen im Körper eine große Rolle: sie findet man auch in Gefäßen – nämlich in denen, in dem man bei einer Sympathikusaktivierung eine bessere Durchblutung möchte. Das sind vor allem die Koronararterien, welche das Herz versorgen, sowie die Arterien, die die Skelettmuskulatur versorgen – eine Bindung von Katecholaminen führt hier zur Erweiterung der Gefäße (Vasodilatation), um einen größeren Blutfluss zu ermöglichen.

Ferner sitzen sie auch an der Gebärmutter (wo sie bei Aktivierung die Wehentätigkeit hemmen können) und auf bestimmten Immunzellen, wo sie ebenfalls eine hemmende Wirkung entfalten.

Merkspruch

Gerade die beiden beta-Rezeptoren werden gerne verwechselt – als kleine Merkhilfe bietet sich daher an:

Ein Herz (β1) – zwei Lungenflügel (β2)“


Prüfungsrelevant

  • α1-Adrenorezeptoren: periphere Vasokonstriktion
  • β1-Adrenorezeptoren: Steigerung von Herzkraft und Herzfrequenz
  • β2-Adrenorezeptoren: Bronchodilatation

Zusammenfassung

  • Hauptaufgaben des Nervensystems: Reizaufnahme, -verarbeitung und -weiterleitung
  • Neuronen: bestehen aus Zellkörper (Perikaryon/Soma), Dendriten und Axon
  • Dendriten: dienen der Reizaufnahme
  • Axon: dient der Reizweiterleitung
  • graue Substanz: Ansammlung von Nervenzellkörpern
  • weiße Substanz: Nervenfasern
  • Beschädigte oder zerstörte Neuronen im zentralen Nervensystem werden nicht ersetzt
  • Aufgaben der Gliazellen: Stützfunktion, Schutzfunktion und elektrische Isolierung
  • Zentrales Nervensystem (ZNS) wird durch Gehirn und Rückenmark gebildet
  • Einteilung des Gehirns: Großhirn, Zwischenhirn, Hirnstamm, Kleinhirn
  • Liquor cerebrospinalis: klare, zellarmes Ultrafiltrat aus Blutplasma, dient als „Stoßdämpfer“
  • Schädigung des Broca-Areals: abhackte, stockende Sprache bei erhaltenem Sprachverständnis (motorische Aphasie)
  • Schädigung des Wernicke-Areals: flüssige Sprachproduktion, unsinnige Wörter/Neologismen, gestörtes Sprachverständnis (sensorische Aphasie)
  • Umgebende Strukturen des Gehirns von außen nach innen: Kopfschwarte – Kalotte – Epiduralraum (nur pathologisch im Gehirn vorhanden) – Dura mater – Subduralraum – Arachnoidea – Subarachnoidalraum – Pia mater – Gehirn
  • Rückenmark: bestehend aus grauer und weißer Substanz, von Rückenmarkshäuten umgeben, zieht vom großen Hinterhauptsloch bis in den oberen LWS-Bereich
  • Funktion des Rückenmarks: Reizleitung in die Körperperipherie und zurück, Steuerung von Reflexen
  • Peripheres Nervensystem: 12 Hirnnerven, meist 31 Spinalnerven, periphere Ganglien
  • Vegetatives Nervensystem: unwillkürliche Steuerung von Körperfunktionen, Unterscheidung zwischen Sympathikus und Parasympathikus als funktionelle Gegenspieler
  • Sympathikus: aktivierende Wirkung, „Fight or Flight“, Neurotransmitter Noradrenalin
  • Parasympathikus: entspannende/normalisierende Wirkung, „Rest and Digest“, Neurotransmitter Acetylcholin
  • Rezeptoren sind meist spezifisch für bestimmte Stoffe/Stoffgruppen (Schlüssel-Schloss-Prinzip)
  • Die Wirkung eines Neurotransmitters hängt von dem Rezeptor ab, an dem er andockt
  • α1-Adrenorezeptoren: periphere Vasokonstriktion; β1-Adrenorezeptoren: Steigerung von Herzkraft und Herzfrequenz; β2-Adrenorezeptoren: Bronchodilatation
  • Merkspruch für die beta-Adrenorezeptoren: „Ein Herz (β1) – zwei Lungenflügel (β2)“

Lernziele

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  • die Bestandteile des Nervengewebes und deren Aufgaben,
  • den grundlegenden anatomischen Aufbau des Nervensystems,
  • den Aufbau und die Funktion von Gehirn und Rückenmark,
  • die verschiedenen Hirnhäute,
  • die funktionelle Einteilung des Nervensystems,
  • die Bedeutung von Sympathikus und Parasympathikus,
  • den grundlegenden Ablauf der Signalübertragung an Synapsen,
  • die Adrenorezeptoren und ihre Funktion.

