Bei „Aus dem Pflaster-Laster“ berichte ich von Einsätzen, dem Alltag auf der Rettungswache und von aktuellen Themen – von purer Routine bis zum Drama. Am Ende ziehe ich mein Fazit der Einsätze und zeige auf, was gut lief und was besser laufen könnte. Namen von Patienten, Orten und Kollegen lasse ich selbstverständlich aus.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Dass Ausbildungsthemen durchaus einen Schwerpunkt meines Blogs darstellen, ist kein Geheimnis.
Dementsprechend viele Worte habe ich über verschiedene Aspekte der Ausbildung schon verloren – angefangen bei den Themen „Welche Ausbildungen gibt es im Rettungsdienst überhaupt?“ über die Möglichkeiten des Einstiegs in den Rettungsdienst im Allgemeinen und die Wege in die Notfallsanitäterausbildung bis hin zur Prüfungsvorbereitung für das NotSan-Examen.
Auch über die Grundvoraussetzungen für die Arbeit im Rettungsdienst – sei es nun die gesundheitliche Eignung oder der Führerschein im Rettungsdienst – gab es bereits Beiträge.
Und dennoch habe ich einen Themenbereich dabei allenfalls am Rande angekratzt, und das, obwohl dieser vermutlich deutlich relevanter ist, als die offiziellen (und inoffiziellen) Voraussetzungen: die persönliche Eignung.
Unter die persönliche Eignung fallen eigentlich so ziemlich alle Aspekte, die sich weder in Schulnoten noch Zertifikaten widerspiegeln: Charaktereigenschaften, Stärken und Soft Skills, die man entweder von Haus aus mitbringt oder sich entsprechend aneignen sollte.
Am Ende des Tages steht und fällt der Erfolg in Ausbildung und Beruf dann genau mit dieser persönlichen Eignung – und damit einem eher schwer greifbaren Konstrukt.
Ich muss es erwähnen: kaum jemand wird alle der Eigenschaften zur Gänze ausfüllen – das tue ich auch nicht – und das ist auch überhaupt nicht dramatisch. Das „Gesamtpaket“ muss stimmen. Es gibt durchaus eine Tendenz, die gewünscht ist und die man mitbringen sollte, wenn man mit dem Gedanken einer Notfallsanitäterausbildung spielt.
Und genau auf diese wollen wir nun dann mal unseren Blick werfen!
Persönliche Eigenschaften
Resilienz
Ein eher weniger überraschender Punkt der Eigenschaften, die der Prototyp eines Notfallsanitäters mitbringt, ist die Resilienz. Sinngemäß kann man es als „Widerstandsfähigkeit“ beschreiben, insbesondere hinsichtlich psychischer Belastungen.
Eine hohe Resilienz hat zur Folge, dass man sich auch an große psychische Belastungen anpassen und mit diesen umgehen kann. Resilienz ist nur bedingt „trainierbar“ – zu einem Teil wird diese als angeboren angenommen, zum anderen durch Erziehung und Entwicklung in früher Kindheit und Jugend erworben.
Das ist etwas, was man weniger gezielt beeinflussen kann – entweder ist die eigene Resilienz stark ausgeprägt, oder eher weniger.
Belastbarkeit
Die Belastbarkeit schlägt gleichermaßen in die Kerbe der Resilienz als auch der gesundheitlichen Eignung – und stellt doch einen separaten Punkt da.
Generell sollte ein (angehender) Notfallsanitäter mit allen üblichen und außergewöhnlichen psychischen und auch physischen Belastungen umgehen können. Die Belastbarkeit ist sowohl Gewöhnungssache (was beispielsweise die Schichtarbeit angeht) als auch gezielt trainierbar (was die körperliche Belastung angeht).
Das Ganze geht über den Punkt der rein gesundheitlichen Eignung hinaus: eine gewisse Grundfitness und Leistungsfähigkeit muss einfach vorhanden sein. Das erfordert keinesfalls, dass man ein Leistungssportler auf Bundesebene ist – wer allerdings nach dem Tragen einer Wasserkiste vom Auto in die Wohnung schon nach Luft schnappt, sollte entweder zügig mit einem gezielten Training beginnen oder das berufliche Glück wohlmöglich doch in einem anderen Bereich suchen.
Die körperliche Belastbarkeit/Leistungsfähigkeit wird oftmals im Rahmen eines Sporttests im Auswahlverfahren überprüft.
