2.4 Das Gewebe

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Lernziele

Nach diesem Beitrag kennst Du

  • die Einteilung der Hauptgewebearten,
  • Aufbau und Funktion des Epithelgewebes, insbesondere von Haut und Flimmerepithel,
  • Aufbau und Funktion des Binde- und Stützgewebes,
  • Aufbau und Funktion des Nervengewebes und Besonderheiten von Nervenzellen,
  • Aufbau, Funktion und Einteilung des Muskelgewebes.

Abstract

Einzelne, gleichartige Zellen bilden Zellverbände zur Erfüllung ihrer Funktion für den Körper – das Gewebe. Verschiedene Gewebearten bilden gemeinsam wiederum Organe aus, die aus dem eigentlichen Funktionsgewebe und dem aus Bindegewebe bestehenden Gerüst bestehen.

Im Rahmen der Rettungssanitäterausbildung spielt die Histologie als Wissenschaft der Gewebe und ihrer Funktion in Hinblick auf das Grundlagenverständnis eine Rolle.

Die Gewebe des Körpers lassen sich in die „Hauptgewebearten“ Epithelgewebe, Binde- und Stützgewebe, Nervengewebe und Muskelgewebe einteilen, welche im Zusammenspiel den menschlichen Körper bilden und dessen Funktion ermöglichen.

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Ausgehend von der Zelle kommt man recht zügig zur nächst größeren Organisationseinheit des Organismus: dem Gewebe.

Gleichartig differenzierte Zellen bilden Zellverbände, die eine gemeinsame Aufgabe erfüllen und eine anatomische wie funktionelle Einheit bilden – eben das Gewebe. Darauf aufbauend bilden verschiedene Gewebe die einzelnen Organe.

Das Parenchym stellt dabei das „Funktionsgewebe“ dar, welches für die eigentliche Organfunktion zuständig ist – so zum Beispiel die Neuronen im Gehirn.

Das aus Bindegewebe bestehende Stroma bildet das „Gerüst“ der Organe und stellt die Blutversorgung und Innervation über Gefäße und Nervenzellen sicher.

Je nach Gewebeart spielt auch der Interzellularraum – als Zwischenraum ohne speziell ausdifferenzierte Zellen – eine große Rolle und kann maßgeblichen Einfluss auf die Funktion des Gewebes haben, beispielsweise die mechanische Stabilität beim Knochen.

In Hinblick auf die Rettungssanitäterausbildung sind verhältnismäßig wenige Teile der Histologie als die Wissenschaft, die sich mit Geweben beschäftigt, relevant. Der Beitrag wird sich daher vorwiegend auf die vier Hauptgewebearten, nämlich

  • Epithelgewebe,
  • Binde- und Stützgewebe,
  • Nervengewebe und
  • Muskelgewebe

sowie deren Funktion beschränken.

Prüfungsrelevant

  • Gewebe: Zellverbände gleichartiger Zellen
  • Parenchym: eigentliches Funktionsgewebe des Organs
  • Stroma: Bindegewebe, welches das „Gerüst“ der Organe darstellt
  • es gibt vier Hauptgewebearten
    • Epithelgewebe,
    • Binde- und Stützgewebe,
    • Nervengewebe und
    • Muskelgewebe.

Epithelgewebe (Deckgewebe)

Quelle: Wikimedia Commons, gemeinfrei.

Das wohl augenscheinlichste Gewebe des menschlichen Körpers ist das Epithelgewebe. Dieses bedeckt grundsätzlich die inneren und äußeren Körperoberflächen und trägt daher auch den schlichten Namen „Deckgewebe“.

Ferner fallen auch Drüsen des Körpers unter das Epithelgewebe (als Drüsengewebe) sowie auch verschiedene, in Form von Gewebe angeordnete Sinneszellen (Sinnesepithel).

Je nach Art und Lokalisation des Epithels erfüllt es unterschiedliche Funktionen für den Organismus:

  • Schutzfunktion vor mechanischen, thermischen und chemischen Einflüssen in Form von Haut und Schleimhaut
  • Transportfunktion für körpereigene und körperfremde Stoffe durch Flimmerepithel und Drüsenepithel
  • Resorptionsfunktion – d.h. die Aufnahme von Stoffen – zum Beispiel durch die Schleimhäute und
  • die Sinneswahrnehmung durch Umwandlung von Reizen in elektrische Signale.

