A & B – Atemwegs- und Atmungsmanagement

Rettungsdienst aktuell – Themen die den Rettungsdienst, seine Mitarbeiter und Interessierte beschäftigen. Von leitliniengerechter Arbeit bis zur gesellschaftskritischen Diskussion.

„Luft geht rein und raus – Blut fließt rundherum. Jede Änderung dieses Zustands ist prinzipiell erstmal schlecht“

Wie schon im vorherigen Beitrag erwähnt: ein simples „Ersticken“ – sei es nun aufgrund einer Atemwegsproblematik oder einer anderen respiratorischen Problematik – ist, gerade bei Traumapatienten, eine der häufigsten Todesursachen. Und analog zu den Blutungen gilt: sie ist häufig durch adäquate Basismaßnahmen vermeidbar.

Die Hypoxie wird hier unmittelbar wirksam – und damit schaffen Atemwegs- und Atmungsprobleme einen sehr schnellen Einstieg zum Ausstieg aus dem Leben.

Inhaltsverzeichnis

Kurzabriss der Pathophysiologie

Grundsätzlich können hinsichtlich der Ätiologie sechs grundlegende Atemstörungen unterschieden werden:

  • Störung der Ventilation (Lungenbelüftung),
  • Störung der Diffusion (Gasaustausch)
  • Störung der Perfusion (unzureichende Durchblutung, entweder der Lunge oder systemisch)
  • Störung der Atemmechanik (Unfähigkeit zur Ausdehnung des Brustkorbs)
  • Störung der neuromuskulären Regulation (Ausfall oder Störung des Atemzentrums)
  • Störung des Sauerstoffangebots in der Umgebungsluft

All diesen Störung ist eines gemeinsam: sie führen zur Hypoxie – wenn auch auf unterschiedlichem Wege.

Wie schon bei den lebensbedrohlichen Blutungen sind die Folgen die selben: die Energieproduktion der Zellen kommt zum erliegen, es stellt sich ein anaerober Stoffwechsel mit Azidose ein, zelluläre Prozesse kommen zum erliegen und letztendlich bilden sich Zellnekrosen – die Zellen sterben unkontrolliert ab.

Wenn irgendwann der Zelltod ausreichend viele Zellen betroffen sind, wird der Zelltod zum Tod des Menschen.

Mehr Infos

Störungen der Ventilation stellen zu einem großen Teil typische Atemwegsprobleme dar – die Luft kommt schlicht und ergreifend nicht mehr in die Alveolen, alle anderen Prozesse würden noch funktionieren. Typisches Beispiel sind hier natürlich Atemwegsverlegungen jeder Art; allerdings führen auch eine krankheitsbedingte Bronchoobstruktion oder auch ein Pneumothorax (durch Kollaps der Lunge) zu dieser Atemstörung.

Diffusionsstörungen hingegen liegen in der Lunge selbst (und hier typischerweise im „internistischen“ Ursachenbereich) und sind ein klassisches „B-Problem„. Diffusionsstörungen entstehen in aller Regel durch eine Verlängerung der Diffusionsstrecke – meist durch Flüssigkeit verursacht. Das kann natürlich ein Lungenödem sein, aber auch verschiedene entzündliche Prozesse wie Pneumonien.

Die Perfusionsstörungen werden zu gerne vergessen und stellen dabei ein massives Problem dar – hier liegt die Störung eigentlich nicht im Atmungssystem selbst, sondern eigentlich im Bereich des Blutkreislaufs und damit in der Lungendurchblutung. Äußern werden sich Perfusionsstörungen typischerweise als B-Problem. Der Klassiker ist hierbei natürlich die Lungenarterienembolie (LAE), aber auch jedes fortschreitende Schockgeschehen wird zu einer Perfusionsstörung durch eine deutliche Hypoperfusion führen.

Störungen der Atemmechanik fallen ebenfalls unter den Punkt der B-Probleme und sind typischerweise traumatisch bedingt – letztendlich werden die Probleme, welche die normalen Thoraxexkursionen unmittelbar behindern, hierunter zusammengefasst. Darunter fallen u.a. Rippenserienfrakturen, der instabile Thorax oder auch ein Verschüttungstrauma.

Die neuromuskuläre Regulation der Atmung erfolgt über das Atemzentrum in der Medulla oblongata und die entsprechende Innervation über die zervikalen Rückenmarkssegmente. Per se ist bei einer solchen Störung ein D-Problem vorliegend, welches nachfolgend zu einem B-Problem führt. Neben traumatischen Ursachen wie einem SHT, zerebralen Blutungen oder Querschnittsverletzungen mit Nervus-phrenicus-Parese fallen auch typische Intoxikationen als internistische Ursache darunter.

