Der PHTLS-Kurs

Bei „Aus dem Pflaster-Laster“ berichte ich von Einsätzen, dem Alltag auf der Rettungswache und von aktuellen Themen – von purer Routine bis zum Drama. Am Ende ziehe ich mein Fazit der Einsätze und zeige auf, was gut lief und was besser laufen könnte. Namen von Patienten, Orten und Kollegen lasse ich selbstverständlich aus.

Inhaltsverzeichnis

Die Buchstabenkurse

Wenn man einige Zeit im Rettungsdienst tätig ist, wird man früher oder später über den Begriff der „Buchstabenkurse“ stolpern. Was ist das überhaupt?

Unter den Buchstabenkursen versteht man diverse, internationale, zertifizierte Kurssysteme zu medizinischen Themen. Der Begriff „Buchstabenkurse“ rührt einerseits von den üblichen Abkürzungen der Kurssysteme her (wie eben bei PHTLS), andererseits – und überwiegend – aufgrund des dort vermittelten xABCDE-Schemas als Grundlage einer strukturierten Patientenversorgung.

Was heutzutage schon als De-facto-Standard, unabhängig von Kurssystemen, gilt, war hier tatsächlich eine Neuerung: einen allgemein akzeptierten, strukturierten und standardisierten Behandlungsablauf gibt es gar nicht so lange – „Rettung nach Art des Hauses“ war (und ist teilweise noch) sehr verbreitet.

Mittlerweile gibt es Buchstabenkurse zu allen erdenklichen medizinisch-rettungsdienstlichen Themen.

Der Ursprung der Kurse stammt mit dem Advanced Trauma Life Support (ATLS) als rein klinisches Kursformat hingegen tatsächlich aus der Traumatologie; darauf aufbauend wurden auch entsprechende Kurssysteme für die Pärklinik – so zum Beispiel auch PHTLS – entwickelt.

Der Kursaufbau

Der Kurs als sich ist ein so genannter Provider-Kurs – also ein Kurs für die „Anwender“.

Beginn des Ganzen stellt die Phase des Selbststudiums dar – 6-8 Wochen vor Kursbeginn wird das entsprechende Lehrmaterial zugesandt und der Teilnehmer erhält die Möglichkeit, sich anhand dessen auf den Kurs vorzubereiten.

In mehreren Kapiteln werden die Grundlagen von Primary und Secondary Survey, relevante Störungen der Vitalfunktionen sowie die Pathophysiologie und Versorgung des Traumas – auch in speziellen Patientengruppen – beleuchtet. Der Teilnehmer wird hier anhand von Fallbeispielen durch die einzelnen Kapitel geführt, am Ende gibt es eine Kurzzusammenfassung und Wiederholungsfragen zu dem jeweiligen Kapitel.

Ferner wird ein „Vorab-Test“ (Pre-Test) online vor Kursbeginn absolviert, dessen Ergebnis für den Kurs benötigt wird.

Der Kurs selbst besteht aus zwei Tagen in Präsenz mit insgesamt 16 Unterrichtseinheiten. Es werden hier die Themen des Kursbuchs mit einigen Kurzvorträgen wiederholt, ansonsten liegt der Fokus eindeutig auf Praxistraining in Kleingruppen. Die praktischen Kursinhalte bauen aufeinander auf und reichen vom „xABCDE-Trockentraining“ bis zur komplexen Polytraumaversorgung.

Der Abschlusstest erfolgt mittlerweile lediglich schriftlich mit 50 Fragen im Single-Choice-Verfahren; Voraussetzung zum bestehen ist ein Ergebnis von mindestens 76 %.

Das ausgestellte Zertifikat der NAEMT ist insgesamt vier Jahre gültig.

Mein Background zu dem Kurs

Kommen wir doch zu dem Punkt

Warum habe ich den Kurs gemacht?

– man könnte ja meinen, dass ich doch schonmal etwas vom xABCDE-Schema gehört habe und vielleicht auch schon mal das ein oder andere schwere Trauma gesehen habe. Also, wofür dann so ein Kurs?