Die Haut

Die Haut ist ein flächenmäßig sehr großes und vielseitiges Organ – und eines der wenigen, welches unmittelbar sichtbar ist.

Dabei vereint sich gleich mehrere Funktionen des Epithelgewebes, aus dem sie überwiegend besteht. So dient sie einerseits der Abgrenzung des Körpers von der Außenwelt und dem Schutz vor äußeren Einwirkungen, gleichzeitig aber auch der Reizaufnahme und der Aufrechterhaltung des Wasser-Elektrolyt-Haushalts und der Temperaturregulation.

Die Haut ist dabei aus mehreren Schichten aufgebaut, welche sich nach Lage und Funktion unterscheiden:

  • die Epidermis (Oberhaut) ist die oberste, außenliegende Schicht der Haut – diese ist verhornt und und wasserabweisend und dient primär dem mechanischen Schutz des Körpers
  • darunter liegt die Dermis (Lederhaut), welche durch Kapillaren der Versorgung der Epidermis per Diffusion dient, aber auch verschiedene Rezeptoren (z.B. Meissner-Tastkörperchen) enthält wie auch Binde- und Fettgewebe, Nerven und versorgende Gefäße
  • noch tiefer liegt die Subcutis (Unterhaut), welche aus lockerem Bindegewebe besteht, Drüsen und weitere Sinnesrezeptoren enthält und mit dem subkutanen Fettgewebe „Druckpolster“, Kälteschutz und Energiespeicher zugleich enthält.
Quelle: Wikimedia Commons/Sgbeer, CC-BY-SA 3.0-Lizenz.

Ein Blick auf den Hautstatus ist rettungsdienstlich hochgradig relevant: im Zuge der Patientenbeobachtung lassen sich hierüber unmittelbar Feststellungen machen – so zum Beispiel eine Zyanose (Blaufärbung) bei Sauerstoffmangel (Hypoxie), Rötungen bei Entzündungen, Hyperthermie oder Hypertonie, Blässe und Kaltschweißigkeit beim Schock oder eine Gelbfärbung (Ikterus) bei Erkrankungen der Leber, Gallenblase oder Gallenwege.

Prüfungsrelevant

  • Epithelgewebe: bedeckt innere und äußere Körperoberflächen
  • Schutzfunktion vor mechanischen, thermischen und chemischen Einflüssen in Form von Haut und Schleimhaut
  • Transportfunktion für körpereigene und körperfremde Stoffe durch Flimmerepithel und Drüsenepithel
  • Resorptionsfunktion – d.h. die Aufnahme von Stoffen – zum Beispiel durch die Schleimhäute und
  • die Sinneswahrnehmung durch spezialisiertes Sinnesepithel

Praxisrelevant

  • Hautstatus ist ein diagnostisches Mittel
  • Zyanose (Blaufärbung): Sauerstoffmangel
  • Rötung: Entzündungen, Hyperthermie (z.B. Fieber, Hitzschlag) und Hypertonie (Bluthochdruck)
  • Blässe und Kaltschweißigkeit: SchockgeschehenIkterus
  • (Gelbfärbung): Erkrankungen der Leber, Gallenblase oder Gallenwege

Das Flimmerepithel

Flimmerepithel in elektronenmikroskopischer Aufnahme. Quelle: Wikimedia Commons, gemeinfrei.

Eine weitere Besonderheit des Epithelgewebes ist das Flimmerepithel – dieses findet sich vorwiegend in den Atemwegen und spielt für den Schutz vor und den Abtransport von Fremdkörpern eine große Rolle.

Das Epithelgewebe ist hierbei mit Flimmerhärchen (Kinozilien) ausgestattet, die sich rhythmisch bewegen und auf diese Weise Schleim (von eingelagerten Drüsenzellen, den Becherzellen) und Fremdkörper aus den Atemwegen befördern.

Das Flimmerepithel stellt somit einen Teil des „Selbstreinigungsmechanismus“ des Körpers dar.

Binde- und Stützgewebe

Im Falle des Binde- und Stützgewebes gilt „Nomen est omen“ – zwei große Aufgaben dieser Gewebetypen sind die Verbindung unterschiedlicher Körperstrukturen miteinander und die Bildung eines „Grundgerüsts“ von Organen und dem Körper im Gesamten.

Es ist somit für die äußere Form und Struktur wie auch für die Stabilität und mittelbar für die mechanische Funktion von Belang.