Die Störung des Sauerstoffangebots ist praktisch der „Rest“ an Ursachen, welcher noch übrig bleibt: nämlich alles, was mit „zu wenig“ Sauerstoff in der Umgebungsluft assoziiert ist. Das kann eine bloße absolute Verdrängung des Sauerstoffs durch Stickgase (man denke an die CO2-Intoxikation) sein, aber auch das „relative“ Verdrängen des Sauerstoffs durch eine höhere Bindungsaffinität (wie bei Kohlenmonoxidvergiftungen).

Das „A“ und „B“ im Primary Survey

„A“ und „B“ sind im internistischen Standard-ABCDE die ersten Punkte, die nach der Ersteinschätzung des Patienten abgearbeitet werden – im xABCDE bei Traumapatienten folgen sie unmittelbar auf die Kontrolle lebensbedrohlicher Blutungen nach außen.

Bereits im Rahmen der Ersteinschätzung kann man kritische A- und B-Probleme zügig identifizieren:

Identifikation kritischer A- & B-Probleme im „First look“

  • Ein Patient, der nicht in der Lage ist, zu sprechen, hat wohlmöglich ein kritisches A-Problem
  • Ein Patient, der nicht in der Lage ist, in ganzen Sätzen zu sprechen, hat wohlmöglich ein kritisches B-Problem.

Das gilt natürlich unter der Prämisse, dass die Problematik neu aufgetreten ist und kein anderes Problem die Ursache besser erklärt.

Eine Inspektion des Mundraums gehört neben der Beurteilung „Kann der Patient sprechen?“ zum Standardablauf einer A-Untersuchung. Nicht nur, dass hier etwaige Fremdkörper oder Blutungen entdeckt werden können und der Schleimhautstatus ermittelt werden kann – eine Zyanose als deutliches Zeichen einer Hypoxie äußert sich zuerst an Lippen und Mundschleimhäuten.

Hinsichtlich der B-Untersuchung gilt „IPAP“ – oder eben „sehen, hören, fühlen“. Der Thorax (und auch die Halsvenen) sind vollständig zu inspizieren, der Patient wird beidseits auskultiert und der Thorax auf Stabilität geprüft.

Die Atemfrequenz muss ausgezählt werden, nicht nur „abgeschätzt“. Auch wenn sie ein ungeliebter und selten erhobener Vitalparameter ist, ist sie unglaublich wichtig – zum einen, weil sie auf signifikante Atmungsprobleme hinweisen kann, zum anderen weil sie ein sehr früher Schockindikator ist. Also: machen. Wirklich.

Die Pulsoxymetrie vervollständigt als einfache, schnelle apparative Diagnostik den Untersuchungsgang an dieser Stelle.

Möglichkeiten zum Atemwegsmanagement

Auch wenn „A“ und „B“ in diesem Beitrag zusammengefasst wurden – da sie letztendlich ein Organsystem behandeln – muss hinsichtlich der Maßnahmen und ihrer Priorisierung zwischen beiden Punkten unterschieden werden.

„A vor B!“

Das Schaffen und Sichern eines freien Atemwegs hat Vorrang vor den B-Maßnahmen – diese werden nämlich erfolglos sein, wenn der Atemweg gar keinen Gasaustausch ermöglicht.

Für das Atemwegsmanagement gelten zwei Grundregeln insbesondere:

  • So viel wie nötig, so einfach wie möglich – einfache, schnelle und wenig invasive Maßnahmen sind unbedingt zu bevorzugen, wenn sie erfolgreich (oder erfolgversprechend) sind
  • „Schuster, bleib‘ bei deinen Leisten“ – die Auswahl weiterführender, invasiver Maßnahmen zur Atemwegssicherung sollte sich nach Kompetenz und Routine des Personals und der Dringlichkeit richten

Ein freier Atemweg ist erstmal ein freier Atemweg – ein Patient stirbt in aller Regel nicht an „fehlendem Plastik in der Luftröhre“, sondern an fehlender Oxygenierung und Komplikationen durch eine unsachgemäße Atemwegssicherung.

Dementsprechend wird der Fokus hier vor allem auf die Basismaßnahmen gelegt. Eine Ausnahme: die Fremdkörperaspiration ist schon in den ERC-Leitlinien ausführlich beschrieben, daher verzichte ich hier auf eine erneute Ausführung.

Stabile Seitenlage

Auch wenn sie rettungsdienstlich nicht der Klassiker ist, stellt die stabile Seitenlage durchaus eine überlegenswerte Option zum Freimachen der Atemwege – durch Überstrecken des Kopfes – und zum Freihalten derselben dar.

