Bei „Aus dem Pflaster-Laster“ berichte ich von Einsätzen, dem Alltag auf der Rettungswache und von aktuellen Themen – von purer Routine bis zum Drama. Am Ende ziehe ich mein Fazit der Einsätze und zeige auf, was gut lief und was besser laufen könnte. Namen von Patienten, Orten und Kollegen lasse ich selbstverständlich aus.
Bei allen negativen Betrachtungen und viel Schwarzmalerei, die es um die Arbeit im Rettungsdienst gibt, muss man auch einfach festhalten: es gibt durchaus viele Gründe, die für eine Tätigkeit im Rettungsdienst sprechen.
Ich möchte behaupten, dass das wenig mit „Rettungsdienstromantik“ und einem rosaroten Blick auf die Situation zu tun hat – auch wenn man einigermaßen nüchtern-rational an die Sache geht, wird man feststellen, dass viele „Negativpunkte“ gar nicht so negativ sind, wie man anfangs meint. Mehr noch: einige dieser „Negativpunkte“ kann man durchaus auch positiv sehen.
In den Zeiten, wo schlechte Nachrichten dominieren möchte ich für meinen Berufsstand gerne mal eine Lanze brechen 😉
Grund 1: Abwechslung
Ein eher offensichtlicher Pluspunkt ist tatsächlich die Abwechslung, die die Arbeit im Rettungsdienst bietet. Eine gewisse Unvorhersehbarkeit – die in diesem Bereich schlichtweg vorherrscht – macht praktisch jeden Dienst spannend.
„Kein Einsatz ist wie der andere“
trifft meines Erachtens wirklich uneingeschränkt zu. Selbst das fünfhunderste Akute Koronarsyndrom – man beachte die häufigsten Rettungsdiensteinsätze – ist nicht wie die 499 zuvor. Man muss trotz allem situationsadaptiert, patientenorientiert und leitliniengerecht handeln und entscheiden.
Eine gewisse Routine stellt sich zwar ein (was sogar vorteilhaft ist), gleichermaßen wird man aber in jeder einzelnen Situation neu entscheiden müssen.
„Immer das selbe“ gibt es im Rettungsdienst nicht. Egal, wie lange man dabei ist. Abwechslungsreichtum der täglichen Arbeit ist aus meiner Sicht ein eindeutiger Pluspunkt.
Grund 2: Arbeitsumfeld
„Arbeitsumfeld als Pluspunkt? Bei den ganzen unfreundlichen Betrunkenen? Bei Wind und Wetter draußen sein?“
Ja – man kann auch das rettungsdienstliche Arbeitsumfeld durchaus positiv sehen. Zugegeben: es kommt auch darauf an, wo man fährt.
Die Arbeit im Rettungsdienst ist kein 9-to-5-Bürojob und wird es auch nie werden. Auch hier spielt die Abwechslung mitunter hinein. In wenigen Berufen wird man derart viel herumkommen, in wenigen Berufen wird man mit derart unterschiedlichen Menschen in Kontakt kommen, in wenigen Berufsfeldern wird man so zahlreiche und so unterschiedliche Eindrücke der Gesellschaft bekommen. Und das ungefiltert.
Ja, das muss man wollen. Wenn man es will – was bei der Berufswahl zumindest mal implizit vorausgesetzt wird – wird man hier auf jeden Fall fündig werden.
Und ich möchte zu bedenken geben: wirklich unangenehme Kontakte und Situationen sind zumindest in meinem Einsatzbereich selten – ich kann sie mehr oder weniger an einer Hand abzählen, und das trotz mehrjähriger Tätigkeit.
Grund 3: Work-Life-Balance
Die Work-Life-Balance ist durchaus einen Punkt, den ich selbst als „kritisch“ bezeichnet habe, wenn man die Arbeitswelt Rettungsdienst betrachtet.
Allerdings kommt es auch hier auf die Perspektive an. 12-Stunden-Schichten, 48-Stunden-Woche, Wochenend-, Feiertags- und Nachtarbeit wie auch die Wechselschicht gehören tatsächlich dazu und sagen nicht jedem zu. Ist so.
Umgekehrt kann diese Arbeitssituation allerdings auch durchaus Vorteile mit sich bringen: einer der größten ist die regelhaft vorherrschende 4-Tage-Woche. Als Ausgleich zu den längeren Schichten hat man oft einfach einen Tag zusätzlich frei.
Die Schichtarbeit bietet durchaus den Vorteil, auch mal unter der Woche frei zu haben und Termine wahrnehmen zu können oder auch einfach mal tagsüber etwas zu unternehmen. Wer nicht unbedingt jeden Abend und jedes Wochenende frei „braucht“, kann hier durchaus von der Work-Life-Balance profitieren.
Vor allem lässt sich hierdurch gerade im Falle der Teilzeitarbeit oder „Rettungsdienst als Nebenerwerb“ eine unglaubliche Flexibilität erreichen. Mein Studium könnte ich beispielsweise nicht mit einer Teilzeit-Bürostelle gleichzeitig durchführen – im Rettungsdienst ist es kein Problem.
