CIRS im Rettungsdienst

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Rettungsdienst aktuell – Themen die den Rettungsdienst, seine Mitarbeiter und Interessierte beschäftigen. Von leitliniengerechter Arbeit bis zur gesellschaftskritischen Diskussion.

Die Notwendigkeit eines leitliniengerechten und strukturierten Arbeitens im Rettungsdienst als Grundlage einer sicheren und qualitativ hochwertigen Patientenversorgung braucht man wahrscheinlich nicht zu diskutieren.

Dass in der praktischen Umsetzung die unglaublich großen Elemente Kommunikation und Crew Resource Management eine erhebliche Rolle spielen wahrscheinlich auch nicht.

Eine solide Ausbildung und Struktur zielt in Bezug auf das Fehlermanagement primär auf eine Fehlervermeidung ab, CRM-Maßnahmen neben der Fehlervermeidung auch eine Reduktion von Häufigkeit und Schwere der gemachten Fehler.

Aber was passiert, wenn doch mal etwas gravierend schief läuft?

Genau dann kommt CIRS ins Spiel – welches nun auch in unserem Rettungsdienst eingeführt wurde.

Inhaltsverzeichnis

Was ist CIRS?

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CIRS steht für Critical Incident Reporting System – wörtlich also ein Meldesystem für kritische Ereignisse, im weiteren Sinne handelt es sich um ein (Beinahe-)Fehlermeldesystem. Sinn und Zweck ist es hierbei, selbst gemachte oder selbst beobachtete (Beinahe-)Fehler und kritische Situationen zu melden.

Sinn und Zweck ist hier keine Bloßstellung einzelner – die ist aufgrund der vollkommenen Anonymität und Sanktionsfreiheit auch gar nicht möglich – sondern die zukünftige Vermeidung der gleichen Fehler und damit die Verbesserung der medizinischen Versorgung und der Patientensicherheit.

Wie funktioniert es?

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Wenn man sich die grundlegende Funktionsweise eines CIRS anschaut, wird auffallen, dass eine relativ hohe Ähnlichkeit zum Qualitätsmanagement besteht.

An sich würde man es wohl unter der Prozessqualität im Fehler- und Beschwerdemanagement einordnen, im allseits bekannten PDCA-Zyklus übernimmt es hier den Punkt „Check“ in Bezug auf den Kernprozess „rettungsdienstliche Versorgung“.

Typischerweise erfolgt die Meldung online über das jeweilige CIRS-Portal, je nach Anbieter. Eine solche Meldung umfasst in der Regel

  • Patientenzustand vor dem kritischen Ereignis,
  • relevante Begleitumstände,
  • die Beschreibung des kritischen Ereignisses,
  • Maßnahmen, die zur Verhinderung oder Verschlimmerung eines Schadens beigetragen haben,
  • die (geschätzte) Häufigkeit derartiger kritischer Ereignisse und
  • eigene Vorschläge, wie sich derartige Ereignisse zukünftig vermeiden lassen.

Die Meldung wird anonymisiert und an die entsprechend zuständigen Personen – fachlich geeignete Kräfte mit entsprechender Erfahrung – weitergeleitet und mit entsprechenden Vorschlägen zur zukünftigen Vermeidung dieses Fehlers anonym veröffentlicht.

Entsprechende Berichte sind dann für alle berechtigten Nutzer frei einsehbar und ermöglichen primär ein gegenseitiges Lernen.

Unter der Maxime

„Aus Fehlern lernt man“

funktioniert das Grundprinzip – hiermit erhält man die Möglichkeit, auch aus den Fehlern anderer zu lernen und andere an eigenen Fehlern lernen zu lassen.

Ferner fungiert CIRS auch als „Feedback-Loop“ zur Ausbildung, Fortbildung und Weiterbildung und dient somit auch zur systematischen Reduktion von Fehlern und kritischen Ereignissen. In gewisser Weise ähnelt diese Zielsetzung auch der der Field Supervision.

Vorteile und Schwierigkeiten

Einen großen Vorteil sehe ich hinsichtlich der Verbesserung der Fehlerkultur im Rettungsdienst: je höher die Hürden, Fehler zuzugeben, desto weniger wird es gemacht.

CIRS bietet betont niedrigschwellige Hürden – insbesondere in Anbetracht der Anonymität der Meldung – und macht das Berichten über gemachte oder beobachtete Fehler wesentlich leichter, auch, weil schon die Möglichkeit der Sanktionierung und die Angst davor einfach entfällt.

Gerade dann, wenn die Berichte nicht nur im Rahmen der inviduellen Fortbildung des Einzelnen gelesen werden, sondern auch in die Planung der Aus-, Fort- und Weiterbildung einfließen, lassen sich aus meiner Sicht gute Resultate erzielen.

Ein typisches Problem hat CIRS allerdings mit dem QM und CRM gemein: es muss gelebt werden.

Nur dann, wenn auch wirklich Meldungen verfasst, Berichte gelesen und Maßnahmen umgesetzt werden, ist ein Benefit durch dieses System zu erwarten.