Traumatologie oder allgemein „chirurgische Fälle“ gelten ja bei vielen Kollegen als eher beliebte Fälle – Aussagen wie „Trauma ist ja einfach“ oder „Da sieht man wenigstens, was der Patient hat“ kommen gerne und häufig. Interessanterweise meist von Leuten, die aus fachlicher Sicht sicher keine Trauma-Experten sind.

Traumaversorgung ist kompliziert. Und anspruchsvoll, weil der Faktor Zeit bei den Dingen, die über ein Bagatelltrauma hinausgehen, einfach unglaublich gegen einen arbeitet. Die definitiven Interventionsmöglichkeiten sind im Rettungsdienst begrenzt und eine gute Versorgung erfordert eine gute Prioritätensetzung und Teamwork.

Kurzum: ich habe diesen Kurs gewählt, weil ich mich ganz eindeutig nicht als Trauma-Experten sehe – und weil ich mich auf den eher seltenen Fall eines schweren Traumas gut vorbereitet sehen will.

Der Kurs stand schon länger auf meiner „Fortbildungs-Wunschliste“ und war nun der erste zertifizierte Kurs, den ich absolviert hatte.

Der erste Tag

Der erste Tag begann eigentlich so, wie man sich den ersten Tag eigentlich vorstellt: Lehrgangsort aufsuchen, Begrüßung durch das Instruktorenteam („Faculty“) und eine Begrüßungsrunde der Teilnehmer. Überraschenderweise nahmen sehr viele Ärzte daran teil, der Rest verteilte sich auf Notfallsanitäter und einen Rettungssanitäter.

Nach der Kurseinführung wurde auch schon der Ablauf des Primary Survey durchgesprochen, durch die Instruktoren demostriert und anschließend geübt. Eigentlich für den halbwegs versierten Rettungsdienstler gar kein Problem.

Danach wurden in Kurzvorträgen die typischen ABCDE-Probleme des Traumapatienten und deren Management angesprochen, anschließend ging es in das Skilltraining für Atemwegsmanagement, Blutungskontrolle und Crew Resource Management sowie letztendlich in das erste Fallbeispieltraining.

Abschluss des ersten Tages bildete dann ein gemeinsames Abendessen der Instruktoren und Teilnehmer.

Der zweite Tag

Nach der üblichen Begrüßung ging es hier direkt in das Fallbeispieltraining mit ähnlichen Fällen wie am Vortag.

Ein Kurzvortrag zum Secondary Survey, eine Demonstration und das entsprechende Training der Teilnehmer folgte dem.

Dann wurde es allerdings auch schon anspruchsvoller: ein Vortrag zum Trauma in speziellen Patientengruppen eröffnete meines Erachtens den anspruchsvollsten Teil des Kurses. Spätestens, als ich das polytraumatisierte Kind nach Verkehrsunfall als Fallbeispiel hatte, war wahrscheinlich auch dem letzten klar, dass der Kurs doch mehr ist als nur xABCDE.

Ergänzend dazu gab es Fallbeispieltrainings zum Multisystemtrauma – also dem klassischen Polytrauma – mit nicht minder hohem Anspruch.

Ein letzter Kurzvortrag zu den „goldenen Prinzipien der Traumaversorgung“ bildete den Unterrichtsabschluss vor dem schriftlichen Test. Bilder machen, Feedback einholen und Verabschiedung der Teilnehmer. Alle Teilnehmer hatten bestanden.

Eindrücke, Gedanken, Empfehlungen und Alternativen

Vielleicht beginne ich einfach mit einem generellen Eindruck: man merkt, dass es sich hier um ein bewährtes Kurssystem handelt. Man merkt, dass sich um viele Punkte des fachlichen Arbeitens und der didaktischen Gestaltung Gedanken gemacht wurden.

Es wurde – zumindest nach meinem Eindruck – jeder Teilnehmer fachlich abgeholt und der Aufbau des Kurses ist schlicht und ergreifend sinnvoll gestaltet.

Allerdings muss man auch festhalten: das „Marschtempo“ des Kurses ist hoch, die Pausenzeiten knapp bemessen und der Kurs im typisch US-amerikanischen Stil bis ins letzte „getacktet“. Der Unterricht selbst hat hierunter allerdings keineswegs gelitten, auch nicht die fachlichen Diskussionen oder die Nachbesprechungen. Anstrengend ist es aber allemal.