Typische Aufgaben sind dabei

  • die Bindefunktion – durch Umhüllen und Verbinden von Organen, Gefäßen und Nerven,
  • Stabilisierung von Gelenken in Form der Bänder und Kraftübertragung von Muskeln auf Knochen durch Sehnen,
  • die Funktion als Wasser- und Energiespeicher,
  • Wundheilung durch Bildung von Narbengewebe,
  • Immunabwehr durch spezialisierte Bindegewebszellen.

Blut zählt dabei als eine Sonderform des Bindegewebes.

Das Stützgewebe umfasst das Knochen-, Knorpel– und Zahngewebe.

Prüfungsrelevant

Aufgaben des Bindegewebes sind u.a.

  • Bindefunktion
  • Stabilisierung
  • Wasser- und Energiespeicher
  • Wundheilung und
  • Immunabwehr

Bindegewebe

Im Falle des Bindegewebes werden das lockere Bindegewebe, das straffe Bindegewebe und das retikuläre Bindegewebe unterschieden.

Lockeres Bindegewebe bildet das Stroma in Organen und dient der Verbindung von Gefäßen und Nerven sowie als Wasserspeicher und „Lückenfüller“.

Straffes Bindegewebe kann sowohl parallelfasrig sein – im Falle von Sehnen, Sehnenplatten und Bändern – als auch geflechtartig, wodurch dann Strukturen wie die harte Hirnhaut (Dura mater), umhüllende Organkapseln oder die Skleren der Augen gebildet werden.

Retikuläres Bindegewebe bildet ein dreidimensionales Netz und ist Grundgerüst lymphatischer Organe (z.B. Lymphknoten, Milz) und findet sich auch in Leber und Knochenmark. Hauptaufgabe des retikulären Bindegewebes ist es, Immunzellen einen Raum zur Bewegung zu bieten – es ist somit mittelbar an der Immunabwehr beteiligt.

Fettgewebe ist eine Sonderform des Bindegewebes und wird zum retikulären Bindegewebe gezählt; je nach Lokalisation wird es in „Baufett“ (Druckpolster für beanspruchte Körperteile, Organfixierung,
Wärmeschutz, Hohlraumfüllung) oder in „Speicherfett“ (Kaloriendepot zur Energiegewinnung) eingeteilt. Braunes Fettgewebe findet sich fast ausschließlich bei Säuglingen und dient der Wärmeproduktion.

Knorpelgewebe

Wesentlich belastbarer als das Bindegewebe ist das Knorpelgewebe – es wird aus Chondrozyten (Knorpelzellen) und einer spezifischen Interzellularsubstanz gebildet.

Knorpel ist kaum von Blutgefäßen und Nerven durchzogen bzw. innerviert, es findet lediglich ein Stoffaustausch per Diffusion statt, die Stoffwechselaktivität ist gering und Verletzungen heilen nur langsam aus.

Verschiedene Körperstrukturen werden durch Knorpelgewebe gebildet, so z.B. die Ohrmuschel, die Spangen der Luftröhre, Gelenkflächen, der Faserring der Bandscheiben sowie Knochen-Knochen-Verbindungen (Symphysen) wie auch die Menisken am Knie.

Knochengewebe

Aufbau eines Röhrenknochens. Quelle: Wikimedia Commons/Chriudel, CC-BY-SA 3.0-Lizenz.

Noch belastbarer als Knorpelgewebe ist das Knochengewebe als das am höchsten ausdifferenzierte Stützgewebe des Menschen. Es wird von Osteozyten (Knochenzellen) und der Knochengrundsubstanz aus verschiedenen Salzen und Kollagenfasern gebildet.

Die Knochengrundsubstanz wird ständig auf- und abgebaut, die Knochen verfügen somit über Gefäße, die innerhalb des Knochens verlaufen und die Stoffe aufnehmen und abgeben können – im Falle der großen Röhrenknochen, der kurzen und platten Knochen beinhalten die Knochen in ihrem Inneren zudem rotes, blutbildendes Knochenmark.

Die Knochen sind oftmals von einer Knochenhaut (Periost) umhüllt, welche zahlreiche Nerven und Gefäße beinhaltet. Schmerzen bei Frakturen werden daher primär durch die Reizung der Knochenhaut und der umgebenden Weichteilstrukturen hervorgerufen.

Praxisrelevant

Schmerzen bei Frakturen beruhen oft auf einer Reizung der Knochenhaut – und das bei jeder Knochenbewegung. Eine suffiziente Immobilisation gebrochener Knochen ist eine effiziente Maßnahme zur Schmerzlinderung.