Empathie
Dort, wo man zwangsläufig mit Menschen in belastenden Situationen in Kontakt tritt, ist ein Mindestmaß an Empathie einfach unabdingbar. Mitgefühl, nicht Mitleid. Das ist ein wichtiger Unterschied.
Man sollte sich in andere hineinversetzen können und auch in emotional belastenden Situationen Halt geben können; allerdings ohne persönliche Betroffenheit.
Idealerweise vermeidet man die Extreme „gefühlloser Stoffel“ und „absoluter Herzensmensch“. Im ersteren Fall wird man nicht unbedingt ein beliebter Kollege und darf sich regelmäßig mit verhaltensbedingten Beschwerden auseinandersetzen, in letzterem Falle wird man entweder selbst Patient oder verlässt den Beruf aus eigenen Antrieb.
Verantwortung
Das umfasst sowohl das Verantwortungsbewusstsein, als auch die Bereitschaft, Verantwortung für sich und für andere – seien es Kollegen oder Patienten – zu übernehmen.
Auch wenn Einsätze, wo es wirklich „um alles geht“, vergleichsweise selten sind, geht es am Ende des Tages um die Gesundheit der Menschen – und um Menschenleben.
Als Notfallsanitäter muss man sich der Verantwortung bewusst sein, welche man trägt und bereit sein, die Verantwortung für die Gesundheit und das Leben anderer zu übernehmen sowie bereit sein, Verantwortung für eigene Entscheidungen zu übernehmen.
Entscheidungsfähigkeit
Die Arbeit im Rettungsdienst bringt es zwangsläufig mit sich, Entscheidungen treffen zu müssen – auch bei einem Informationsdefizit, auch unter Zeit- und Handlungsdruck, auch wenn die Entscheidungen weitreichende Konsequenzen haben können.
Ein Notfallsanitäter sollte daher grundsätzlich die Fähigkeit und Bereitschaft mitbringen, Entscheidungen treffen zu können – und bestenfalls auch entscheidungsfreudig zu sein – und die Konsequenzen der eigenen Entscheidungen tragen zu können.
Gute analytische Fähigkeiten und kognitive Flexibilität spielen hier durchaus in die Hände: für Mindmapping, Pro-und-Contra-Listen oder ausgiebige Gruppendiskussionen ist im Fall der Fälle keine Zeit.
Die Fähigkeit, schnell, treffsicher und vernünftig abwägen zu können ist etwas, was typischerweise nicht während der Schulllaufbahn vermittelt wird.
Teamfähigkeit
Eigentlich ein Klassiker eines nahezu jeden Berufsbilds: ja, man muss durchaus in Teams arbeiten können.
In Bezug auf den Rettungsdienst heißt das insbesondere: man muss mit vielen unterschiedlichen Kollegen und Notärzten im regelmäßigen Wechsel auskommen können. „Feste Teams“ oder Schichtpartner werden zunehmend seltener, dementsprechend muss man sich auf sehr unterschiedliche Ansichten und Arbeitsweisen einstellen können.
Dazu kommt: man muss in der Lage sein, auch zwölf oder 24 Stunden mit den Kollegen „auszuharren“ – und das, ohne die Situation für alle Beteiligten maximal unangenehm zu gestalten.
Teamfähigkeit bedeutet im Sinne des CRM auch, sowohl Teamführer als auch ein gutes Teammitglied zu sein – je nachdem, was die Situation hergibt.
Disziplin
Eine etwas unüblicherer Bestandteil solcher Auflistungen ist die Disziplin. Warum erachte ich sie trotzdem als wichtig?
Egal, ob vor, während oder nach der NotSan-Ausbildung: man ist mehr oder minder gezwungen, „dran zu bleiben“, wenn man langfristig gut sein will.
Und wo die Motivation endet, fängt die Disziplin an. Die Notfallsanitäterausbildung ist durchaus anspruchsvoll und die allermeisten werden auch (mal) dann lernen müssen, wenn sie keine Lust dazu haben. Wenn es an einem Punkt in der Ausbildung mangelt, dann ist es die Zeit.
Prokrastination kann sich hier bitter rächen – von daher sollte die Bereitschaft, die Ausbildung entsprechend zu priorisieren und die Zähne zusammen zu beißen durchaus vorhanden sein.
Idealismus
Nein, man muss (und sollte auch) kein „Traumtänzer“ sein. Ein Funken Idealismus und Begeisterung für das, was man tut, ist aus meiner Sicht aber dennoch notwendig. Es gibt Tage oder Wochen, wo einem die Arbeit einfach „schlaucht“ – und ohne grundsätzliche Freude am Beruf wird es wesentlich schwieriger, damit umzugehen.
