Rettungsdienst aktuell – Themen die den Rettungsdienst, seine Mitarbeiter und Interessierte beschäftigen. Von leitliniengerechter Arbeit bis zur gesellschaftskritischen Diskussion.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Bei allen Diskussionen rund um die Entwicklung des Rettungsdienstes steht die Qualifikation zum Rettungssanitäter immer etwas hinten an. Die Frage „Wird der Rettungssanitäter zum ‚richtigen‘ Beruf?“ ist nicht wirklich neu und der Entwurf eines Reformkonzepts hat die Diskussion zumindest mal kurzzeitig beflügelt.
Passiert ist im Endeffekt…nicht viel. Um genau zu sein: bislang ist gar nichts passiert.
Gleichzeitig ist eine Weiterentwicklung des Rettungsdienstes – und auch der Qualifikation zum Rettungssanitäter – durchaus gewünscht.
Dementsprechend haben sich teilweise organisationsintern, teilweise lokal, teilweise sogar auf Landesebene verschiedene Konzeptideen rund um den Rettungssanitäter und eine gewisse Aufwertung der Qualifikation ergeben, von denen ich ein paar im ersten Teil der Konzeptideen vor einiger Zeit vorgestellt hatte.
In diesem Teil werfen wir mal einen Blick auf die Hintergründe der Konzeptideen – und wie ein solches Konzept aus meiner Sicht aussehen würde.
Siehe auch
Der Hintergrund der Konzeptidee
Konzeptideen erwachsen meist vor dem Hintergrund, bestehende Probleme lösen zu wollen oder zumindest eine Verbesserung des Status quo zu erreichen. Nicht anders sieht es auch im Falle der Qualifikation zum Rettungssanitäter aus.
Im Endeffekt kommen – egal, welche bestehenden Konzepte man sich letztendlich anschaut – eigentlich immer drei wesentliche Punkte zum Vorschein, welche man durchaus unterschreiben kann:
- Verbesserung der Versorgungsqualität durch weitergehende Qualifizierung der Rettungssanitäter und Schaffung von mehr Handlungskompetenz
- Schaffung einer Möglichkeit zur Personalentwicklung und zum Kompetenzerwerb unterhalb der Notfallsanitäterausbildung und
- die Umsetzung neuer Einsatzkonzepte.
Aus meiner Sicht sind das alles berechtigte Punkte, die einen genaueren Blick verdient haben.
Die meisten dieser Konzepte beruhen auf einer Weiterqualifizierung bereits ausgebildeter Rettungssanitäter, ohne an der Qualifikation zum Rettungssanitäter an sich etwas zu ändern.
Handlungskompetenz & Fähigkeitenerwerb
Einer der Hauptgründe für solche Konzepte sind tatsächlich fachlicher Natur. Ziel ist es, die Fähigkeiten und Kompetenzen der Rettungssanitäter zu stärken und durchaus an der ein oder anderen Stelle auch neue Fähigkeiten zu vermitteln. Unter diesem Gesichtspunkt steht die fachliche Entwicklung im Vordergrund.
Natürlich erlernt der Rettungssanitäter auch bisher im Rahmen seiner Qualifikation die notwendigen Fähigkeiten, um seine Arbeit fachgerecht zu erledigen. Zugegebenermaßen gibt es hier allerdings Optimierungsbedarf – eine dreimonatige Qualifikation kann in einem durchaus komplexen und sich zügig fortentwickelnden Feld wie dem Rettungsdienst keineswegs alle Aspekte abbilden.
Gerade im Hinblick auf den Einsatz in der Notfallrettung ist der Rettungssanitäter eben nicht nur ein einfacherer Fahrer, sondern muss Notfallsanitätern und Notärzten suffizient zuarbeiten und unterstützen können.
Der Ansatz, Rettungssanitäter speziell für den Einsatz in der Notfallrettung theoretisch und praktisch weiterzuqualifizieren scheint hier sinnig – sowohl bei den „Standardeinsatzbildern“, als auch bei selteneren Ausnahmesituationen.
Schwerpunkt dabei bleibt regelhaft eine umfassende rettungsdienstliche Basisversorgung – invasive Maßnahmen bleiben auch hier üblicherweise außen vor.
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Personalentwicklung
Ein weiterer Grund kommt meist aus den Reihen der Rettungssanitäter selbst: den Anspruch an sich selbst und die persönliche Weiterentwicklung – und aus Arbeitgebersicht entsprechend die Personalentwicklung.
Gerade die Rettungssanitäter – insbesondere auch lebensältere Quereinsteiger – die zwar langfristig hauptberuflich im Rettungsdienst tätig sein wollen, stehen derzeit vor dem Problem, dass es keine wirklichen „Aufstiegsmöglichkeiten“ gibt.
