EH-Basics – eine Kategorie, eine Zielsetzung: Grundlagen der Ersten Hilfe einfach, unkompliziert und anschaulich zu erklären.
Die rechtliche Stellung des Ersthelfers und insbesondere die Angst vor straf- und/oder zivilrechtlichen Folgen sind oft unklar und auch einer der Hauptgründe, warum Menschen bei einer Hilfeleistung zögern oder Maßnahmen nicht ergreifen, obwohl sie ihnen möglich wären.
Im Folgenden werfen wir einen Blick auf die Rechtsgrundlagen, die Rechte und Pflichten des Ersthelfers und vor allem auf die Frage der Haftung in Fällen der Ersten Hilfe.
Inhaltsverzeichnis
- Rechtliche Grundlagen der Ersten Hilfe
- Wie viel Erste Hilfe muss man leisten?
- Wann kommt eine Haftung infrage?
- Wo liegen die Grenzen der Kompetenz?
- Ansprüche des Ersthelfers
- Fazit
Rechtliche Grundlagen der Ersten Hilfe
Es gelten letztendlich drei einfache Grundregeln:
Grundregel 1: Erste Hilfe leisten ist eine gesetzliche, moralische und gesellschaftliche Pflicht.
Grundregel 2: Die Hilfeleistung muss nach bestem Wissen, Gewissen und Fähigkeiten erfolgen.
Grundregel 3: Der Ersthelfer darf sich im Rahmen der Hilfeleistung nicht selbst in Gefahr bringen.
Die gesetzlichen Grundlagen zur Ersten Hilfe sind äußert einfach in einem Paragraphen geregelt – dem § 323c StGB, welcher das „Nicht helfen“ bei Notlagen, sprich die unterlassene Hilfeleistung, zur Straftat macht.
„(1) Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer in diesen Situationen eine Person behindert, die einem Dritten Hilfe leistet oder leisten will.“
– § 323c StGB
Dieser Paragraph dient als Basis für die Verpflichtung zur Hilfeleistung und damit als wichtigste Rechtsgrundlage für den Ersthelfer.
Basics
- Erste Hilfe leisten ist eine gesetzliche Pflicht – unterlassene Hilfeleistung ist strafbar!
- Die Hilfeleistung muss nach bestem Wissen, Gewissen und Fähigkeiten erfolgen.
Wie viel Erste Hilfe muss man leisten?
Nur Notruf absetzen reicht – oder doch nicht?
Einen konkreten Umfang, wie viel Erste Hilfe geleistet werden muss – d.h., welche Maßnahmen der Ersthelfer ergreifen muss, regelt das Gesetz nicht explizit.
Das Absetzen des Notrufs wird in gängigen Empfehlungen als das Muss angesehen – insgesamt sollte man das allerdings, zumindest moralisch, als das absolute Minimum an Hilfeleistung sehen. Dies gilt analog auch für das Herbeiholen anderweitiger Hilfe (z.B. betriebliche Ersthelfer, Betriebssanitäter).
Mit Blick in das Gesetz fallen die Begriffe Erforderlichkeit und Zumutbarkeit auf:
- Erforderlichkeit: diese ist dann gegeben, wenn auf Grundlage des Notfalls Maßnahmen zur Hilfeleistung notwendig werden – welche Maßnahmen dies sind, hängt natürlich vom Notfall ab. Gerade bei Notwendigkeit lebensrettenden Sofortmaßnahmen, z.B. das Stillen lebensbedrohlicher Blutungen oder die Herz-Lungen-Wiederbelebung bei einem Kreislaufstillstand, ist die Erforderlichkeit von zusätzlichen Maßnahmen über den Notruf hinaus gegeben.
- Zumutbarkeit: die jeweilige Maßnahme muss für den Ersthelfer in der gegebenen Situation durchführbar sein, d.h.