Zahngewebe

Das Zahngewebe wird nochmals vom Knochengewebe abgegrenzt. Nachdem die Besonderheiten im Rahmen der Rettungssanitäterausbildung nur eine geringe Relevanz haben, sei auf einen anderen Beitrag verwiesen:

Nervengewebe

Für die Reaktion auf Reize, die Reizbildung, -weiterleitung und die Informationsverarbeitung ist das Nervensystem zuständig – und damit unerlässlich, damit der Mensch überhaupt etwas machen kann.

Grundlage für das Organsystem „Nervensystem“ bildet dabei das Nervengewebe, welches grob in zwei Unterformen eingeteilt werden kann – einmal die Nervenzellen an sich, sowie die Gliazellen.

Wie funktioniert die Erregungsbildung und -leitung?

Nervenzellen

Für die eigentliche Funktion des Nervensystems sind die einzelnen Nervenzellen (Neurons) zuständig – sie bilden somit das Parenchym.

Nervenzellen sind hochgradig spezialisierte Zellen, welche die Reizaufnahme, Reizbildung und Reizweiterleitung – und damit die Informationsverarbeitung und Steuerung zahlloser Körperfunktionen – ermöglichen.

Im Vergleich zur „Standardzelle“ finden sich schon im Aufbau einige Besonderheiten:

  • Nervenzellen verfügen über Dendriten als „Ausläufer“, welche zur Reizaufnahme dienen – zum Beispiel über Rezeptoren oder andere Nervenzellen
  • Nervenzellen verfügen über ein Axon als „Ausläufer“ zur Reizweiterleitung; entweder auf andere Nervenzellen oder auf ein „Zielorgan“, z.B. einen Muskel

Die Reize werden innerhalb des Neurons grundsätzlich elektrisch mittels Ionenfluss weitergeleitet – die Überleitung an Verbindungsstellen zu anderen Nervenzellen oder Zielorganen (Synapsen) erfolgt vorwiegend chemisch (d.h. mittels Botenstoffen und Rezeptoren).

Für die Reizverarbeitung ist der Nervenzellkörper (Perikaryon oder Soma) zuständig, welcher der „eigentlichen“ Zelle entspricht. Die Nervenzellkörper haben dabei sowohl ein sehr stark ausgeprägtes raues endoplasmatisches Retikulum (in Form so genannter „Nissl-Schollen“) sowie zahlreiche Mitchondrien, um den Energiebedarf zu decken.

Die hochgradige Spezialisierung hat allerdings auch gravierende Nachteile; einige Zellfunktionen gehen nämlich dadurch ganz oder teilweise verloren: zum Beispiel die Möglichkeit der Zellteilung.

Dadurch können sich beschädigte Neuronen nur schwer regenerieren und zerstörte Neuronen werden nicht ersetzt. Sind zahlreiche Neuronen davon betroffen, bleiben starke funktionelle Einschränkungen.

Prüfungsrelevant

  • Neuronen: bestehen aus Nervenzellkörper, Dendriten und Axon
  • zerstörte Neuronen werden im zentralen Nervensystem nicht ersetzt

Praxisbeispiel – Schlaganfall

Bei einem Schlaganfall kommt es zur akuten Minderdurchblutung des Gehirns mit nachfolgenden Sauerstoffmangel – entweder durch einen Gefäßverschluss oder eine akute Blutung – mit nachfolgender Minderversorgung der Neuronen mit Sauerstoff und Nährstoffen.

Diese können den Mangel kaum kompensieren und sterben ab. Folge ist ein Funktionsverlust der betroffenen Neuronen, abhängig von dem Areal in dem sie sich befinden, und der Ausdehnung des minderversorgten Gebietes. So kommt es zu Lähmungen (z.B. Hemiparesen), Sprachstörungen oder anderen neurologischen Ausfällen.

Nachdem abgestorbene Neuronen nicht ersetzt werden können, sind die neurologischen Schäden oft lebenslang bestehend: Ziel ist es also, möglichst viele Neuronen zu retten – durch eine adäquate und schnelle Versorgung.

Gliazellen

Von den eigentlichen Nervenzellen werden die Gliazellen abgegrenzt. Diese werden wiederum in verschiedene Subtypen eingeteilt, die je nach Art und Lage unterschiedliche Funktionen wahrnehmen.