Ein „Missbrauch“ als Beschwerdesystem über gewisse Zustände würde den Sinn ad absurdum führen, die Auswertung verlangsamen und keine sinnvollen Resultate hervorbringen.

Es liegt somit zu großen Teilen in der Hand der Anwender, ob CIRS „etwas bringt“.

Wie kann ein CIRS umgesetzt werden?

Letztendlich stehen hier mehrere Optionen zur Verfügung, die ein Rettungsdienst wählen kann:

  • Anbindung an größere CIRS-Netzwerke – so zum Beispiel CIRS-AINS des BDA und DGAI, wofür sich auch unser Rettungsdienst entschieden hat. Vorteil ist hier vor allem, dass man auch organisationsübergreifend Berichte erfassen und lesen kann, größere Fallzahlen machen die Ergebnisse repräsentativer.
  • CIRS-Netzwerke über die ÄLRD – so wie beispielsweise in Bayern über das Portal der dortigen Ärztlichen Leiter Rettungsdienst oder
  • Organisationsinternes CIRS – wie es beispielsweise das Österreichische Rote Kreuz umgesetzt hat

Fazit

CIRS ist ein aus meiner Sicht sehr sinnvolles und teilweise auch dringend notwendiges Instrument – ob es funktioniert, hängt allerdings davon ab, wie

  • die Mitarbeiter das System annehmen und mittels Berichten mitwirken und
  • die verantwortlichen Führungskräfte, Dozenten und Praxisanleiter das System nutzen, um Verbesserungen zu implementieren.

Ich für meinen Teil bin jedenfalls sehr gespannt, wie das System in unserem Rettungsdienst funktionieren wird!

Weiterführende Literatur

Literaturempfehlung

Neumayr A., Baubin M., Schinnerl A. (2019): CIRS im Rettungsdienst: Umgesetzte Maßnahmen und Lernpotenziale, 1. Auflage. Verlagsgesellschaft Stumpf + Kossendey mbH, Edewecht,

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Quellen

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BDA/DGAI (2022): CIRSmedical Anästhesiologie, abgerufen unter https://www.cirs-ains.de/ am 07.10.2022.

DRK-Landesverband Rheinland-Pfalz e.V. (2022): CIRS im DRK-Rettungsdienst.

Jäger C. et al. (2021): Critical incident reporting over time: a retrospective, descriptive analysis of 5493 cases, Swiss Med Wkly. 2021;151:w30098, abgerufen unter https://smw.ch/article/doi/smw.2021.w30098 am 07.10.2022. DOI: 10.4414/smw.2021.w30098

Majahan R. P. (2010): Critical incident reporting and learning, Br J Anaesth. 105 (1): 69–75 (2010), abgerufen unter https://www.bjanaesthesia.org/article/S0007-0912(17)33568-7/fulltext#relatedArticles am 07.10.2022. DOI: 10.1093/bja/aeq133

SaniOnTheRoad (2022): Kommunikation im Rettungsdienst, abgerufen unter https://saniontheroad.com/kommunikation-im-rettungsdienst/ am 07.10.2022

SaniOnTheRoad (2022): CRM im Rettungsdienst, abgerufen unter https://saniontheroad.com/crm-im-rettungsdienst/ am 07.10.2022

SaniOnTheRoad (2020): „Hands-on“-Qualitätssicherung im Rettungsdienst – Field Supervision, abgerufen unter https://saniontheroad.com/hands-on-qualitatssicherung-im-rettungsdienst-field-supervision/ am 07.10.2022

SaniOnTheRoad (2020): 1.9 Einführung in das Qualitätsmanagement, abgerufen unter https://saniontheroad.com/1-9-einfuhrung-in-das-qualitatsmanagement/ am 07.10.2022

SaniOnTheRoad (2020): Qualitätsmanagement im Rettungsdienst, abgerufen unter https://saniontheroad.com/qualitatsmanagement-im-rettungsdienst/ am 07.10.2022

SaniOnTheRoad (2020): Warum gehen Einsätze schief?, abgerufen unter https://saniontheroad.com/warum-gehen-einsatze-schief/ am 07.10.2022

SaniOnTheRoad (2019): „Kleines 1×1 des Rettungsdienstes“ Teil 12 – Strukturiertes Arbeiten und Schemata im Rettungsdienst, abgerufen unter https://saniontheroad.com/kleines-1×1-des-rettungsdienstes-teil-12/ am 07.10.2022

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Über SaniOnTheRoad

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SaniOnTheRoad

Notfallsanitäter, Teamleiter und Administrator des Blogs. Vom FSJler über Ausbildung bis zum Haupt- und Ehrenamt im Regelrettungsdienst und Katastrophenschutz so ziemlich den klassischen Werdegang durchlaufen. Mittlerweile beruflich qualifizierter Medizinstudent im klinischen Abschnitt des Studiums. Meine Schwerpunkte liegen auf Ausbildungs- und Karrierethemen, der Unterstützung von Neueinsteigern, leitliniengerechten Arbeiten sowie Physiologie, Pathophysiologie, Pharmakologie und EKG für den Rettungsdienst. Mehr über mich hier.

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