- keine Eigengefährdung,
- kein Vernachlässigen anderer wichtiger Pflichten,
- der Ersthelfer ist physisch und psychisch dazu in der Lage,
- notwendiges Wissen ist vorhanden und
- notwendiges Material ist vorhanden.
Sofern weitere Maßnahmen zur Hilfeleistung notwendig sind und diese für den Ersthelfer zumutbar sind, müssen sie ergriffen werden.
Basics
- Der Notruf ist das absolute Minimum an Hilfeleistung, um eine Strafbarkeit abzuwenden
- Wenn weitere Maßnahmen erforderlich und zumutbar sind, müssen sie ergriffen werden
Was sollte ein Ersthelfer beherrschen?
Gerade körperliche und psychische Verfassung sind wie das notwendige Fachwissen sind hochgradig unterschiedlich.
Es ist zu empfehlen, dass sich jedermann zumindest mit den klassischen lebensrettenden Sofortmaßnahmen auseinandersetzt, diese regelmäßig übt und im Fall der Fälle anwendet.
Das wären unter anderem
- Einen Notfall erkennen
- Absicherung, Eigenschutz und Notruf
- Die stabile Seitenlage
- Die Herz-Lungen-Wiederbelebung
- Wundversorgung und Stillen lebensbedrohlicher Blutungen
Es gilt entsprechend des Grundsatzes Nummer 2
„Die Hilfeleistung muss nach bestem Wissen, Gewissen und Fähigkeiten erfolgen.“
Basics
- Jedermann sollte zumindest die lebensrettenden Sofortmaßnahmen beherrschen und im Falle einer Hilfeleistung auch anwenden
Wann kommt eine Haftung infrage?
Mit sehr wenigen Ausnahmen gilt:
Ersthelfer können im Falle einer Hilfeleistung auch bei „schlechter“ Erster Hilfe oder falsch ausgeführten Maßnahmen im Regelfall NICHT belangt werden.
Es wird von einem Ersthelfer keine sichere Beherrschung der Maßnahmen und keine absolut korrekte Ausführung erwartet.
Es wird allerdings erwartet, dass der Ersthelfer – auch ohne jegliches medizinisches Fachwissen – mit gesundem Menschenverstand handelt und naheliegende Überlegungen anstellt.
Eine Haftung für Ersthelfer kommt nur dann infrage, wenn
- grobe Fahrlässigkeit oder
- Vorsatz
bei einer Schädigung vorliegt.
Die grobe Fahrlässigkeit liegt dann vor, wenn man die notwendige Sorgfalt in besonderem Maße außer Acht gelassen und einfachste, naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden. Beispiel: eine Unfallstelle wird durch den Ersthelfer nicht abgesichert, es kommt zum Folgeunfall.
Vorsatz liegt dann vor, wenn eine nicht zu rechtfertigende Schädigung wissentlich und willentlich herbeigeführt oder billigend in Kauf genommen wird – sprich: eine Schädigung wird bewusst herbeigeführt. Beispiel: der Ersthelfer schlägt einem Bewusstlosen mehrfach mit der Faust ins Gesicht, um ihn aufzuwecken – es kommt zu weiteren Verletzungen.
Das bloße Fehlen von Wissen oder Routine fällt nicht darunter.
Basics
- „Falsche“ oder „schlechte“ Erste Hilfe ist nicht strafbar und es drohen auch keine zivilrechtlichen Folgen, sofern sie nach bestem Wissen und Gewissen erfolgt ist – nicht helfen ist hingegen eine Straftat
- Die Anwendung des gesunden Menschenverstands und das Anstellen naheliegender Überlegungen wird von Ersthelfern erwartet
- Eine Haftung kommt nur bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz infrage
Wo liegen die Grenzen der Kompetenz?
Der Grundsatz
„Ersthelfer sind im Rahmen der Ersten Hilfe vor straf- und zivilrechtlichen Folgen geschützt.“
richtet sich nach dem Rahmen der Ersten Hilfe, sprich, den üblichen Maßnahmen, die ein Ersthelfer erlernt und bei dem man ein Beherrschen annehmen kann.
