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„Verbluten“ ist neben dem „Ersticken“ (sei es schlicht die Hypoxie oder im weiteren Sinne der Spannungspneumothorax) sind gerade beim Trauma-Patienten die häufigsten Todesursachen.
Neben den präklinisch zugegebenermaßen schwer bis gar nicht kontrollierbaren inneren Blutungen versterben auch zahlreiche Patienten an gut kontrollierbaren, äußeren Blutungen: weil sie trotz Möglichkeit nicht kontrolliert werden.
Inhaltsverzeichnis
- Kurzabriss der Pathophysiologie
- Das „x“ im Primary Survey
- Möglichkeiten zur Blutungskontrolle
- Take-home-Message
Kurzabriss der Pathophysiologie
„Warum müssen wir Blutungen stoppen?“ oder „Warum sind Blutungen problematisch?“
Der Mensch hat nur ein begrenztes Blutvolumen zur Verfügung stehen, um die einwandfreie Funktion des Körpers zu gewährleisten – beim Durchschnittserwachsenen sind das etwa 5 – 6 Liter. Durch die Blutbildung (Hämatopoese) werden die Blutzellen zwar erneuert und im Falle eines Blutverlustes ersetzt, dies nimmt jedoch einiges an Zeit in Anspruch.
Das Blut übernimmt verschiedenste lebenswichtige Funktionen für den menschlichen Organismus: neben der Immunabwehr, den Transport von Nährstoffen und Abfallprodukten ist dies vor allem der Transport von Sauerstoff und Kohlendioxid.
Damit Zellen des Körpers funktionieren, benötigen sie vor allem einmal Sauerstoff. Durch große Blutverluste kommt letztendlich der Sauerstofftransport im Körper – der über die Erythrozyten erfolgt – zum erliegen, die Zellen erleiden einen Sauerstoffmangel – eine Hypoxie.
Durch den Blutverlust erfolgt eine Minderdurchblutung des Gewebes – eine Hypoperfusion des Körpers – der in der Hypoxie mündet. Man spricht hier schlicht vom „Schock“, genauer vom hämorrhagischen Schock.
Von den vielen „Problemen“ des Schocks ist die Hypoxie mitunter das Hauptproblem: die Energieproduktion der Zellen kommt zum erliegen, zelluläre Prozesse kommen zum erliegen und letztendlich bilden sich Zellnekrosen – die Zellen sterben unkontrolliert ab.
Wenn irgendwann der Zelltod ausreichend viele Zellen betroffen sind, wird der Zelltod zum Tod des Menschen. Und das gilt es zu verhindern.
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Hinsichtlich der Blutungen nach außen lassen sich drei Arten grundsätzlich unterscheiden:
- kapilläre Blutungen sind Blutungen aus den Kapillargebiet – also den kleinsten Gefäßen. Diese treten oft bei Abschürfungen auf und gehen meist nicht mit einem großen Blutverlust einher. Hier ist meist die Wundversorgung im Verlauf des Primary Survey ausreichend.
- venöse Blutungen können nach Verletzung oberflächlicher oder tiefer Venen auftreten und zeichnen sich meist durch einen kontinuierlichen Fluss dunkelroten Blutes aus. Je nach Gefäßgröße – da Venen Kapazitätsgefäße darstellen – kann hier ein erheblicher Blutverlust entstehen, sodass eine unmittelbare Versorgung notwendig ist.
- arterielle Blutungen zeichnen sich durch spritzendes, hellrotes Blut aus – im Falle der Verletzung tiefer Arterien kann auch ein massiver, kontinuierlicher Fluss hellroten Blutes vorliegen. Aufgrund des hohen Drucks können auch Verletzungen kleiner Arterien einen lebensbedrohlichen Blutverlust bewirken. Eine unmittelbare Versorgung ist auch hier dringend erforderlich.
Das „x“ im Primary Survey
Lehraussagen und Kursformate wie PHTLS stellen aus diesem Grund dem „Standard-ABCDE“ noch das „x“ voran. Exsanguination – das Ausbluten – meint die Suche und unmittelbare Behandlung lebensbedrohlicher Blutungen nach außen.
Was ist lebensbedrohlich?
Generell ist jede auf den ersten Blick erkennbare starke Blutung als potentiell lebensbedrohlich einzustufen und dementsprechend zu behandeln.
In etwas älterer Literatur wird man anstelle des „x“ auch das kleine „c“ finden – für Critical Bleeding, die kritische Blutung – mit gleicher Bedeutung.
Die Umbenennung hatte schlichtweg den Grund, um Verwechselungen mit dem „großen C“ des Schemas zu vermeiden. Teilweise sollen wohl aufgrund der Verwechselung Maßnahmen ergriffen worden sein, die an dieser Stelle der strukturierten Patientenversorgung nichts zu suchen haben – also eine falsche Priorisierung der Maßnahmen vorgenommen worden sein.