Was ich besonders schön fand: die Bandbreite der Teilnehmer, der sehr unterschiedliche Background – vom Rettungssanitäter über NFS bis zu Anästhesisten vor dem ersten Notarztdienst und dem Oberarzt der Unfallchirurgie war hier alles vertreten. Und: nichtsdestotrotz fand ein fachlicher Austausch auf Augenhöhe, auch mit der Faculty, statt.

Die Kritikpunkte, die ich vorher tatsächlich ziemlich oft zu hören bekam…

„Man wird Dir keine Fragen beantworten“

„Die Instruktoren hängen nur in diesem System fest und lassen nur eine Antwort gelten“

„Die Instruktoren halten sich für etwas besseres“

„PHTLS ist nur xABCDE“

…kann ich rückblickend wirklich nicht bestätigen. Diskussionen zur Entscheidungsfindung wurden nicht nur „geduldet“, sondern waren ausdrücklich erwünscht. Ich hatte nicht den Eindruck, dass hier dogmatisch nach „dieser Weg zur Traumaversorgung ist der einzig Wahre“ gehandelt wird.

Empfehlungen

Es ist unbedingt empfehlenswert, das Kursmaterial vor Kursbeginn sorgfältig durchzuarbeiten (auch wenn das Kursbuch, wie andere Fachliteratur, nicht vollends fehlerfrei ist). Es wird im Kurs zweifellos ein Grundwissen rund um das strukturierte Arbeiten im Rettungsdienst und die Grundlagen der Traumaversorgung vorausgesetzt.

Entsprechende Skills wie Entlastungspunktion, Anlage einer Beckenschlinge, die Durchführung der HWS-Immobilisation und generelle Immobilisations– und Blutungsstillungstechniken sollten im Idealfall auch vorher geübt werden.

Man muss feststellen: auch wenn der Kurs per se keine Vorgaben hinsichtlich der Mindestqualifikation stellt, ist er doch ziemlich zielgerichtet auf Notfallsanitäter und Ärzte ausgerichtet. Die Durchführung invasiver Maßnahmen wird regelhaft erwartet und geht hier deutlich über das Rettungssanitäter-Niveau hinaus.

Ich glaube zwar, dass ein Rettungssanitäter mit entsprechender Vorbereitung ebenfalls von dem Kurs profitieren kann; hier muss allerdings jeder individuell prüfen, ob das Anforderungsniveau für einen selbst passt.

Unbedingt empfehlen würde ich – gerade bei weiterer Anreise – ein Hotel. Der Kurs ist durchaus intensiv und mit längeren Pendelstrecken wird es nochmals anstrengender. In aller Regel wird hierfür vorab eine Liste mit Hotelempfehlungen herumgeschickt.

Alternativen

Um einigermaßen neutral zu bleiben, muss man auch feststellen: es gibt auch andere, zertifizierte Trauma-Kursformate – wenngleich PHTLS wohl der bekannteste ist.

Ein ähnliches, ebenfalls US-amerikanisch geprägtes Format – wenn auch von einem anderen Anbieter – wäre International Trauma Life Support, kurz ITLS, welches im Unterschied zu PHTLS zwischen „Basic“- und „Advanced-Provider“-Formaten unterscheidet.

Während hier der ITLS-Basic-Provider auf invasive Maßnahmen verzichtet und sich hier primär auf Rettungshelfer, Rettungssanitäter und andere sanitätsdienstlich ausgebildete Personen richtet, entspricht der Advanced-Provider-Kurs inhaltlich am ehesten dem PHTLS-Kurs.

Ferner gibt es auch diverse andere, nationale Anbieter wie z.B. das Netzwerk TraumaManagement, welche ebenfalls ein bis dreitägige Kurse zur strukturierten Traumaversorgung anbieten.

PHTLS bietet selbst eine eintägige Kursvariante als „PHTLS for First Responders“ an, welche sich vorwiegend an Rettungshelfer, Rettungssanitäter und andere sanitätsdienstlich ausgebildete Personen richtet.