Neben einigen wenigen Funktionsträgeraufgaben bleibt oft nur die Ausbildung zum Notfallsanitäter als Möglichkeit des beruflichen Vorankommens. Eine dreijährige Vollzeitausbildung können und wollen sich viele nicht leisten, Teilzeitausbildungen sind rar gesät und eine fünfjährige Ausbildungsdauer wirkt einfach unattraktiv.
Hier würden entsprechende Konzepte einen (wenn auch begrenzten) Ansatz bieten, sich ohne große Umstände weiterzubilden, neues zu lernen…und sich etwas aus der Masse der Rettungssanitäter hervorzuheben.
Neue Einsatzkonzepte
Besonders interessant sind diese Konzepte dann, wenn es um die Etablierung neuer Einsatzkonzepte geht – zum Beispiel, wie im vorherigen Teil berichtet, das Notfall-KTW-Konzept in Frankfurt am Main.
Entsprechend weitergehend qualifizierte Rettungssanitäter können durchaus auch ein größeres Einsatzspektrum (notwendiges Material vorausgesetzt) auch selbstständig abarbeiten. Mit entsprechenden Möglichkeiten im Rahmen der rettungsdienstlichen Basisversorgung ließen sich durchaus auch RTW-Einsätze vermeiden, ohne dass die Patientenversorgung darunter leidet.
Gerade in Hinblick auf die rettungsdienstliche Praxis fällt auf:
„Die Abgrenzung zwischen qualifizierten Krankentransport und Notfallrettung ist keineswegs immer trennscharf“
Dementsprechend läuft man Gefahr, dass entweder ein RTW für einen Einsatz gebunden wird, der eigentlich keinen RTW erfordert, oder, dass ein KTW für die Versorgung nicht ausreichend ist.
In diesem „Graubereich“ zwischen Notfallrettung und qualifizierten Krankentransport könnten solche NKTW-Konzepte durchaus sinnvoll sein, um eine adäquate Patientenversorgung sicherzustellen und gleichzeitig die Notfallrettung zu entlasten.
Wie könnte so etwas umgesetzt werden?
Wenn man sich mögliche Zielsetzungen und bisherige Umsetzungen der Konzepte ansieht, könnte man durchaus selbst auf die Idee kommen, mal über eine mögliche Umsetzung nachzudenken. So war es zumindest bei mir und damit war die Idee für diesen Beitrag geboren!
Zielsetzung
- Weiterqualifizierung nach abgeschlossener Qualifikation zum Rettungssanitäter
- keine langen Ausfallzeiten im Regelbetrieb
- Stärkung der Fähigkeiten als Assistent in der Notfallrettung und Aufbau der Fähigkeiten zum selbstständigen Abarbeiten von „RTW-Einsätzen“ geringer Priorität
Eine Komplettüberarbeitung der Qualifikation zum Rettungssanitäter mit insgesamt längerer Ausbildungsdauer bis hin zur eigenständigen Berufsausbildung halte ich für weniger sinnvoll.
Das würde einerseits Ehrenamt und Freiwilligendiensten im Rettungsdienst den Todesstoß versetzen, andererseits mit hohem Aufwand und entsprechenden Kosten einhergehen, da entsprechende Strukturen erst noch geschaffen werden müssten.
Umsetzung & Voraussetzungen
- abgeschlossene Qualifikation zum Rettungssanitäter
- mind. einjährige Berufserfahrung (Vollzeitäquivalent) im Rettungsdienst
- Warum? Damit soll ein Mindestmaß in Routine hinsichtlich der Abläufe, der Strukturen, der Ortskenntnis, der Arbeit an Patienten und rettungsdienstlicher Praxis sichergestellt werden. Dies entspricht in etwa der Regelung in Frankfurt/Main.
- mind. 100 Notfalleinsätze als Praktikant nach Abschluss der Qualifikation zum Rettungssanitäter
- Warum? Dies entspricht der Regelung zum „Rettungssanitäter mit Einsatzerfahrung“ (RS100) des Landes Schleswig-Holstein. Dadurch sollen insbesondere die Routine in der Versorgung von Notfallpatienten und der entsprechenden Maßnahmen sichergestellt werden. Die Einsätze dienen gleichermaßen der Ausbildung als auch der Eignungsüberprüfung.
- Zusatzlehrgang (mind. 80 UE) mit Kompetenzüberprüfung
- Warum? Dies entspricht grundlegend der Qualifizierung zum „RS+“ in Frankfurt/Main. Durch den Zusatzlehrgang soll insbesondere das praxisrelevante Wissen und die praktischen Fähigkeiten für die angestrebten Tätigkeiten vermitteln bzw. ausbauen. Schwerpunktmäßig sollte das fokussierte Praxis- und Skilltraining im Vordergrund stehen. Eine Kompetenzüberprüfung als Lernerfolgskontrolle ist bei einer Erweiterung des Fähigkeitenspektrums grundsätzlich sinnvoll.
Warum stelle ich mir das so vor, wie ich es mir vorstelle?
Meine „Wunschvorstellung“ beruht letztendlich auf den Fragen „Was wird gebraucht?“ und „Was ist praktisch umsetzbar?“.