Mit dem „x“ sollte dieses Problem der Vergangenheit angehören und wir halten fest:
Die Kontrolle lebensbedrohlicher Blutungen nach außen ist allen anderen Maßnahmen in der Patientenversorgung vorangestellt.
Möglichkeiten zur Blutungskontrolle
Im Folgenden beleuchten wir die im Rettungsdienst üblichen „Standardmöglichkeiten“ zur Blutungskontrolle – ja, es gibt durchaus noch weitere Optionen, gerade in Hinblick auf die taktische Medizin; diese spielen aufgrund der derzeit geringen Verbreitung im Regelrettungsdienst allerdings kaum eine Rolle.
Manueller Druck
Die erste und vordringlichste Maßnahme im Falle einer lebensbedrohlichen Blutung nach außen lautet: manueller Druck – und zwar auf die Wunde, idealerweise mit sterilen Kompressen.
Die Maßnahme „manueller Druck“ dient primär zur Überbrückung, bis eine andere Variante der Blutungsstillung angewendet werden kann. Bei stammnahen Blutungen kann der manuelle Druck auch durchaus die definitive Versorgung der Blutung darstellen.
Das Abdrücken zuführender Gefäße an den Extremitäten – so z.B. der Arteria brachialis am Oberarm oder der Arteria femoralis in der Leiste – wird in der Regel nicht mehr empfohlen, kann jedoch im Einzelfall erwogen werden.
Der Effekt des Hochlagerns der betroffenen Extremität ist beschränkt, wenngleich er aus physiologischer Sicht sinnvoll erscheint.
Druckverband
Der Druckverband ist sowohl bei venösen als auch arteriellen Blutungen der Extremitäten der zweite Schritt und meist auch die ausreichende, definitive Versorgung in der Präklinik.
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Eine Betrachtung mit Fokus auf Ersthelfer findet ihr hier:
Nach dem manuellen Druck mit Kompressen (oder der Wundauflage eines Verbandpäckchens) werden diese zunächst befestigt, anschließend wird ein nicht saugendes Druckpolster (z.B. eine Packung Taschentücher oder eine eingepackte Mullbinde) darüber gelegt und festgezogen.
Ziel sollte hier eine stehende Blutung sein – nicht das Abbinden der Extremität. Pulse distal des Verbandes sollten noch tastbar sein.
Ist der erste Druckverband nicht ausreichend, kann ein zweiter Druckverband direkt auf dem ersten angelegt werden.
Eine Alternative zum „klassischen Druckverband“ stellen Israeli Bandage (auch: Emergency Bandage oder Notfallverband) dar. Dieses Tool aus der taktischen Medizin bietet eine schnelle, einfache und vor allem effektive Möglichkeit einer Blutungskontrolle.
Der Verband selbst ähnelt vom Grundaufbau einem herkömmlichen Verbandpäckchen, jedoch ist die Wundauflage meist größer und das elastische Bindenmaterial wesentlich robuster. Die Notwendigkeit eines separaten Druckpolsters entfällt hier, eine eingearbeitete Plastikschlaufe wird genutzt, um Druck auf die Wunde zu bringen.
Tourniquet
Auch eher aus dem Bereich der taktischen bzw. Wehrmedizin stammend ist das Tourniquet, welches zum Abbinden einer Extremität genutzt wird. Die Varianten unterscheiden sich bisweilen erheblich, sodass ich mich an dieser Stelle auf eine schematische Beschreibung beschränke.
Im zivilen Rettungsdienst wird es meist eskalierend eingesetzt, wenn eine Blutungskontrolle mit manuellen Druck und Druckverband bei starken Blutungen der Extremitäten nicht erfolgreich ist.
Das Tourniquet wird in der Regel eine Hand breit über der Verletzung angebracht (Achtung: nicht auf Gelenken), fest zugezogen und mittels des Knebels wird die Extremität schließlich abgedrückt, der Knebel wird gedreht bis die Blutung steht; die Uhrzeit der Anlage ist zu vermerken. Sofern keine ausreichende Blutstillung möglich ist, soll ein zweites überhalb des ersten Tourniquets angelegt werden.
Eine mögliche Alternative – gerade bei Blutungen der oberen Extremität – wenn der Anwender nicht im Umgang mit einem Tourniquet geschult ist oder keines zur Verfügung steht, ist eine handelsübliche Blutdruckmanschette: diese wird schlicht über den systolischen Blutdruck aufgepumpt (Sicherheitsüberschuss bedenken!), bis die Blutung steht.