Zu den typischen Funktionen des Gliagewebes zählen

  • die Stützfunktion – durch Bildung eines „sternförmigen“ Netzes zur mechanischen Verbindung von Neuronen und Verbindungen zu Blutgefäßen
  • die Schutzfunktion – einerseits durch Bildung der Blut-Hirn-Schranke, andererseits durch Bereitstellung von Immunzellen und
  • elektrische Isolierung von Axonen zur schnelleren Erregungsleitung

Prüfungsrelevant

  • Aufgaben der Gliazellen: Stützfunktion, Schutzfunktion und elektrische Isolierung

Muskelgewebe

Während das Binde- und Stützgewebe das passive Grundgerüst des Bewegungsapparates bildet, sind Muskeln hier der aktive Teil, der eine eigenständige Bewegung ermöglicht. Ferner ist Muskelgewebe auch für zahlreiche Organfunktionen – insbesondere an Herz, Gefäßen und im Verdauungssystem – mitverantwortlich.

Muskelzellen sind kontraktil – das heißt: sie können sich zusammenziehen – was letztendlich die Beweglichkeit der Muskeln an sich und über Sehnen (und Gelenke) auch des kompletten Bewegungsapparates ermöglicht.

„Nice to know“

Wie funktioniert die Muskelkontraktion?

Für die Muskelkontraktion sind Aktinfilamente (als Teil der Mikrofilamente) und Myosin als „Motorprotein“ notwendig. Der Muskelkontraktion liegt der so genannte Querbrückenzyklus zugrunde.

Unter der Anwesenheit von Calcium-Ionen (Ca2+) kann das Myosin an die Aktinfilamente binden – unter ATP-Verbrauch kippen die Myosinköpfe und ziehen dabei die gebundenen Aktinfilamente zusammen. Dies erfolgt oft mehrfach, bis eine ausreichende Verkürzung erreicht ist: der Muskel ist angespannt.

Je nach Funktion wird zwischen glatter Muskulatur und quergestreifer Muskulatur – nach ihrer Gestalt in der Mikroskopie – sowie der Herzmuskulatur als Sonderform der quergestreiften Muskulatur unterschieden.

Glatte Muskulatur

Glatte Muskulatur in der Mikroskopie. Quelle: Wikimedia Commons/Juan Carlos Fonseca Mata, CC-BY-SA 4.0-Lizenz.

Glatte Muskulatur findet sich vorwiegend in den Gefäßen, in verschiedenen Hohlorganen – wie z.B. Magen und Darm sowie in den Atemwegen (Bronchialmuskulatur).

Glatte Muskulatur kontrahiert meist langsam und unwillkürlich, die Steuerung unterliegt teilweise einer muskulären „Autoregulation“ (Steuerung durch die Muskelzellen selbst), teilweise erfolgt sie über das vegetative Nervensystem und hormonelle Regulation.

Dabei hat sie einen zusätzlichen Vorteil: sie ermüdet – im Gegensatz zur Skelettmuskulatur – nicht.

Quergestreifte Muskulatur

In Abgrenzung zur glatten Muskulatur zeichnet sich die quergestreifte Muskulatur, Nomen est omen, durch eine „Querstreifung“ in der Mikroskopie aus. Sie bildet vor allem die Skelettmuskulatur als Teil des Bewegungsapparats, aber auch die Muskeln von Zunge, Kehlkopf oder des Zwerchfells.

Die Kontraktion erfolgt in der Regel schnell und ist meist willkürlich oder zumindest willentlich steuerbar – die Steuerung erfolgt dabei über das Zentrale Nervensystem. Im Gegensatz zur glatten Muskulatur kann die quergestreifte Muskulatur ermüden.

Herzmuskulatur

Prinzipiell entsprechen Herzmuskelzellen (Kardiomyozyten) in der Mikroskopie der quergestreiften Muskulatur – sie haben jedoch einige Unterschiede zu dieser, weshalb sie als „Sonderform“ betrachtet werden können.

Herzmuskelzellen sind untereinander mit Gap Junctions verbunden (siehe Kapitel 2.3), die einen Ionenfluss und eine gleichmäßige Erregungsausbreitung über alle Zellen gewährleisten. Ferner finden sich hier auch diverse Haftkontakte zwischen den einzelnen Herzmuskelzellen, die als „Glanzstreifen“ erkennbar sind.

Herzmuskelgewebe ist, anders als die reguläre quergestreifte Muskulatur, nicht ermüdbar und nicht tetanisierbar (= keine Muskelkrämpfe möglich).