Absoluter Favorit ist sie im Rettungsdienst jedoch nicht – einfach, weil sie mit entsprechenden Nachteilen behaftet ist: die Untersuchung im Rahmen des Primary Survey ist einfach deutlich erschwert und für Traumapatienten ist sie aufgrund der hohen Bewegung zumindest potentiell schädigend.

Dennoch sollte man sie im Hinterkopf behalten, gerade dann, wenn andere „schnelle“ Varianten zur Atemwegssicherung situationsbedingt nicht infrage kommen.

Durchführung (vereinfachte Version)

  1. Man kniet neben dem auf dem Rücken liegenden Betroffen, Arme liegen parallel am Körper und Beine des Betroffenen sind ausgestreckt
  2. Der dem Helfer nahe Arm des Betroffenen wird angewinkelt nach oben gelegt (Handfläche nach oben)
  3. Der dem Helfer ferne Arm des Betroffenen wird gegriffen und die Handoberfläche auf die dem Helfer zugewandete Wange gelegt und dort gehalten.
  4. Das vom Helfer ferne Bein wird gegriffen und angewinkelt.
  5. Der Betroffene wird nun auf die Seite des Helfers gedreht. Griff auf Knie- und Schulterhöhe.
  6. Der nun oben liegende Oberschenkel wird im rechten Winkel zum Körper gelegt.
  7. Der Kopf wird überstreckt und mit der Hand an der Wange so fixiert, dass er stabil liegt. Der Mund muss an der tiefsten Stelle sein.

Esmarch-Handgriff und Chin Lift

Modifizierter Esmarch-Handgriff. Quelle: Wikimedia Commons/Another-anon-artist-234, CC0 1.0.

Rettungsdienstlicher, einfachster „Standard“ sind der (modifizierte) Esmarch-Handgriff oder alternativ der „Chin Lift“ zum Öffnen und Freihalten des Atemweges und werden auch in Kursformaten wie PHTLS favorisiert.

Wie bei der stabilen Seitenlage hat man hier den Vorteil, dass man für die Durchführung an sich primär kein zusätzliches Material benötigt – eine Absaugbereitschaft muss allerdings hergestellt werden.

Der Nachteil, dass der Patient auf die Seite gedreht werden muss, entfällt hier.

Modifizierter Esmarch-Handgriff (Trauma Jaw Thrust)

  1. Der Kopfhelfer kniet hinter dem Patienten
  2. Zeige- und Mittelfinger liegen im Kieferwinkel, die Daumen auf der Kinnfläche
  3. Mittel- und Zeigefinger schieben den Kiefer nach vorne, die Daumen drücken die Kinnfläche leicht nach unten und öffnen so den Mund

Chin Lift

  1. ein Helfer führt eine manuelle Inline-Stabilisierung durch
  2. der zweite Helfer umfasst Unterkiefer und die untere Zahnreihe
  3. der Unterkiefer wird nun nach vorne gezogen

Absaugen

Gerade im Falle größerer Sekretmengen – sei es Schleim, Blut, Erbrochenes oder Fremdkörper – ist das Absaugen, ggf. in Kombination mit anderen Maßnahmen, Mittel der Wahl.

Typischerweise werden hierfür elektrische Absaugpumpen mit entsprechenden Absaugkathetern genutzt – manuelle Hand- oder Fuß-Absaugpumpen funktionieren nach einem ähnlichen Prinzip, sind aber teils wesentlich anstrengender in der Anwendung und nicht ganz so vielseitig.

Absaugkatheter werden in unterschiedlichen Größen (gemessen in Charrière, CH) angeboten und sind meist sterile, flexible Kunststoffschläuche. Davon abgesehen gibt es auch durchaus sehr große, starre Absaugkatheter (z.B. Yankauer-Katheter), welche insbesondere für große Sekretmengen im Mund-Rachen-Raum gut geeignet sind.

Tiefes endobronchiales Absaugen – zum Beispiel über ein Tracheostoma oder einen Endotrachealtubus – muss unbedingt unter sterilen Bedingungen erfolgen!

Vorgehen

  1. Auswahl des passenden Absaugkatheters und Aufstecken auf den „Fingertip“ (Seitenöffnung muss offen sein!)
  2. Einschalten der Absaugpumpe
  3. Einführen des Absaugkatheters ohne Sog (Seitenöffnung am Fingertip offen)
  4. Unter Sog (Seitenöffnung am Fingertip mit Finger verschlossen) den Absaugkatheter wieder zurückziehen
  5. ggf. erneutes Einführen ohne Sog und erneutes Zurückziehen mit Sog

Guedel-Tubus

Der Guedel-Tubus ist präklinisch der „Klassiker“ unter den einfachen Atemwegshilfen. Guedel-Tuben sind Oropharyngealtuben aus Hartplastik, welche das Zurückfallen der Zunge und die damit verbundene Atemwegsverlegung verhindern; über die Öffnung des Tubus ist sowohl die Atmung wie ggf. auch das Absaugen (mit entsprechend dünnen Absaugkatheter möglich).