Vordringlich muss die Weiterbildung den angestrebten Aufgabenbereich – z.B. im Rahmen eines entsprechenden NKTW-Konzepts – abbilden und den Rettungssanitäter zielführend darauf vorbereiten.
Gleichzeitig soll die Qualifikation nicht künstlich aufgebläht werden und sowohl für Interessenten mit einem angemessenen Aufwand und für Arbeitgeber mit möglichst wenig Ausfallzeiten verbunden sein.
Das Ergebnis meiner Überlegungen wurde dementsprechend dieser Mix vorwiegend aus bereits bestehenden und etablierten Konzepten.
Ein Mindestmaß an Rettungsdiensterfahrung – auch unabhängig von der Notfallrettung – halte ich gerade in Hinblick auf den Patientenumgang und die Kenntnis allgemeiner Abläufe für unabdingbar.
Ein entsprechender (wenn auch praxisorientierter) Lehrgang zur strukturieren Vermittlung des notwendigen Wissens und der entsprechenden Skills ist praktisch alternativlos; um eine gleichbleibende Qualität der Weiterbildung zu gewährleisten und notwendige Inhalte sicher zu vermitteln wäre ein reines Selbststudium kontraproduktiv.
Die gezielte Einsatzerfahrung in der Notfallrettung – als Praktikant – soll die Möglichkeit geben, die entsprechenden handwerklichen Fähigkeiten und Abläufe gezielt zu trainieren und eine entsprechende Routine darin zu vermitteln. Ferner zeigt sich bei einer entsprechenden Anzahl an Einsätzen recht deutlich, ob jemand für den Einsatz in der Notfallrettung geeignet ist.
Letztendlich wäre diese weitere Qualifikation aus meiner Sicht eine recht gute Lösung mit einem passenden Mix aus strukturierter Weiterbildung, Erfahrung und praktischer Ausbildung, die zweckmäßig ist.
Fazit
Es gibt durchaus viele mögliche Überlegungen und Ideen, die bei solchen Konzepten einfließen können und sich teilweise ergänzen, teilweise ersetzen können.
Noch hat sich in dieser Hinsicht nicht viel getan – es bleibt also spannend, ob und inwiefern sich hier vielleicht auch bundesweit etwas ändert.
Interessenkonflikte
Der Autor gibt an, dass keine Interessenkonflikte bestehen.
Quellen
Feuerwehr Frankfurt/Main (2018): Projekt K-Dispo – Einführung Notfall-KTW, abgerufen unter https://www.drk-hessen.de/fileadmin/Eigene_Dokumente/Rettungsdienst_und_Notfallmanagement/RDS_2018/Block_2/2018-RDS-2-3._H._Passet__Von_der_Not_getrieben._N-KTW_zur_Kompensation_von__Personal__Zusatzbedarfen.pdf am 28.02.2024
SaniOnTheRoad (2024): „Kleines 1×1 des Rettungsdienstes“ – Teil 32: Quereinstieg und Spätberufene in den Rettungsdienst„, abgerufen unter https://saniontheroad.com/kleines-1×1-des-rettungsdienstes-teil-32/ am 28.02.2024
SaniOnTheRoad (2023): Zur Diskussion: Reformkonzept des Rettungsdienstes, abgerufen unter https://saniontheroad.com/zur-diskussion-reformkonzept-des-rettungsdienstes/ am 28.02.2024
SaniOnTheRoad (2023): Invasive Maßnahmen durch Rettungssanitäter, abgerufen unter https://saniontheroad.com/invasive-massnahmen-durch-rettungssanitaeter/ am 28.02.2024
SaniOnTheRoad (2023): Wird der Rettungssanitäter zum „richtigen“ Beruf?, abgerufen unter https://saniontheroad.com/wird-der-rettungssanitaeter-zum-richtigen-beruf/ am 28.02.2024
SaniOnTheRoad (2021): Konzeptideen zum Rettungssanitäter, abgerufen unter https://saniontheroad.com/konzeptideen-zum-rettungssanitater/ am 28.02.2024
SaniOnTheRoad (2019): „Kleines 1×1 des Rettungsdienstes“ – Teil 11: Was muss ein Rettungssanitäter können?, abgerufen unter https://saniontheroad.com/kleines-1×1-des-rettungsdienstes-teil-11/ am 28.02.2024
SaniOnTheRoad (2019): „Kleines 1×1 des Rettungsdienstes“ – Teil 3: Fahrzeuge im Rettungsdienst, abgerufen unter https://saniontheroad.com/kleines-1×1-des-rettungsdienstes-teil-3/ am 28.02.2024
SaniOnTheRoad (2019): „Kleines 1×1 des Rettungsdienstes“ – Teil 2: Ausbildungen im Rettungsdienst, abgerufen unter https://saniontheroad.com/kleines-1×1-des-rettungsdienstes-teil-2/ am 28.02.2024
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