Der Rettungsdienst ist am Limit

selective focus photography of magazines

Rettungsdienst aktuell – Themen die den Rettungsdienst, seine Mitarbeiter und Interessierte beschäftigen. Von leitliniengerechter Arbeit bis zur gesellschaftskritischen Diskussion.

Die Situation spitzt sich zu

In den letzten Wochen häufen sich die Berichte über die Belastung des Rettungsdienstes – und die Folgen großer Personalausfälle. Der Rettungsdienst hinkt in dieser Entwicklung der Situation in der Pflege ein wenig „hinterher“, mittlerweile sind die Probleme allerdings auch hier sehr deutlich spürbar und auch außerhalb der Fachkreise angekommen.

Die Situation ist für den Rettungsdienst aus vielerlei Hinsicht äußerst ungünstig:

  • es besteht ein genereller Personalmangel
  • bedingt durch COVID-Infektionen innerhalb des Personals kommt es zu zahlreichen unvorhersehbaren Ausfällen
  • die generelle Belastung ist durch Infektionstransporte im Hochsommer und gleichzeitig allgemein hohe Einsatzzahlen deutlich höher als im vergangenen Jahr und
  • Rückfallebenen sind quasi kaum vorhanden.

Personalmangel und Personalausfälle

Der Personalmangel im Rettungsdienst ist fast schon ein alter Hut – dieser besteht fast ununterbrochen, fast flächendeckend und das seit einigen Jahren. Der Wegfall des Zivildienstes als klassische Nachwuchsgewinnung und die Umstellung von der Rettungsassistenten– auf die Notfallsanitäterausbildung sind einfach spürbar.

Gerade in letzterem Fall fehlen die zahllosen „Selbstzahler“, welche die Ausbildung selbst finanziert hatten und danach in den Rettungsdienst eingestiegen sind – die Ausbildungsplätze zum Notfallsanitäter sind vergleichsweise rar (wenn auch sehr beliebt, siehe z.B. hier) und der „Flaschenhals“ zwischen Bewerbern und fertig ausgebildeten Notfallsanitätern stellt ein großes Problem dar.

Dazu kommt: die Schattenseiten der Arbeitswelt Rettungsdienst bedingen eine generell recht hohe Fluktuation, die mit den „Nachrückenden“ Rettungs- und Notfallsanitätern kaum zu füllen ist – ein gewisses „Brain-Drain“ hat sich zudem insbesondere bei den leistungsstarken Kollegen eingestellt.

Nun haben wir immer noch mit der COVID-Pandemie zu kämpfen: die Zahlen sind im Vergleich zum letzten Sommer hoch, eine Verschnaufpause gibt es nicht und die Infektionen innerhalb des Personals – die glücklicherweise meist glimpflich ablaufen – führen zu zahlreichen zusätzlichen Ausfällen, die mit den Mitteln der Rettungsdienste kaum in den Griff zu kriegen sind.

Folgen der Ausfälle

Fahrzeugabmeldungen sind mittlerweile schon Alltag geworden – „bei uns“ bislang nur im qualifizierten Krankentransport, andernorts wird notgedrungen auch die Notfallrettung ausgedünnt.

Es wird oftmals schon auf Ausnahmeregelungen zurückgegriffen (ich berichtete über die Änderung der NEF-Besatzung in unserem Rettungsdienstbereich), der Bayerische Rundfunk berichtet mittlerweile auch von RTW-Besetzungen mit zwei Rettungssanitätern im Rahmen einer Ausnahmeregelung.

Es bleibt hier nur die Feststellung:

Die Notfallversorgung verschlechtert sich.

Allerdings kommt man auch zur Feststellung

Die einzige Alternative zu einer schlechteren Versorgung ist gar keine Versorgung.

Die Fahrzeugabmeldungen haben allerdings auch unweigerliche Konsequenzen.

Die hohen Einsatzzahlen verteilen sich auf weniger Rettungsmittel, die Belastung des eingesetzten Personals steigt somit weiter an (und damit auch die Ansteckungs- und Ausfallwahrscheinlichkeit), teilweise müssen Fahrzeuge der Notfallrettung auch Krankentransporte übernehmen, da sonst die Einsatzzahlen kaum zu bewältigen sind.

Überstunden und Zusatzdienste sind vielerorts schon die Regel, um die Versorgung zumindest weitestgehend aufrecht zu erhalten.

Und gleichzeitig sind nahezu alle Kliniken derart überlastet, dass es zum Spießrutenlauf wird, einen Patienten einer geeigneten Behandlungseinrichtung zuzuführen.

Der Ausnahmezustand ist Alltag geworden – und Spaß macht die Arbeit im Moment nicht mehr.

Worauf es ankommt

Es ist unglaublich wichtig, Rettungsdienst und Kliniken zu entlasten, wo es nur geht – und das Personal zu schützen, wo es nur geht.