Nachteil des Guedel-Tubus ist: der Patient muss in aller Regel eine ausgeprägte Bewusstseinsstörung haben – ansonsten löst der Tubus fast unweigerlich einen Würgereflex aus.

Vorgehen

  1. Wahl der richtigen Tubusgröße – Abmessung: Mundwinkel bis Ohrläppchen
  2. Öffnen des Mundes, ggf. Absaugen
  3. Einführung des Tubus mit dem Ende nach oben („verkehrt herum“) in den Mund
  4. Vorschieben
  5. Drehung um 180°, um den Zungengrund nach vorne zu drängen

Es ist tatsächlich unheimlich wichtig, dass der Guedel-Tubus zunächst „verkehrt herum“ eingeführt wird – schiebt man den Tubus bereits in der richtigen Endposition in den Mund, wird man unweigerlich den Zungengrund nach hinten schieben – und damit im schlechtesten Fall genau die Atemwegsverlegung provozieren, die man eigentlich verhindern will.

Wendl-Tubus

Was dem Mund sein Guedel-Tubus, ist der Nase ihr Wendl-Tubus. Hierbei handelt es sich wiederum um Nasopharyngealtubus. Das Prinzip – Verhinderung des Zurückfallens der Zunge – ist identisch zum Guedel-Tubus.

Wendl-Tuben sind unterschiedlich lange und unterschiedlich dicke „Schläuche“ aus weichem Kunststoff – die Auswahl sollte sowohl an Länge (hier: Nasenspitze bis Ohrläppchen) als auch an den Durchmesser (Nasenloch) angepasst erfolgen.

Bei Patienten mit SHT sollte ein Wendl-Tubus nur mit größter Vorsicht – oder besser: gar nicht – eingesetzt werden. Im Falle einer Schädelbasisfraktur besteht hier tatsächlich die Gefahr einer Sekundärschädigung des Gehirns bei unsachgemäßer Anwendung.

Wendl-Tuben haben gegenüber dem Guedel-Tubus einen Vorteil: sie werden auch von relativ wachen Patienten oft gut toleriert, da sie keinen Würgereiz auslösen.

Vorgehen

  1. Auswahl der passenden Tubusgröße (Länge: Nasenspitze bis Ohrläppchen, Durchmesser entsprechend des Nasenlochs)
  2. Tubus anfeuchten (NaCl 0,9 % oder künstlicher Speichel)
  3. Tubus unter leichten Drehen einführen – gerade, nicht nach oben schieben!

Supraglottischer Atemweg

Etwas „invasiver“ sind hingegen die supraglottischen Atemwegshilfen Larynxmaske und Larynxtubus, welche – im Gegensatz zum Endotrachealtubus – oberhalb bzw. schlicht außerhalb der Stimmbandebene liegen. Beiden ist zudem gemein, dass sie „blind“, d.h. ohne Laryngoskopie, eingeführt werden. Im Gegensatz zu den Oro- und Nasopharyngealtuben bieten supraglottische Atemwegshilfen die Möglichkeit einer maschinellen Beatmung und einen begrenzten Aspirationsschutz.

Die Larynxmaske besteht aus einem Plastikkörper und einem weichen, aufblasbaren Cuff. Die Größenauswahl erfolgt hier an das Patientengewicht adaptiert. Gegebenenfalls gibt es auch einen Drainagekanal für eine Magensonde.

Der Larynxtubus ist – Nomen est omen – auch vom Aussehen her ein Tubus. Im Gegensatz zum Endotrachealtubus verfügt er allerdings über zwei Cuffs – einen für die Abdichtung des Rachenraumes, einen für die Abdichtung des Ösophagus. Die Beatmung erfolgt über eine Öffnung zwischen den beiden Cuffs. Ein Drainagekanal für die Anlage einer Magensonde ist bei neueren Modellen standardmäßig vorhanden. Die Auswahl erfolgt bei Kindern gewichtsadaptiert, bei Erwachsenen größenadaptiert.

Nachdem im Rahmen des Rettungsdienstes der Larynxtubus deutlich verbreiteter ist, beschränke ich mich hinsichtlich der Durchführung auch auf diesen.