Interessenkonflikte

Der Autor gibt an, dass es sich bei den verlinkten Büchern um Affiliate-Links handelt. Es entstehen keine zusätzlichen Kosten bei der Bestellung über den Link. Eine Einflussnahme bei der Auswahl der Literatur ist dadurch nicht erfolgt. Siehe auch: Hinweise zu Affiliate-Links.

Der Autor gibt an, dass keine Interessenkonflikte bestehen.

Quellen

Aumüller G. et al. (2020): Duale Reihe Anatomie, 5. Auflage. Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart. ISBN 978-3-13-243502-5. DOI: 10.1055/b-007-170976. Hier erhältlich: https://amzn.to/3UDSQ5e Affiliate-Link

Behrends J. et al. (2021): Duale Reihe Physiologie, 4. unveränderte Auflage. Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart. ISBN 978-3-13-243862-0.. DOI: 10.1055/b000000462. Hier erhältlich: https://amzn.to/3fd7EaB Affiliate-Link

Bildungsinstitut des DRK-Landesverbandes Rheinland-Pfalz e.V. (2022): Nervensystem, abgerufen unter https://www.bildungsinstitut-rlp.drk.de/fileadmin/downloads/Ausbildung_zum_Rettungshelfer_und_Rettungssanitaeter/Fachlehrgang_1._Woche/11._Nervensystem.pdf am 12.04.2023

Dönitz S., Flake F. (2015): Mensch Körper Krankheit für den Rettungsdienst, 1. Auflage. Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH, München. ISBN 978-3-437-46201-6. Aktuelle Auflage (4. Auflage, 2022) hier erhältlich: https://amzn.to/3dDLoGD Affiliate-Link

Enke K., Flemming A., Hündorf H.-P., Knacke P., Lipp R., Rupp P. (2018): Lehrbuch für präklinische Notfallmedizin, Band A, 5. Auflage. Verlagsgesellschaft Stumpf & Kossendey mbH, Edewecht. ISBN: 978-3-943174-43-4. Aktuelles Gesamtwerk (3 Bände, 6. Auflage, 2019) hier erhältlich: https://amzn.to/3dHUhPa Affiliate-Link

SaniOnTheRoad (2022): 2.4 Das Gewebe, abgerufen unter https://saniontheroad.com/2-4-das-gewebe/ am 12.04.2023

SaniOnTheRoad (2022): 2.3 Die Zelle, abgerufen unter https://saniontheroad.com/2-3-die-zelle/ am 12.04.2023

Silbernagl S., Despopoulos A., Draguhn A. (2018): Taschenatlas Physiologie, 9. Auflage.  Georg Thieme Verlag, Stuttgart/New York. ISBN 978-3-13-241030-5. DOI: 10.1055/b-006-149287. Hier erhältlich: https://amzn.to/3Sdn0KS Affiliate-Link

Vaupel P., Schaible H.-G., Mutschler E. (2015): Anatomie, Physiologie, Pathophysiologie des Menschen, 7. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart. ISBN 978-3-8047-2979-7. Hier erhältlich: https://amzn.to/3Szzpsu Affiliate-Link

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2.8 Nervensystem

SaniOnTheRoad

Notfallsanitäter, Teamleiter und Administrator des Blogs. Vom FSJler über Ausbildung bis zum Haupt- und Ehrenamt im Regelrettungsdienst und Katastrophenschutz so ziemlich den klassischen Werdegang durchlaufen. Mittlerweile beruflich qualifizierter Medizinstudent im vorklinischen Abschnitt. Meine Schwerpunkte liegen auf Ausbildungs- und Karrierethemen, der Unterstützung von Neueinsteigern, leitliniengerechten Arbeiten sowie Physiologie, Pathophysiologie, Pharmakologie und EKG für den Rettungsdienst. Mehr über mich hier.


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