Einen klassischen 9-to-5-Bürojob kann man in aller Regel genauso gut völlig leidenschaftslos ausüben – als Notfallsanitäter sieht das anders aus.
Flexibilität
Eigentlich auch ein Klassiker der typischen Stärken für so ziemlich jedes Berufsbild, aber hier doch mit einer etwas größeren Bedeutung…
Die Arbeit im Rettungsdienst ist von einer gewissen Unplanbarkeit gekennzeichnet – Wochenend-, Feiertags- und Nachtdienste gehören dazu wie Ausfallbereitschaft und ein nur schwer planbarer Feierabend.
Dementsprechend sollte man dazu bereit sein, Feierabend zu machen, wenn tatsächlich Feierabend ist – und bestenfalls auch kein Problem damit haben, dass das freie Wochenende Mittwoch und Donnerstag ist.
Siehe auch
Keine Berührungsängste
Das Thema Berührungsängste kann man aus zweierlei Sicht betrachten – und da hat man einen Punkt, wo man recht viele Kollegen drankriegen kann…
Zum einen sind das die Berührungsängste im eigentlichen Sinne: manchmal muss man zum Äußersten schreiten und Patienten tatsächlich anfassen. Es bietet sich definitiv an, keine allzu großen Probleme mit Ausscheidungen, Gerüchen und Körperflüssigkeiten aller Art zu haben; damit wird man in guter Regelmäßigkeit konfrontiert.
Zum anderen sollte man die Fähigkeit mitbringen, auf Menschen zuzugehen – das bedeutet nicht unbedingt, dass man besonders extrovertiert sein muss.
Umgangsformen
Es ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, aus Gründen führe ich es dennoch auf: man sollte gängige Umgangsformen beherrschen und zu einem angemessenen, höflichen, respektvollen Umgang mit Patienten, Kollegen und allen erdenklichen Schnittstellen in der Lage sein.
Mit Arroganz und „Schnippigkeit“ macht man sich nicht nur unsympathisch, sondern kann sich ebenfalls schnell beim Schreiben einer Stellungnahme aufgrund verhaltensbedingter Beschwerden widerfinden.
Das bedeutet nicht, dass man eine – hart ausgedrückt – „Arschkriecher-Mentalität“ an den Tag legen sollte. Eine freundliche, respektvolle Bestimmtheit ist durchaus ein Mittel der Wahl.
Selbstreflexion und Kritikfähigkeit
Im Rahmen der rettungsdienstlichen Arbeit ist die Fehlermarge – im Vergleich zu vielen anderen Berufen – sehr gering. Es sind nur wenige Fehler vertretbar und Fehler können gravierende Auswirkungen haben.
Aus diesem Grund ist eine Teilhabe am Fehlermanagement und der Fehlerkultur des Rettungsdienstes unerlässlich.
Das bedeutet zum einen, das eigene Handeln kritisch zu hinterfragen, Fehler anzuerkennen und an der zukünftigen Vermeidung zu arbeiten und ganz allgemein das eigene Verbesserungspotential auszuloten.
Zum anderen bedeutet es auch – gerade in der Ausbildung – mit Kritik von Dozenten, Praxisanleitern und Kollegen angemessen umgehen zu können. Nachdem wir uns keine großen Fehler erlauben können, wird im Rettungsdienst einerseits schnell, andererseits auch sehr direkt kritisiert.
Das bedeutet für den (angehenden) Notfallsanitäter, auch mit harter, direkter Kritik umgehen zu können und diese nicht persönlich zu nehmen.
Wer diesbezüglich sehr zart besaitet ist, wird an diesem Punkt früher oder später erhebliche Probleme bekommen. Für derartige persönliche Befindlichkeiten und falschen Stolz ist – in Anbetracht der Tatsache, dass Fehler Menschenleben kosten können – ehrlich kein Platz.
Persönliche Fähigkeiten
Sprachkenntnisse
Interessanterweise beziehe ich das noch nicht einmal zwingend auf Fremdsprachenkenntnisse…
Es ist absolut notwendig, in der Lage zu sein, drei vollständige deutsche Sätze fehlerfrei auf das Protokoll bringen zu können. Noch besser ist es, wenn man in der Lage ist, die Möglichkeiten der deutschen Sprache zur präzisen Beschreibung und dem präzisen Ausdruck zu nutzen – das wird dann auch medizinisch relevant.
Mit Blick auf die Fremdsprachenkenntnisse: man sollte wenigstens dazu in der Lage sein, eine einfache Konversation in englischer Sprache führen zu können.