Darunter fallen neben den oben beschriebenen lebensrettenden Sofortmaßnahmen zum Beispiel auch weitere Erste-Hilfe-Maßnahmen wie
Hier gilt der Grundsatz Das Können ist das Dürfens Maß – Ersthelfer haben im Rahmen der klassischen Erste-Hilfe-Maßnahmen keine straf- und zivilrechtlichen Folgen zu befürchten.
Geht man bewusst über diese Maßnahmen hinaus – wendet also umfassendere Maßnahmen an – so müssen diese sicher beherrscht werden. Das gilt zum Beispiel auch für die Anwendung von Medizinprodukten, auf die Ersthelfer nicht regelhaft geschult sind. Beispiel wäre hier z.B. die Anwendung von Tourniquets zur Blutungskontrolle.
Bei einer Schädigung durch (deutlich) über die normale Erste Hilfe hinausgehenden Maßnahmen kommt durchaus eine Haftung infrage – die billigende Inkaufnahme von Folgeschäden durch Anwendung von Material, welches man nicht beherrscht, fällt mindestens unter die grobe Fahrlässigkeit.
Basics
- Die üblichen Erste-Hilfe-Maßnahmen bilden die regelhafte Kompetenz des Ersthelfers
- Erweiterte Versorgungsmaßnahmen, die über das Maß der normalen Ersten Hilfe hinausgehen, dürfen nur bei sicherer Beherrschung angewendet werden.
- Werden erweiterte Maßnahmen ergriffen, die nicht sicher beherrscht werden, kommt eine Haftung infrage
Ansprüche des Ersthelfers
Wo Pflichten sind, gibt es auch Rechte – der Ersthelfer ist im Rahmen der Ersten Hilfe gesetzlich unfallversichert und kann Schadenersatzansprüche für im Rahmen der geleisteten Ersten Hilfe entstandenen Schäden geltend machen.
„Die erlittenen Sachschäden kann sie in diesem Fall gegenüber dem verpflichteten Unternehmer geltend machen.
– Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung, Rechtsfragen bei Erster-Hilfe-Leistung durch Ersthelferinnen und Ersthelfer
Wird Erste Hilfe in der Freizeit oder zu Hause geleistet, steht die Erste Hilfe leistende Person hinsichtlich ihrer Körper- und Sachschäden unter dem Schutz des örtlich zuständigen
Unfallversicherungsträgers der öffentlichen Hand. In diesen Fällen ist sie kraft Gesetzes beitragsfrei im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung gegen erlittene Personen- und Sachschäden versichert, die ihr bei der Hilfeleistung widerfahren.
Basics
- Ersthelfer sind im Rahmen der Ersten Hilfe gesetzlich unfallversichert und können Schadenersatz für entstandene Schäden geltend machen
Fazit
Wir halten fest:
- bei Notfällen Erste Hilfe leisten ist eine absolute Pflicht!
- Ersthelfer sollen alle notwendigen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen
- falsche oder schlechte Erste Hilfe ist nicht strafbar, sofern sie mit etwas gesunden Menschenverstand und einfachsten Überlegungen erfolgt – nicht helfen ist strafbar
- Ersthelfer haften nur bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz – im Rahmen der normalen Ersten Hilfe ist der Ersthelfer vor straf- und zivilrechtlichen Folgen geschützt
- Finger weg von „Profi-Maßnahmen“, die man nicht beherrscht!
Keine Angst vor der Ersten Hilfe!
Jede Erste Hilfe ist besser als keine – sowohl rechtlich, als auch moralisch und vor allem für den Betroffenen. Ihr macht nichts falsch, wenn ihr Maßnahmen ergreift.
Es wird lediglich erwartet, dass ihr Hilfe nach bestem Wissen und Gewissen leistet – Fehler durch einfaches „nicht wissen“ sind nicht strafbar!