Vorgehen – Larynxtubus

  1. Auswahl der passenden Tubusgröße (Kinder gewichtsadaptiert, Erwachsene größenadaptiert)
  2. Tubus im Bereich der Cuffs befeuchten (künstlicher Speichel)
  3. Einführen der Magensonde in den Drainagekanal
  4. Kopf des Patienten in Neutralposition, Zunge mit Daumen fixieren
  5. Tubus vorschieben, bis die Zahnreihe zwischen den beiden schwarzen Fixierungen liegt
  6. Tubus blocken – die Luftmenge wird entsprechend der Farbcodierung auf Tubus und Blockerspritze gewählt. Tubus dabei nicht festhalten; dieser bringt sich selbst in die korrekte Position!
  7. Cuffdruckmessung (!) – der Cuffdruck muss unter 60 cm H2O liegen!
  8. Lagekontrolle – Auskultation und Kapgnographie obligat, Vorschieben der Magensonde vor der ersten Beatmung
  9. Tubus fixieren

Endotracheale Intubation & chirurgischer Atemweg

Nochmals invasiver sind dann die endotracheale Intubation, die perkutane transtracheale (Jet-)Ventilation (PTV) sowie Nadel- und chirurgische Cricothyreotomie („Notkoniotomie“).

Mit dem Fokus auf die Basismaßnahmen muss man feststellen: diese Maßnahmen sollten möglichst routinierten Anwendern überlassen werden, welche die Maßnahmen sicher beherrschen – dies liegt einerseits an der vergleichsweise großen Übung, um die Maßnahme zu erlernen, andererseits an der Komplikationsrate.

Dementsprechend rufe ich gerne nochmal in Erinnerung:

„Ein Patient stirbt in aller Regel nicht an „fehlendem Plastik in der Luftröhre“, sondern an fehlender Oxygenierung und Komplikationen durch eine unsachgemäße Atemwegssicherung.“

Im Rahmen eines eskalierenden Atemwegsmanagements sollte die endotracheale Intubation durch den Notfallsanitäter dann erwogen werden, wenn weder eine suffiziente Beutel-Maske-Beatmung, noch eine Nutzung des Larynxtubus erfolgreich ist.

PTV und Cricothyreotomie sind absolute Ultima-ratio-Verfahren bei „cannot ventilate, cannot intubate„-Situationen – also simpel ausgedrückt: wenn jede Form der Beatmung und Atemwegssicherung gescheitert ist.

Möglichkeiten zum B-Management

Die Interventionen bei B-Problemen erfolgen erst, wenn ein freier Atemweg besteht – dann allerdings unmittelbar.

Generell gilt auch hier: einfache vor komplexen Maßnahmen, nicht invasiv vor invasiv, Basismaßnahmen vor der erweiterten Versorgung.

Lagerung

Die mit Abstand einfachste Maßnahme im Rahmen des B-Managements – die interessanterweise oft wenig Beachtung findet – ist die Lagerung des Patienten.

Sie hat grundsätzlich den Vorteil, dass sie schnell durchführbar ist, das subjektive Befinden deutlich verbessern kann – und dabei kaum „Nebenwirkungen“ bestehen.

Generell ist eine Oberkörperhochlagerung beim wachen Patienten mit B-Problem Mittel der Wahl – je nach Indikation kann hier zudem die Aktivierung der Atemhilfsmuskulatur (z.B. mittels Kutschersitz) oder eine „Herzbettlage“ angestrebt werden.

Liegen gleichzeitig B- und C-Problem vor (wobei letzteres häufig eine Flachlagerung favorisiert), muss je nach Zustand und Toleranz des Patienten abgewogen werden, welche Lagerung erfolgt.

Beengende Kleidung sollte geöffnet werden; im Falle einer Anaphylaxie sollte eine Beendigung der Allergenexposition – z.B. durch Ortswechsel bei Tierhaar- oder Pollenallergien – angestrebt werden.

Sauerstoffgabe

Das Thema „Sauerstoff in der Notfallmedizin“ ist gar nicht so einfach, wie man denkt…

Nachdem ich dieser Thematik allerdings bereits einen ganzen eigenen Beitrag gewidmet habe, beschränke ich mich an dieser Stelle auf die daraus abgeleiteten Kernpunkte:

  • Wie jede andere medizinische Therapie hat auch die Sauerstofftherapie Indikationen und muss wie jede andere medizinische Therapie überwacht – und gegebenenfalls angepasst – werden.
  • Sauerstoff bekämpft die Hypoxie nicht die Atemnot als Symptom.
  • Sauerstoffgabe bei (drohender) Hypoxie – SpO2-Zielbereich von 92 bis 96 % ohne Hyperkapnierisiko, 88 bis 92 % bei Hyperkapnierisiko (z.B. COPD)
  • Sauerstoffgabe bei kritischen Patienten im Rahmen des Primary Survey
  • sonst: Sauerstoffgabe nur, wenn andere Verfahrensanweisungen und Leitlinien es vorsehen (z.B. Präoxygenierung bei Analgosedierung)

Sauerstofftherapie in der Notfallmedizin

Medikamentöse Therapie

Die medikamentöse Therapie richtet sich entsprechend der Vielfalt der möglichen zugrundeliegenden Krankheitsbilder, dem Patientenzustand und etwaigen Kontraindikationen. Eine umfassende Betrachtung würde an dieser Stelle jeden Rahmen sprengen, von daher beschränke ich mich auf die Grundzüge.