Naturwissenschaftliche Grundkenntnisse
Man braucht sicher keinen Bio- und Chemie-LK, um Notfallsanitäter zu werden. Eine gewisse Basis der naturwissenschaftlichen Grundlagen auf dem Niveau der Mittelstufe sollte man allerdings schon mitbringen – allein wegen der Vorkenntnisse und der doch recht schnell voranschreitenden, darauf aufbauenden Themen.
Hinsichtlich der Mathematik, die nicht gerade ein Lieblingsthema ist, sollte man wenigstens einfache Dreisatzrechnungen im Kopf hinbekommen.
Entsprechende Lücken sollte man vor Ausbildungsbeginn schließen – entsprechende Kenntnisse werden durchaus im Rahmen des Auswahlverfahrens überprüft.
Lernfähigkeit
Klingt plump, ist aber so: als angehender Notfallsanitäter sollte einem das Lernen von neuen und komplexen Stoff einigermaßen leicht von der Hand gehen.
Das Gute ist: Lernen kann man lernen. Jedenfalls grundsätzlich.
Auch wenn ich niemanden auf die Füße treten will, möchte ich doch ehrlich sein: Menschen mit einer Lernschwäche sollten sich wirklich dreimal überlegen, ob diese Ausbildung für sie die richtige ist.
Erfahrungsgemäß haben sie meist keinerlei Spaß in der Ausbildung, weil sich relativ schnell eine permanente Überforderung einstellt und sie den Anschluss verlieren, und der Ausbildungserfolg fällt oft dementsprechend aus.
Siehe auch
Interessenkonflikte
Der Autor gibt an, dass keine Interessenkonflikte bestehen.
Quellen
SaniOnTheRoad (2024): Lernen lernen, abgerufen unter https://saniontheroad.com/lernen/ am 26.03.2024
SaniOnTheRoad (2022): Einstellungstests für NotSan-Azubis, abgerufen unter https://saniontheroad.com/einstellungstests-fuer-notsan-azubis/ am 26.03.2024
SaniOnTheRoad (2022): Notfallsanitäter werden – von der Bewerbung bis zur Ausbildung!, abgerufen unter https://saniontheroad.com/notfallsanitaeter-werden-von-der-bewerbung-bis-zur-ausbildung/ am 26.03.2024
SaniOnTheRoad (2022): CRM im Rettungsdienst, abgerufen unter https://saniontheroad.com/crm-im-rettungsdienst/ am 26.03.2024
SaniOnTheRoad (2022): Übersicht: Rund um das Notfallsanitäter-Examen!, abgerufen unter https://saniontheroad.com/uebersicht-rund-um-das-notfallsanitaeter-examen/ am 26.03.2024
SaniOnTheRoad (2022): Führerschein und Fahrerlaubnis im Rettungsdienst, abgerufen unter https://saniontheroad.com/fuehrerschein-und-fahrerlaubnis-im-rettungsdienst/ am 26.03.2024
SaniOnTheRoad (2022): Das Schreckgespenst der gesundheitlichen Eignung, abgerufen unter https://saniontheroad.com/das-schreckgespenst-der-gesundheitlichen-eignung/ am 26.03.2024
SaniOnTheRoad (2021): NotSan-Examen – die Prüfungsvorbereitung, abgerufen unter https://saniontheroad.com/notsan-examen-die-prufungsvorbereitung/ am 26.03.2024
SaniOnTheRoad (2020): Arbeitswelt Rettungsdienst – eine kritische Betrachtung, abgerufen unter https://saniontheroad.com/arbeitswelt-rettungsdienst-eine-kritische-betrachtung/ am 26.03.2024
SaniOnTheRoad (2020): „Kleines 1×1 des Rettungsdienstes“ – Teil 8: Notfallsanitäterausbildung im Detail, abgerufen unter https://saniontheroad.com/kleines-1×1-des-rettungsdienstes-teil-8/ am 26.03.2024
SaniOnTheRoad (2019): „Kleines 1×1 des Rettungsdienstes“ – Teil 4: How to get started?, abgerufen unter https://saniontheroad.com/kleines-1×1-des-rettungsdienstes-teil-4/ am 26.03.2024
SaniOnTheRoad (2019): „Kleines 1×1 des Rettungsdienstes“ – Teil 2: Ausbildungen im Rettungsdienst, abgerufen unter https://saniontheroad.com/kleines-1×1-des-rettungsdienstes-teil-2/ am 26.03.2024
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