Erste Hilfe ist wichtig und notwendig – und meist trifft die Hilfeleistung eben Familie, Freunde, Nachbarn und Kollegen. Ersthelfer machen den Unterschied. Ich kann nur jedem dringend ans Herz legen, sich über die grundlegenden Erste-Hilfe-Maßnahmen zu informieren (z.B. hier) und regelmäßig die eigenen Kenntnisse in einem Erste-Hilfe-Kurs aufzufrischen.
Ärztlicher Bereitschaftsdienst
Für alle Erkrankungen und medizinischen Probleme, die nicht akut lebensgefährlich sind (aber dennoch zeitnah ärztlich behandelt werden sollen), gibt es den ärztlichen Bereitschaftsdienst. Dieser übernimmt die Aufgaben des Hausarztes außerhalb der üblichen Sprechstundenzeiten und macht bei Bedarf auch Hausbesuche.
Der ärztliche Bereitschaftsdienst ist bundesweit kostenlos unter der 116117 (ohne Vorwahl) erreichbar – auch am Wochenende, an Feiertagen und nachts. Siehe auch 116117.de.
Im Notfall
Bei akuten, lebensbedrohlichen Erkrankungen und Verletzungen ist umgehend Erste Hilfe zu leisten und der Rettungsdienst zu verständigen.
Bei akuten Notfällen ist der Notruf von Feuerwehr, Rettungsdienst und Notarzt die 112 (ohne Vorwahl).
Quellen
Bundesamt für Justiz (2022): Strafgesetzbuch (StGB): § 323c Unterlassene Hilfeleistung; Behinderung von hilfeleistenden Personen, abgerufen unter https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__323c.html am 09.03.2022
Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (2017): Rechtsfragen bei Erster-Hilfe-Leistung durch Ersthelferinnen und Ersthelfer, abgerufen unter https://publikationen.dguv.de/widgets/pdf/download/article/2565 am 09.03.2022
Haufe (2012): Rechtsfolgen für Ersthelfer, abgerufen unter https://www.haufe.de/arbeitsschutz/recht-politik/erste-hilfe-rechtsfolgen-fuer-ersthelfer_92_123436.html am 09.03.2022
Mesino (2022): Erste Hilfe – Wer haftet bei Schäden?, abgerufen unter https://www.mesino-arbeitsschutz.de/aktuelles/erste-hilfe-wer-haftet-bei-schaeden am 09.03.2022
SaniOnTheRoad (2020): Erste Hilfe: Schlaganfall, abgerufen unter https://saniontheroad.com/erste-hilfe-schlaganfall/ am 09.03.2022
SaniOnTheRoad (2020): Erste Hilfe: Herzinfarkt, abgerufen unter https://saniontheroad.com/erste-hilfe-herzinfarkt/ am 09.03.2022
SaniOnTheRoad (2020): Umgang mit Vergiftungen, abgerufen unter https://saniontheroad.com/umgang-mit-vergiftungen/ am 09.03.2022
SaniOnTheRoad (2020): Einen Notfall erkennen, abgerufen unter https://saniontheroad.com/einen-notfall-erkennen/ am 09.03.2022
SaniOnTheRoad (2020): Absicherung, Eigenschutz und Notruf, abgerufen unter https://saniontheroad.com/absicherung-eigenschutz-und-notruf/ am 03.02.2022
SaniOnTheRoad (2020): Wundversorgung und Stillung lebensgefährlicher Blutungen, abgerufen unter https://saniontheroad.com/wundversorgung-und-stillung-lebensgefahrlicher-blutungen/ am 03.02.2022
SaniOnTheRoad (2019): Die stabile Seitenlage, abgerufen unter https://saniontheroad.com/die-stabile-seitenlage/ am 03.02.2022
SaniOnTheRoad (2019): Die Herz-Lungen-Wiederbelebung durch Ersthelfer, abgerufen unter https://saniontheroad.com/die-herz-lungen-wiederbelebung-durch-ersthelfer/ am 03.02.2022
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