Fazit

Unterm Strich fande ich den Kurs durchaus gelungen und lehrreich – gerade der Fokus auf dem Praxistraining in Kleingruppen muss man neben dem fachlichen Austausch auf Augenhöhe durchaus hervorheben.

Manko: der Kurs ist mit derzeit rund 700 € nicht gerade günstig und nicht alle Arbeitgeber sind gewillt, die Kosten hierfür zu übernehmen.

Interessenkonflikte

Der Autor gibt an, dass er Mitglied des Deutschen Berufsverbands Rettungsdienst e.V. (DBRD) ist, welcher über die DBRD-Akademie GmbH den angegebenen Kurs anbietet. Eine Einflussnahme auf den Beitrag ist dadurch nicht erfolgt.

Der Autor gibt an, dass es sich bei den verlinkten Büchern um Affiliate-Links handelt. Es entstehen keine zusätzlichen Kosten bei der Bestellung über den Link. Eine Einflussnahme bei der Auswahl der Literatur ist dadurch nicht erfolgt. Siehe auch: Hinweise zu Affiliate-Links.

Der Autor gibt an, dass keine Interessenkonflikte bestehen.

Quellen

DBRD-Akademie GmbH (2022): PreHospital Trauma Life Support, abgerufen unter https://www.phtls.de/index.php am 03.10.2022

ITLS Germany e.V. (2022): ITLS in Deutschland, abgerufen unter https://itls-germany.de/de/ am 03.10.2022

NAEMT (2022): Prehospital Trauma Life Support, abgerufen unter https://www.naemt.org/education/phtls am 03.10.2022

NAEMT (2020): Prehospital Trauma Life Support – Kurshandbuch Deutsche Ausgabe, 9. Edition. Jones and Bartlett Publishers, Inc. ISBN 978-1-284-19862-1. Hier erhältlich: https://amzn.to/3fDcfTN Affiliate-Link

NAEMT (2018): Prehospital Trauma Life Support, 9. Edition. Jones and Bartlett Publishers, Inc. ISBN 978-1-284-17147-1. Hier erhältlich: https://amzn.to/3UZ6C2g Affiliate-Link

Netzwerk TraumaManagement (2022): TraumaManagement, abgerufen unter https://www.traumamanagement.net/ am 03.10.2022

SaniOnTheRoad (2022): Trauma-Rea, abgerufen unter https://saniontheroad.com/trauma-rea/ am 03.10.2022

SaniOnTheRoad (2022): CRM im Rettungsdienst, abgerufen unter https://saniontheroad.com/crm-im-rettungsdienst/ am 03.10.2022

SaniOnTheRoad (2022): „Kleines 1×1 des Rettungsdienstes“ – Teil 29: Schaufeltrage, Vakuummatratze und Spineboard, abgerufen unter https://saniontheroad.com/kleines-1×1-des-rettungsdienstes-teil-29/ am 03.10.2022

SaniOnTheRoad (2022): „Kleines 1×1 des Rettungsdienstes“ – Teil 28: Die HWS-Immobilisation, abgerufen unter https://saniontheroad.com/kleines-1×1-des-rettungsdienstes-teil-28/ am 03.10.2022

SaniOnTheRoad (2019): „Kleines 1×1 des Rettungsdienstes“ – Teil 12: Strukturiertes Arbeiten und Schemata im Rettungsdienst, abgerufen unter https://saniontheroad.com/kleines-1×1-des-rettungsdienstes-teil-12/ am 03.10.2022

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Über SaniOnTheRoad

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SaniOnTheRoad

Notfallsanitäter, Teamleiter und Administrator des Blogs. Vom FSJler über Ausbildung bis zum Haupt- und Ehrenamt im Regelrettungsdienst und Katastrophenschutz so ziemlich den klassischen Werdegang durchlaufen. Mittlerweile beruflich qualifizierter Medizinstudent im vorklinischen Abschnitt. Meine Schwerpunkte liegen auf Ausbildungs- und Karrierethemen, der Unterstützung von Neueinsteigern, leitliniengerechten Arbeiten sowie Physiologie, Pathophysiologie, Pharmakologie und EKG für den Rettungsdienst. Mehr über mich hier.