Grund 4: Kollegialität und Wachenklima
Einer der großen Pluspunkte betrifft das „Wachenleben“ an sich – und das ist wirklich mit kaum einem anderen Arbeitsumfeld außerhalb des BOS-Bereichs vergleichbar.
Ein weitaus überdurchschnittlicher Zusammenhalt, gemeinsame Aktivitäten – sei es Übungen, gemeinsam kochen, grillen, Filmeabende oder sonstige Projekte in und um die Arbeit – und Freundschaften weit über die eigentliche Arbeit hinaus zeichnen den Rettungsdienst aus. Das beginnt beim gemeinsamen Kaffee zum Schichtwechsel und endet bei Wachenfeiern.
Die Kameradschaftlichkeit ist dabei durchaus durch das Arbeitsumfeld geprägt: gut funktionieren tut es nur, wenn man eine gemeinsame Vertrauensbasis hat. „Knietief in der Scheiße zu stehen“ schweißt zusammen.
Sicher – das Wachenklima ist von Wache zu Wache unterschiedlich und ändert sich mit der Zeit und der Belegschaft; insgesamt pendelt es sich aber immer wieder auf einem guten Niveau ein. Das ist nahezu selbstverständlich: die Wache ist für die meisten mehr als nur Arbeit. Teilweise verbringen die Leute freiwillig sogar hier mehr Zeit als zuhause. Die Wache ist für viele ein Zuhause, die Kollegen für viele eine Familie.
Klingt kitschig, klingt nach rosaroter Rettungsdienstromantik – trifft den Nagel allerdings sehr oft auf den Kopf.
Grund 5: selbstständiges und eigenverantwortliches Arbeiten
Kommen wir nach den sozialen Aspekten doch mal wieder zurück zu den „Hard Facts“ – und die betreffen die Arbeit an sich.
In kaum einem anderen Berufsfeld ist es mit dem Status „abgeschlossene Berufsausbildung“ (hier der Notfallsanitäter) oder gar mit dem Status „Hilfskraft“ (hier der Rettungssanitäter) möglich und vor allem üblich, dass derart frei gearbeitet werden kann.
Es gibt keine Sollvorgaben, die erreicht werden müssen. Es gibt keinen Chef, der einem Anweisungen gibt und im Alleingang die Entscheidungen trifft.
Man kann sich innerhalb seines Kompetenzrahmens und im Rahmen der gesetzlichen und organisatorischen Vorgaben arbeitstechnisch nahezu vollkommen frei bewegen, arbeiten und Entscheidungen treffen.
Als Rettungsdienstler – unabhängig von der Qualifikation – arbeitet man dementsprechend selbstständig und trifft Entscheidungen eigenverantwortlich. Und das in einem hochgradig dynamischen Arbeitsumfeld. Gerade in Hinblick auf den Notfallsanitäter ist man mit größtenteils sehr umfassenden Kompetenzen und Fähigkeiten ausgestattet, um dieser Herausforderung zu begegnen.
Das würde ich bisweilen als „einmalig“ bezeichnen – und ist meines Erachtens durchaus ein positives Alleinstellungsmerkmal.
Grund 6: Notfallmedizin
Ein Blick auf den medizinischen Background lohnt sich: die Notfallmedizin ist einfach unglaublich spannend.
In kaum einem anderen medizinischen Bereich hat man ein derart unterschiedliches Patientenklientel, in kaum einem anderen Bereich muss man derart interdisziplinär denken, in kaum einem anderen Bereich kommt es so sehr auf eine schnelle Auffassungsgabe und Improvisationsgeschick an.
Und vor allem: in kaum einem Bereich außerhalb des Rettungsdienstes hat man die Möglichkeit, derart fokussiert notfallmedizinisch ausgebildet und tätig zu werden.
Auch wenn Zeit- und Handlungsdruck bei „richtigen“ Notfällen durchaus als Stressor gelten können, macht dies viel vom Flair des Rettungsdienstes aus.
Grund 7: Gehalt
Das kann man letztendlich einfach als „falsch“ betiteln. Kein Rettungsdienstler nagt am Hungertuch.
Man kann durchaus zurecht kritisieren, dass die Bezahlung – mindestens mal in Hinblick auf den Notfallsanitäter und seine Verantwortung – nicht unbedingt „leistungsgerecht“ ist.
Im Großen und Ganzen verdient ein Rettungsdienstler gar nicht mal schlecht (eine kleine Aufstellung gibt es hier).
Wenn man sich bei den Rettungssanitätern Ausbildungsdauer, Verantwortung und Entlohnung ansieht kann man meines Erachtens sogar behaupten, dass die Bezahlung überdurchschnittlich ist.
Grund 8: Fort- und Weiterbildung
Fortbildungen sind im Rettungsdienst grundsätzlich Pflicht – man bleibt also mehr oder weniger automatisch auf dem Stand der Medizin.