Auch hier gilt: Basismaßnahmen vor erweiterten Maßnahmen!

Die Auswahl richtet sich nach Indikation, Kontraindikationen, dem Patientenzustand, der Qualifikation des Anwenders und den lokal gültigen Standardarbeitsanweisungen.

Typische medikamententöse Interventionen umfassen

  • im Falle der Anaphylaxie: Adrenalin intramuskulär und ggf. inhalativ, H1-Rezeptorenblocker intravenös und Glucocortikoide intravenös oder rektal; ggf. zusätzlich Beta-2-Sympathomimetika und/oder Anticholinergika inhalativ
  • im Falle der Bronchoobstruktion (Asthma bronchiale oder COPD): Beta-2-Sympathomimetika und/oder Anticholinergika inhalativ, Glucocorticoide intravenös oder rektal; ggf. auch Beta-2-Sympathomimetika intravenös
  • im Falle eines Krupp-Syndroms: NaCl 0,9 % inhalativ, ggf. Adrenalin inhalativ, Glucocorticoide rektal
  • im Falle des kardialen Lungenödems: Glyceroltrinitrat sublingual und Furosemid intravenös.

Assistierte & kontrollierte Beatmung

Bei schwerwiegenderen Atemstörungen können sowohl eine assistierte als auch eine kontrollierte Beatmung notwendig werden – mit oder ohne zusätzliche Atemwegssicherung.

Assistierte Beatmung

Die assistierte Beatmung setzt eine noch vorhandene Spontanatmung des Patienten voraus. Sie kommt dann in Betracht, wenn eine ausreichendes Atemminutenvolumen (AMV) trotz Spontanatmung nicht mehr gewährleistet ist.

Im Falle einer Bradypnoe sorgt die zu geringe Atemfrequenz für ein zu geringes AMV – es wird hier typischerweise zwischen den Atemzügen des Patienten mittels Beutel-Maske-Beatmung vorsichtig „zwischenbeatmet“.

Im Falle einer Tachypnoe ist die Frequenz zwar hoch, das Atemzugvolumen (AZV) allerdings zu gering, was ebenfalls in einem verminderten AMV resultiert. Hier wird in einem entsprechenden Intervall das Atemzugvolumen möglichst Atemsynchron durch einen Beatmungshub gesteigert. Dies erfordert erstaunlicherweise einiges an Übung!

Kontrollierte Beatmung

Hat der Patient keine Spontanatmung, wird aus der assistierten Beatmung eine kontrollierte Beatmung – man übernimmt hier sämtliche Atemarbeit des Patienten.

Vorgehen

Nachdem es für den „Erstangriff“ – auch im Rahmen der Reanimation – die üblichste und essentiellste Form ist, wird entsprechend das Vorgehen der einfachen Beutel-Maske-Beatmung erläutert:

  1. Auswahl der passenden Maskengröße – die Maske muss über Mund und Nase des Patienten passen
  2. HME-Filter zwischen Maske und Beatmungsbeutel, ggf. Kapnographie nutzen (Effektivität der Beatmung, Kontrolle der Atemfrequenz)
  3. Beatmungsbeutel an Sauerstoff konnektieren, hoher Flow (15 l/min)
  4. C-Griff
    • Daumen und Zeigefinger liegen auf der Maske
    • Unteres Ende der Maske auf Kinn aufsetzen und nach unten drücken, um den Mund zu öffnen
    • Restliche Finger greifen am Unterkiefer – im Kieferwinkel an
    • Kopf reklinieren (Ausnahme: Kinder – hier ist die „Schnüffelposition“ notwendig)
    • Maske muss dicht auf dem Gesicht aufsitzen
  5. Mit anderer Hand Beatmungsbeutel vorsichtig ausdrücken
  6. Überprüfung der Effektivität (sichtbare Thoraxbewegungen, ggf. Kapnographie)

Sofern die Beatmung alleine mit dem C-Griff nicht effektiv ist, kann beispielsweise der Doppel-C-Griff (Maske wird mit beiden Händen gehalten, während ein zweiter Helfer den Beatmungsbeutel ausdrückt) oder die Nutzung von Oro- oder Nasopharyngealtuben erfolgen.