Maßgeblich wichtig ist dabei

  • Selbsthilfefähigkeit sichern und Erste-Hilfe-Kenntnisse auffrischen
  • dringend abwägen, ob Rettungsdienst oder Krankenhaus überhaupt erforderlich sind – zum Beispiel mit einer leitsymptombasierten Ersteinschätzung
  • die richtige Stelle kontaktieren
  • alle relevanten Informationen weitergeben – hohes Fieber oder gar eine bekannte Infektion beim Notruf „verschweigen“ gefährdet nicht nur das Personal, sondern ist im Zweifelsfall einfach strafbar
  • gesunden Menschenverstand nutzen.

Interessenkonflikte

Der Autor gibt an, dass keine Interessenkonflikte bestehen.

Quellen

Ärzteblatt (2022): Überlasteter Rettungsdienst: Berlins Innensenatorin überprüft Strukturen, abgerufen unter https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/136104/Ueberlasteter-Rettungsdienst-Berlins-Innensenatorin-ueberprueft-Strukturen am 22.07.2022

Bayerischer Rundfunk (2022): Rotes Kreuz: Angespannte Situation beim Rettungsdienst in Bayern, abgerufen unter https://www.br.de/nachrichten/bayern/rotes-kreuz-angespannte-situation-beim-rettungsdienst-in-bayern/ am 22.07.2022

rbb24.de (2022): Überlastung des Rettungsdienstes – Berliner Feuerwehr soll mehr Rettungswagen bekommen, abgerufen unter https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2022/06/berlin-massnahmen-verbesserung-rettungsdienst-spranger.html am 22.07.2022

SaniOnTheRoad (2022): Notfallsanitäter werden – von der Bewerbung bis zur Ausbildung, abgerufen unter https://saniontheroad.com/notfallsanitaeter-werden-von-der-bewerbung-bis-zur-ausbildung/ am 22.07.2022

SaniOnTheRoad (2022): Welche Notrufnummer ist die richtige?, abgerufen unter https://saniontheroad.com/notrufnummern/ am 22.07.2022

SaniOnTheRoad (2022): Pressemitteilung: DKG zur aktuellen Coronalage in den deutschen Krankenhäusern, abgerufen unter https://saniontheroad.com/pressemitteilung-dkg-zur-aktuellen-coronalage-in-den-deutschen-krankenhaeusern/ am 22.07.2022

SaniOnTheRoad (2022): Rettungsdienst & Corona: Die Lage bleibt angespannt, abgerufen unter https://saniontheroad.com/rettungsdienst-corona-die-lage-bleibt-angespannt/ am 22.07.2022

SaniOnTheRoad (2020): „Brain-Drain“ Rettungsdienst?, abgerufen unter https://saniontheroad.com/brain-drain-rettungsdienst/ am 22.07.2022

SaniOnTheRoad (2020): Arbeitswelt Rettungsdienst – eine kritische Betrachtung, abgerufen unter https://saniontheroad.com/arbeitswelt-rettungsdienst-eine-kritische-betrachtung/ am 22.07.2022

SaniOnTheRoad (2019): Leitsymptombasierte Patienteneinschätzung durch Ersthelfer, abgerufen unter https://saniontheroad.com/leitsymptombasierte-patienteneinschatzung-durch-ersthelfer/ am 22.07.2022

Folgt meinem Blog!

Du möchtest nichts mehr verpassen? Neuigkeiten von mir gibt es auch per Mail!

Es gelten unsere Datenschutz– und Nutzungsbestimmungen.

Wie fandest Du diesen Beitrag?

Klicke auf die Sterne um zu bewerten!

Durchschnittliche Bewertung 0 / 5. Anzahl Bewertungen: 0

Bisher keine Bewertungen! Sei der Erste, der diesen Beitrag bewertet.

Es tut uns leid, dass der Beitrag für dich nicht hilfreich war!

Lasse uns diesen Beitrag verbessern!

Wie können wir diesen Beitrag verbessern?


Über SaniOnTheRoad

Der Rettungsdienst ist am Limit

SaniOnTheRoad

Notfallsanitäter, Teamleiter und Administrator des Blogs. Vom FSJler über Ausbildung bis zum Haupt- und Ehrenamt im Regelrettungsdienst und Katastrophenschutz so ziemlich den klassischen Werdegang durchlaufen. Mittlerweile beruflich qualifizierter Medizinstudent im klinischen Abschnitt des Studiums. Meine Schwerpunkte liegen auf Ausbildungs- und Karrierethemen, der Unterstützung von Neueinsteigern, leitliniengerechten Arbeiten sowie Physiologie, Pathophysiologie, Pharmakologie und EKG für den Rettungsdienst. Mehr über mich hier.

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.