Es gibt unglaublich viele fachliche Weiterbildungsangebote für alle Interessierten (z.B. PHTLS-Kurse) sowie alles mögliche an Angeboten für Funktionsträger, welche auf der Wache bestimmte Funktionen übernehmen.
Auch wenn der Rettungsdienst keine klassische Karrierebranche ist, muss nach dem Notfallsanitäter keineswegs Schluss sein mit lernen: man kann sich fast beliebig weiterbilden, spezialisieren und qualifizieren.
Grund 9: Neueinsteiger willkommen!
Für alle Interessenten mag das die Nachricht des Tages sein: man nimmt „Neue“ im Rettungsdienst grundsätzlich gerne auf und man wird zügig Teil der Gemeinschaft.
Die Hürden für einen Einstieg in den Rettungsdienst sind vergleichsweise gering und ermöglichen vom „frischen Schulabgänger“ bis zum „arbeitserfahrenen Quereinsteiger“ ein Mitmachen.
Wer volljährig ist, gesundheitlich geeignet ist und einen Führerschein hat, hat prinzipiell schon einmal die Grundvoraussetzungen, um eine rettungsdienstliche Qualifikation zu erlangen.
Grund 10: Sicherer Arbeitsplatz
In…schwierigen Zeiten auf dem Arbeitsmarkt ist das meines Erachtens ein unglaublich wichtiges Kriterium.
Die Arbeit im Rettungsdienst ist „krisensicher“, es wird stets ein Bedarf an Rettungsdienstlern bestehen und es ist derzeit keineswegs absehbar, dass Arbeitsplätze wegrationalisiert werden. Im Gegenteil: steigende Einsatzzahlen und demografischer Wandel sorgen dafür, dass der Bedarf noch absehbar steigen wird.
Unbefristete Arbeitsverträge sind mittlerweile die Regel und die Wahrscheinlichkeit, als heutiger „Neueinsteiger“ die Rente zu erreichen, sind angesichts zahlreicher Verbesserungen der letzten Jahre gar nicht mal schlecht 😉
Interessenkonflikte
Der Autor gibt an, dass keine Interessenkonflikte bestehen.
Quellen
SaniOnTheRoad (2022): Der PHTLS-Kurs, abgerufen unter https://saniontheroad.com/der-phtls-kurs/ am 29.10.2022
SaniOnTheRoad (2022): Mein Weg ins Medizinstudium, abgerufen unter https://saniontheroad.com/mein-weg-ins-medizinstudium/ am 29.10.2022
SaniOnTheRoad (2022): Führerschein und Fahrerlaubnis im Rettungsdienst, abgerufen unter https://saniontheroad.com/fuehrerschein-und-fahrerlaubnis-im-rettungsdienst/ am 29.10.2022
SaniOnTheRoad (2022): Das Schreckgespenst der gesundheitlichen Eignung, abgerufen unter https://saniontheroad.com/das-schreckgespenst-der-gesundheitlichen-eignung/ am 29.10.2022
SaniOnTheRoad (2022): Teilzeitarbeit im Rettungsdienst, abgerufen unter https://saniontheroad.com/teilzeitarbeit-im-rettungsdienst/ am 29.10.2022
SaniOnTheRoad (2022): Rettungsdienst und Studium: ideale Überbrückung und Nebenerwerb?, abgerufen unter https://saniontheroad.com/rettungsdienst-und-studium-ideale-uberbruckung-und-nebenerwerb/ am 29.10.2022
SaniOnTheRoad (2022): Karriere-Barometer Rettungsdienst 2022, abgerufen unter https://saniontheroad.com/karriere-barometer-rettungsdienst-2022/ am 29.10.2022
SaniOnTheRoad (2021): Wie unterscheiden sich die rettungsdienstlichen Ausbildungen?, abgerufen unter https://saniontheroad.com/wie-unterscheiden-sich-die-rettungsdienstlichen-ausbildungen/ am 29.10.2022
SaniOnTheRoad (2020): Arbeitswelt Rettungsdienst – eine kritische Betrachtung, abgerufen unter https://saniontheroad.com/arbeitswelt-rettungsdienst-eine-kritische-betrachtung/ am 29.10.2022
SaniOnTheRoad (2020): „Kleines 1×1 des Rettungsdienstes“ – Teil 21: Notfallsanitäter, und jetzt? Karriere im Rettungsdienst, abgerufen unter https://saniontheroad.com/kleines-1×1-des-rettungsdienstes-teil-21/ am 29.10.2022
SaniOnTheRoad (2019): „Kleines 1×1 des Rettungsdienstes“ – Teil 4: How to get started?, abgerufen unter https://saniontheroad.com/kleines-1×1-des-rettungsdienstes-teil-4/ am 29.10.2022
SaniOnTheRoad (2019): „Kleines 1×1 des Rettungsdienstes“ – Teil 2: Ausbildungen im Rettungsdienst, abgerufen unter https://saniontheroad.com/kleines-1×1-des-rettungsdienstes-teil-2/ am 29.10.2022
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