Zudem erregt sich der Herzmuskel selbst – er verfügt über die Fähigkeit der autonomen Erregungsbildung, die vom vegetativen Nervensystem zwar beeinflusst, aber nicht vollständig gesteuert wird.

Prüfungsrelevant

  • Einteilung des Muskelgewebes: glatte und quergestreifte Muskulatur sowie Herzmuskulatur

Zusammenfassung

  • Gewebe: Zellverbände gleichartiger Zellen
  • Parenchym: eigentliches Funktionsgewebe des Organs
  • Stroma: Bindegewebe, welches das „Gerüst“ der Organe darstellt
  • Hauptgewebearten: Epithelgewebe, Binde- und Stützgewebe, Nervengewebe und Muskelgewebe.
  • Epithelgewebe: bedeckt innere und äußere Körperoberflächen
  • Aufgaben des Epithelgewebes: Schutzfunktion vor mechanischen, thermischen und chemischen Einflüssen in Form von Haut und Schleimhaut, Transportfunktion für körpereigene und körperfremde Stoffe durch Flimmerepithel und Drüsenepithel, Resorptionsfunktion – d.h. die Aufnahme von Stoffen – zum Beispiel durch die Schleimhäute und die Sinneswahrnehmung durch spezialisiertes Sinnesepithel
  • Aufgaben des Bindegewebes sind u.a. Bindefunktion, Stabilisierung, Wasser- und Energiespeicher, Wundheilung und Immunabwehr
  • Neuronen: bestehen aus Nervenzellkörper, Dendriten und Axon
  • zerstörte Neuronen werden im zentralen Nervensystem nicht ersetzt
  • Aufgaben der Gliazellen: Stützfunktion, Schutzfunktion und elektrische Isolierung
  • Einteilung des Muskelgewebes: glatte und quergestreifte Muskulatur sowie Herzmuskulatur

Lernziele

Du kennst nun

  • die Einteilung der Hauptgewebearten,
  • Aufbau und Funktion des Epithelgewebes, insbesondere von Haut und Flimmerepithel,
  • Aufbau und Funktion des Binde- und Stützgewebes,
  • Aufbau und Funktion des Nervengewebes und Besonderheiten von Nervenzellen,
  • Aufbau, Funktion und Einteilung des Muskelgewebes.

Interessenkonflikte

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Der Autor gibt an, dass keine Interessenkonflikte bestehen.

Quellen

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Dönitz S., Flake F. (2015): Mensch Körper Krankheit für den Rettungsdienst, 1. Auflage. Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH, München. ISBN 978-3-437-46201-6. 3. Auflage (2020): ISBN 978-3-437-46203-0. Aktuelle Auflage (3. Auflage, 2020) hier erhältlich: https://amzn.to/3BNVTic Affiliate-Link

Enke K., Flemming A., Hündorf H.-P., Knacke P., Lipp R., Rupp P. (2018): Lehrbuch für präklinische Notfallmedizin, Band A, 5. Auflage. Verlagsgesellschaft Stumpf & Kossendey mbH, Edewecht. ISBN: 978-3-943174-43-4. Aktuelles Gesamtwerk (3 Bände, 6. Auflage, 2019) hier erhältlich: https://amzn.to/3s8xH6L Affiliate-Link

SaniOnTheRoad (2022): 2.3 Die Zelle, abgerufen unter https://saniontheroad.com/2-3-die-zelle/ am 06.08.2022

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Vaupel P., Schaible H.-G., Mutschler E. (2015): Anatomie, Physiologie, Pathophysiologie des Menschen, 7. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart. ISBN 978-3-8047-2979-7. Hier erhältlich: https://amzn.to/3xnOm9A Affiliate-Link

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2.4 Das Gewebe

SaniOnTheRoad

Notfallsanitäter, Teamleiter und Administrator des Blogs. Vom FSJler über Ausbildung bis zum Haupt- und Ehrenamt im Regelrettungsdienst und Katastrophenschutz so ziemlich den klassischen Werdegang durchlaufen. Mittlerweile beruflich qualifizierter Medizinstudent im vorklinischen Abschnitt. Meine Schwerpunkte liegen auf Ausbildungs- und Karrierethemen, der Unterstützung von Neueinsteigern, leitliniengerechten Arbeiten sowie Physiologie, Pathophysiologie, Pharmakologie und EKG für den Rettungsdienst. Mehr über mich hier.