Ausnahmen der Regeln
- Bei mehreren Blutungsquellen, der Unmöglichkeit, die eigentliche Blutungsquelle zu lokalisieren und in in taktischen Einsatzlagen erfolgt die Anlage weit proximal („High and tight“)
- Bei lebensbedrohlichen Blutungen mit gleichzeitig vorliegenden augenscheinlich kritischen ABC-Problem, bei mehreren Verletzten mit Blutungen oder in taktischen Einsatzlagen erfolgt die Anlage des Tourniquet als Primärstrategie
Wound Packing
Prinzipiell als Ultima ratio der Kontrolle lebensbedrohlicher äußerer Blutungen gilt das Wound Packing – und das meint schlicht das gezielte Austamponieren tiefer Verletzungen.
Das Wound Packing bietet sich dann an, wenn bei Extremitätenblutungen auch mit dem zweiten Tourniquet keine Blutungskontrolle erreicht werden kann oder bei stammnahen Blutungen kein Tourniquet angelegt werden kann.
Idealerweise werden hier hämostyptische Verbandsstoffe genutzt – welche die Blutgerinnung lokal fördern – um eine Wunde auszutamponieren. Sofern diese nicht zur Verfügung stehen, kann allerdings auch auf handelsübliche Mullbinden zurückgegriffen werden.
Die Blutungsquelle innerhalb der tiefen Wunde – z.B. die verletzte Arterie – sollte möglichst lokalisiert werden. Es bietet sich an, an den Anfang des Verbandsstoffs einen Knoten zu machen, um den Druck konzentrierter auf die Blutungsquelle bringen zu können. Anschließend wird die Wunde unter fortlaufenden Druck austamponiert (dreidimensional denken!) und nach Abschluss noch für eine gewisse Zeit komprimiert.
Hierbei unterscheiden sich die Zeiten je nach verwendeten Material – im Falle der Hämostyptika muss der Druck auf die austamponierte Verletztung für mindestens drei Minuten ununterbrochen aufrecht gehalten werden, bei regulären Verbandsstoffen sollten es mindestens zehn Minuten sein.
Abschließend sollte die Wunde trotz allem noch mit einem Druckverband – z.B. durch einen Notfallverband – versorgt werden.
Take-home-Message
Das „x“ im Primary Survey eröffnet unsere Patientenversorgung – und das ist gut so. „Verbluten“, insbesondere auch durch kontrollierbare Blutungen nach außen, ist nach wie vor eine häufige und vermeidbare Todesursache.
Die wichtigste Schlussfolgerung daraus ist, dass lebensbedrohliche Blutungen nach außen mit Priorität versorgt werden müssen.
Hierfür bietet sich das oben gezeigte Stufenschema an:
Stufenschema zur Blutungskontrolle
- manueller Druck auf die Wunde
- Druckverband
- ggf. zweiter Druckverband direkt auf dem ersten, falls erforderlich
- Tourniquet
- Primäre Anlage bei bestimmten Situationen erwägen!
- ggf. zweites Tourniquet proximal des erstes, falls erforderlich
- Wound Packing
All diesen Maßnahmen ist gemein, dass sie Ausbildung und vor allem regelmäßige Übung erfordern – das gilt insbesondere für die insgesamt eher seltenen Maßnahmen „Tourniquet“ und „Wound Packing“ – um im Einsatzfall zügig und sicher angewendet werden zu können
Eine fortlaufende Reevaluation des Erfolgs der Blutungskontrolle ist unbedingt erforderlich!
Ist eine lebensbedrohliche äußere Blutung kontrolliert, wird im xABCDE-Schema fortgefahren.
Interessenkonflikte
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Der Autor gibt an, dass keine Interessenkonflikte bestehen.
Quellen
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Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (2016): S3-Leitlinie Polytrauma/Schwerverletzten-Behandlung, AMWF-Registernummer 012/019, abgerufen unter https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/012-019l_S3_Polytrauma_Schwerverletzten-Behandlung_2017-08.pdf am 13.10.2022
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Luxem J., Runggaldier K., Karutz H., Flake F. (2020): Notfallsanitäter Heute, 7. Auflage. Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH, München. ISBN 978-3437462115. Hier erhältlich: https://amzn.to/3QVgyqE Affiliate-Link
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SaniOnTheRoad (2020): Wundversorgung und Stillung lebensgefährlicher Blutungen, abgerufen unter https://saniontheroad.com/wundversorgung-und-stillung-lebensgefahrlicher-blutungen/ am 13.10.2022
SaniOnTheRoad (2019): „Kleines 1×1 des Rettungsdienstes“ – Teil 12: Strukturiertes Arbeiten und Schemata im Rettungsdienst, abgerufen unter https://saniontheroad.com/kleines-1×1-des-rettungsdienstes-teil-12/ am 13.10.2022
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