Versorgung von offenen Thoraxwunden & Nadeldekompression

Offene Thoraxwunden können sowohl sehr eindrücklich sein, oder sehr leicht übersehen werden. Die Folge in Form eines Pneumothorax und/oder Hämatothorax sollte allerdings spätestens im Primary Survey auffallen.

Generell gilt hier:

„Jede offene Thoraxverletzung ist luftdicht abzudecken“

Sinn und Zweck des Ganzen ist es, das Eindringen weiterer Luft (und Keime) zu verhindern, welche bei einer „Ventilfunktion“ aus dem eindrücklichen, aber nicht zwangsläufig lebensbedrohlichen Pneumothorax einen lebensbedrohlichen Spannungspneumothorax verursachen.

Idealerweise nutzt man dafür entsprechende kommerzielle Produkte (z.B. ein Chest Seal, mit oder ohne Ventil), welche schlicht auf die offene Thoraxwunde geklebt werden. Stehen diese nicht zur Verfügung, kann ein Okklusivverband auch behelfsmäßig gebastelt werden, z.B. mit der Plastikabdeckung eines Infusionsbestecks, welche an drei Seiten festgeklebt wird (Drei-Seiten-Verband) – oder man nutzt schlicht ein (Paar) Defi-Patches, welche analog zu einem Chest Seal auf die Wunde geklebt werden.

Ist der Patient zunehmend instabil und ein Spannungspneumothorax oder Hämatothorax wahrscheinlich, bleibt nur die Nadeldekompression. Hierfür wird bestenfalls eine spezielle Dekompressionsnadel genutzt, „Off-Label“ kann auch eine großlumige Venenverweilkanüle (i.d.R. 14G, orange) genutzt werden.

Vorgehen – Nadeldekompression

  1. Sorgfältige, kritische Indikationsstellung nach lokalem Protokoll!
  2. Offene Thoraxwunden zuerst versorgen
  3. Betroffene Seite markieren!
  4. Desinfektion des Punktionsortes
    • nach Monaldi: 2.-3. ICR Medioklavikularlinie
    • nach Bülau: 4.-5. ICR vordere bis mittlere Axillarlinie
  5. Materialvorbereitung
    • in 5 ml-Spritze 2 ml NaCl 0,9 % aufziehen
    • Spritze auf Dekompressionsnadel aufsetzen, Nadel entlüften
  6. Punktion
    • oberhalb der Rippe am gewünschten Punktionsort unter Aspiration punktieren
    • beim Aufsteigen von Luftblasen in der Spritze ist die Pleurahöhle erreicht
    • Stahlmandrin entfernen, Plastikkanüle vorschieben
    • Kanüle fixieren (z.B. mittels Verschlusskappe der Punktionsnadel oder Pflasterrolle), Knickschutz!
  7. Reevaluation

Take-home-Message

Die Take-home-Message kann an dieser Stelle relativ simpel gehalten werden:

  • zügige und konsequente Untersuchung von Atemwegen und Atmung
  • So viel wie nötig, so einfach wie möglich – Eskalierendes Vorgehen ist angezeigt!
  • „Schuster, bleib‘ bei deinen Leisten“ – ein Patient stirbt in der Regel nicht an fehlenden Plastik im Hals

und vor allem: konsequente Übung in allen Techniken des A- & B-Managements. Dies ist der Punkt, an dem es oft scheitert – und gerade sehr einfache Maßnahmen (die meist schon lebensrettend sind), werden kaum geübt und daher auch kaum beherrscht.

Nach der suffizienten Intervention bei einem A- und/oder B-Problem wird konsequent weiter im Primary Survey fortgefahren.

Interessenkonflikte

Der Autor gibt an, dass es sich bei den verlinkten Büchern um Affiliate-Links handelt. Es entstehen keine zusätzlichen Kosten bei der Bestellung über den Link. Eine Einflussnahme bei der Auswahl der Literatur ist dadurch nicht erfolgt. Siehe auch: Hinweise zu Affiliate-Links.

Der Autor gibt an, dass keine Interessenkonflikte bestehen.

Quellen

Böhmer R., Schneider T., Wolcke B. (2020): Taschenatlas Rettungsdienst, 11. Auflage. Böhmer & Mundloch Verlag, Mainz. ISBN 978-3-948320-00-3. Hier erhältlich: https://amzn.to/3SZQdcW Affiliate-Link

Deutscher Berufsverband Rettungsdienst e.V. (2022): Musteralgorithmen 2022 zur Umsetzung des Pyramidenprozesses im Rahmen des NotSanG, Version 7.1, abgerufen unter https://www.dbrd.de/images/algorithmen/DBRGAlgo0522_Web1.pdf am 30.12.2022

Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (2019): S1-Leitlinie Prähospitales Atemwegsmanagement, AWMF-Registernummer: 001-040, abgerufen unter https://register.awmf.org/assets/guidelines/001-040l_S1_Praehospitales-Atemwegsmanagement_2019-03_1.pdf am 30.12.2022

Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. (2021): S3-Leitlinie: Sauerstoff in der Akuttherapie beim Erwachsenen, AWMF-Registernummer: 020-021, abgerufen unter https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/020-021l_S3_Sauerstoff-in-der-Akuttherapie-beim-Erwachsenen_2021-06.pdf am 30.12.2022

Deutscher Rat für Wiederbelebung (2021): Reanimation 2021 – Leitlinien kompakt, abgerufen unter https://www.grc-org.de/files/ShopProducts/download/Leitlinien%20kompakt_08.11.2021.pdf am 30.12.2022

Luxem J., Runggaldier K., Karutz H., Flake F. (2020): Notfallsanitäter Heute, 7. Auflage. Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH, München. ISBN 978-3437462115. Hier erhältlich: https://amzn.to/3QVgyqE Affiliate-Link

NAEMT (2020): Prehospital Trauma Life Support – Kurshandbuch Deutsche Ausgabe, 9. Edition. Jones and Bartlett Publishers, Inc. ISBN 978-1-284-19862-1. Hier erhältlich: https://amzn.to/3fDcfTN Affiliate-Link

NAEMT (2018): Prehospital Trauma Life Support, 9. Edition. Jones and Bartlett Publishers, Inc. ISBN 978-1-284-17147-1. Hier erhältlich: https://amzn.to/3UZ6C2g Affiliate-Link

SaniOnTheRoad (2022): x – Management lebensbedrohlicher Blutungen, abgerufen unter https://saniontheroad.com/x-management-lebensbedrohlicher-blutungen/ am 30.12.2022

SaniOnTheRoad (2022): Der PHTLS-Kurs, abgerufen unter https://saniontheroad.com/der-phtls-kurs/ am 30.12.2022

SaniOnTheRoad (2022): Sauerstofftherapie in der Notfallmedizin, abgerufen unter https://saniontheroad.com/sauerstofftherapie-in-der-notfallmedizin/ am 30.12.2022

SaniOnTheRoad (2019): „Kleines 1×1 des Rettungsdienstes“ – Teil 12: Strukturiertes Arbeiten und Schemata im Rettungsdienst, abgerufen unter https://saniontheroad.com/kleines-1×1-des-rettungsdienstes-teil-12/ am 30.12.2022

Silbernagl S., Lang F. (2019): Taschenatlas Pathophysiologie, 6. Auflage.  Georg Thieme Verlag, Stuttgart/New York. ISBN 978-3-13-242913-0. DOI: 10.1055/b-007-168903. Hier erhältlich: https://amzn.to/3RXi8Zi Affiliate-Link

YouTube (2020): Emergency Needle Decompression, abgerufen unter https://www.youtube.com/watch?v=1KLRv_YGNMI am 30.12.2022

YouTube (2020): SDL | Vorbereitung & Assistenz, Larynxtubus, abgerufen unter https://www.youtube.com/watch?v=so2DDj_nLiI am 30.12.2022

YouTube (2020): SDL | Anwendung eines Guedeltubus, abgerufen unter https://www.youtube.com/watch?v=vjFgQv_wM54 am 30.12.2022

YouTube (2017): Trauma Jaw Thrust, abgerufen unter https://www.youtube.com/watch?v=jxQ-d0cHZro am 30.12.2022

YouTube (2013): Erste Hilfe – Stabile Seitenlage, abgerufen unter https://www.youtube.com/watch?v=pf_a2tUy-y4 am 30.12.2022

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Über SaniOnTheRoad

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SaniOnTheRoad

Notfallsanitäter, Teamleiter und Administrator des Blogs. Vom FSJler über Ausbildung bis zum Haupt- und Ehrenamt im Regelrettungsdienst und Katastrophenschutz so ziemlich den klassischen Werdegang durchlaufen. Mittlerweile beruflich qualifizierter Medizinstudent im vorklinischen Abschnitt. Meine Schwerpunkte liegen auf Ausbildungs- und Karrierethemen, der Unterstützung von Neueinsteigern, leitliniengerechten Arbeiten sowie Physiologie, Pathophysiologie, Pharmakologie und EKG für den Rettungsdienst. Mehr über mich hier.

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